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Lesotho und Revolution zum Zweiten

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Nervenkitzel zum Abschluss meines Afrika-Aufenthaltes. Die Ruhe vor dem Sturm. Nachdem ich mir in Südafrika und Lesotho eine Auszeit genommen habe, fliege ich am 2. Juli nach Kairo zurück. Ich komme um 5 Uhr 40 an. Es ist bewölkt. Der Wüstenstaub und der Smog decken die 20-Millionenstadt Kairo in einen grauen Schleier ein. Sobald ich vom Flieger aussteige, kleben mir die Kleider am Leibe. Ich bin mir diese schwüle Hitze nicht mehr gewohnt. Im winterlichen Südafrika ist es derzeit angenehm frisch. Ich bin etwas besorgt und gespannt. In den letzten Tagen gab es anlässlich des einjährigen Jubiläums des neuen Präsidenten Morsi Demonstrationen und Kundgebungen auf dem Tahrir-Platz. Unzufriedenheit, Unmut macht sich breit. Wirtschaftlich geht es bergab mit dem Pharaonen-Staat. Auch die undemokratische Richtung, die Morsi und die Muslimbrüder eingeschlagen haben, behagt vielen nicht. Das Land ist tief gespalten.

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Ein Taxi bringt mich westlich des Nils in den Stadtteil Mohandiseen, wo ich mein Velo bei drei jungen Studenten aus England, Amerika und Italien untergestellt habe. Sie studieren in Edinburgh “Internationale Beziehungen” und absolvieren einen Arabisch-Intensivkurs. An diesem Tag werden sich die Ereignisse überstürzen. Nachdem ich etwas Schlaf vom Nachtflug nachgeholt habe, begebe ich mich zum Sprachinstitut, wo Steve, Sam und Marco studieren. Alle anwesenden Studenten verfolgen gespannt und aufgeregt die aktuellen Geschehnisse im Fernsehen. Die Leute fordern den Rücktritt von Morsi, während dieser, gedeckt von den Muslimbrüdern, nicht im Geringsten daran denkt. Wieso auch ? Er ist demokratisch gewählt worden. Das Militär stellt sich auf die Seite der Demonstranten – und Morsi ein 48-stündiges Ultimatum, um eine friedliche Lösung herbeizuführen. In wenigen Stunden wird es ablaufen. Was wird passieren ? Nach Ablauf der Frist entmachtet das Militär putschartig Morsi.

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Freudenjubel bricht bei den Menschen aus. In der ganzen Stadt werden Feuerwerke gezündet, Autofahrer hupen, schwenken Fahnen, Gewehrschüsse werden abgefeuert. Mit dem mitgebrachten südafrikanischen Rotwein und Billtong stossen wir auf die zweite Revolution an. Steve geht spätabends noch auf den Tahrir-Platz, um die vibrierende Volksfest-Stimmung vor Ort zu erleben, während die meisten Sprachstudenten noch in dieser Nacht unter Waffenschutz nach Jordanien evakuiert werden. Meine drei Gastgeber wollen noch in Kairo bleiben.

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Es wird eine sehr kurze Nacht werden. Ich fahre am nächsten Tag ins Zentrum. Ich habe ganz andere Sorgen. Ich will ein Paket aufgeben, um ein paar Kilogramm für den Flug nach Tunesien abzuspecken. Die dicke, sperrige Wolldecke aus Lesotho kann ich zudem in den naechsten Wochen nicht gebrauchen. Und ich muss noch den Flug buchen. Die Taxifahrer sind erfreut über den Ausgang der Demonstrationen. Das Leben in der Metropole scheint normal weiter zu gehen. Ich begebe mich zum Tahrir-Platz, wo bloss eine Handvoll Demonstranten übriggeblieben ist. Es herrscht eher Katerstimmung, viel Abfall liegt herum, beissender Gestank von Urin liegt in den Strassen. Ich wäge ab. Es ist Donnerstag, ich könnte bereits am Freitag fliegen. Aber ohne einen Blick auf die Pyramiden und die Sphinx zu erheischen, moechte ich nicht verreisen. Also buche ich für den Samstag und besuche am Freitag mit meinen Gastgebern die Pyramiden. Auf den letzten Drücker sozusagen. Wir sind praktisch die einzigen ausländischen Touristen.

Die Muslimbrüder lassen die Absetzung ihres Präsidenten nicht ohne weiteres auf sich sitzen und blasen nach dem Freitagsgebet zum Angriff, während Kampfjets den ganzen Tag lang die Macht des Militärs demonstrieren. Es folgen Gegendemonstrationen, Sitzproteste, in denen drei Mursi-Anhänger getötet werden. Die Intialzündung für weitere Tote. Abends dann erhalten meine Gastgeber die Nachricht, dass sie in den nächsten Stunden zwingend evakuiert werden. Ein Taxifahrer bringt mich um 5 Uhr morgens zum Flughafen. Die Strassen sind leergefegt, wir kommen gut voran. Doch auf halber Strecke fahren wir im Vorort Nasr City in eine Protestaktion rein, Stacheldraht und Panzerwagen versperren die Hauptverbindung zum Flughafen. Mir ist leicht mulmig. Zum Glück habe ich aber das Taxi fünf Stunden vor dem Flug (der ohnehin noch zwei Stunden Verspätung haben wird) bestellt. Wir nehmen einen Umweg. Endlich treffe ich dann im Flughafen ein und kann einchecken. Und ausatmen.

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Doch nun zurück nach Südafrika, nach Lesotho. Ich stelle mein Velo bei Sam, Steven und Marco in Kairo ein und fliege runter nach Johannesburg, wo der Winter Einzug hält. Nachts ist es kalt und eisig, tagsüber sonnig und frisch. Die Luft ist rein, der Himmel stahlblau. Zusammen mit Shawna, eine Peace Corpse Volunteer, die ich seinerzeit in Lesotho kennengelernt habe, verbringen wir zunächst einige Tage in Südafrika, in Clarens und im Golden Gate National Park.

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Dieses Bergland, drei Viertel so gross wie die Schweiz, hat mir auf meiner Durchreise bereits sehr gut gefallen, die Leute waren sehr freundlich. Die Stimmung ist enstpannt, die Leute gehen gemächlich ihren Alltagsgeschäften nach, die meisten Männer tragen einen Kobo, eine dicke Wolldecke. Verhandeln ist hier verpönt. Man wird nicht übers Ohr gehauen. Die meiste Zeit verbringe ich in Mohales Hoek, wo Shawna ihrer Tätigkeit als Peace Corps Volunteer beim Ministry of Agriculture nachgeht. Sie lebt hier in einem landestypischen Rondavel mit einem Strohdach. Einige Meter entfernt ein aus Wellblech improvisierter Stall für die vier Schafe von Ntaté Lefu, der mich wie üblich mit einem breiten Grinsen begrüsst.

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Langweilig kann es einem in einem bergigen Land nicht werden. Im Hinterhof von Mohales Hoek gibt es viele Hügel und so unternehmen wir viele Wanderungen, erkunden Höhlen, Schluchten und besteigen einige Berge. Es macht Spass, frühmorgens loszubrechen, einen Gipfel anzupeilen und dorthin zu trekken. Unterwegs treffen wir immer wieder Schafhirten an. Unser treuer Begleiter ist jeweils Seriti, auf Sesotho Schatten, ein frecher junger Hund, der stetig an Vertrauen gewinnt, es sichtlich geniesst, Berge hinaufzukraxeln und besonders Freude daran hat, Schafherden und Kinder zu verscheuchen. Bei einer Wanderung verweigert er jegliche Nahrungs- und Wasseraufnahme. Wir befürchten schon, dass er vergiftet wurde. Doch zum Glück wird er abends wieder seine gewohnte Ess-Aggression finden, um die wir für einmal froh sind.
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Als erstes nehmen wir den Hausberg von Mohales Hoek in Angriff: Thaba Linoha, der Schlangenberg. Die Tage sind kurz und so starten wir in der Dunkelheit im Schein unserer Stirnlampen. Beim ersten Aussichtspunkt eröffnet sich das Tal, Morgennebel hängt schwer in der Luft und gibt in der Dämmerung ein tolles Farbspektakel ab. Von weitem studieren wir die kahle Bergflanke, um eine geeignete Route ausfindig zu machen. Das lose Geröll und ein paar Felsstufen zwingen uns zu besonderer Vorsicht. Selbst Seriti wird es dann irgendwann einmal zu bunt, er winselt und will über ein paar Felsen getragen werden. Doch nach ein paar Stunden haben wir es geschafft, sind oben und können endlich die Aussicht auf die Berge und das benachbarte Flusstal bestaunen.
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Mit dem Mietauto unternehmen wir dann später einen Ausflug ins Landesinnere und zur höchsten Strasse des südlichen Afrika. Unterwegs bestaunen wir einige Dinosaurier Fussabdrücke und Felszeichnungen von Buschmännern. Dann geht es ständig bergauf, bis zum höchsten Punkt auf über 3’255 M zum Tlaeeng Pass, der höchsten befahrbaren Strasse im südlichen Afrika. Unser kleines Mietauto kann natürlich nicht mithalten mit den übermotorisierten SUV’s aus Südafrika, die für ein verlängertes Wochenende nach Lesotho zum Skifahren und Snowboarden brettern. Im Afriski-Resort gibt es das Ganze Drumherum, das man an einem Skiort findet: Ski – und Snowboardverleih, Après-Ski, Restaurant, Bars, Chalets, Backpacker und trendiger Laden. Ach ja, und eine niedliche, kaum halben Kilometer lange Piste, die mit Kunstschnee am Leben erhalten wird. Aber fuer  uns gibt es keinen Platz zum Schlafen. Ausser im Mietwagen, in dem wir eingepackt in den Schlafsäcken eine eisig-kalte Nacht verbringen.

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Wir fahren anschnliessend zum Katse-Dam. Ab hier ist die Strasse nicht mehr geteert und in einem schlechten Zustand. Für die 60 Kilometer nach Thaba Tseka benötigen wir fast vier Stunden. Dass wir mit dem Auto unterwegs sind, spricht sich bei den anderen Peace Corps Volunteer dank BlueBerry schnell rum und so nehmen wir unterwegs noch zwei Kolleginnen mit, die zur Hauptstadt Maseru fahren wollen.

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Diesmal habe ich ausgiebig Zeit für ein Ponytrekking, zwei Tage bin ich zusammen mit meinem 20-jährigen Guide Ntaté Ntabo auf Schusters Rappen unterwegs. Der beste Ort, um ein solches Trekking zu organisieren, ist die Malealea Lodge im Suedwesten des Landes. Es ist eindrücklich, wie die Ponies durch steile Abschnitte und loses Geröll vorankommen. Wir trekken ins Tal des Ribaneng, schlafen dann in einem kleinen Dorf.
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Eine unschoene Szene erleben wir, als wir in einem Minibus unterwegs sind. Ploetzlich haelt der Verkehr an, ein Bus hat sich aus welchem Grund auch immer quer zur Strasse gestellt. Ein entgegenkommendes Taxi weicht auf das holprige Feld aus, brettert mit unverminderter Geschwindigkeit darueber. Ploetzlich geht die hintere Tuere auf, eine uebergewichtige Mutter mit einem Kleinkind auf dem Ruecken gebunden faellt aus dem Fahrzeug und knallt auf den Boden, rollt einige Male. Die Frau blutet im Gesicht, schreit verzweifelt. Der Zustand des Kindes scheint kritisch zu sein.

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Zurück in Johannesburg habe ich einen halben Tag Zeit, die ich nutze, um ein paar Stunden im aufschlussreichen Apartheid-Museum zu verweilen. Dann geht es wieder zurück nach Kairo. Von dort fliege ich dann weiter nach Tunis. Nach Ägypten ist Tunesien eine richtiggehende Umstellung. Tunis ist sauber, europäisch, geordnet. Ein grosser Boulevard lädt zum Flanieren ein. Die Tunesier leben einen moderaten, aufgeschlossenen Islam. Frauen in Burkas sind hier nicht zu sehen. Kopftücher sind eher die Ausnahme. Abends schliessen alle Laeden. Ich fühle mich wohl hier. Die Tunesier sind kontaktfreudig. Viele Jugendliche sind neugierig auf meine Meinung über Tunesien, wo der arabische Frühling vor über zwei Jahren sich wie ein Brandfeuer ausgebreitet hat.

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Drei Tage lang absolviere ich mein Pflichtprogramm. Das touristische Städtchen Sidi Bou Said, das moderne Museum Bardo, wo viele einzigartige Mosaike aus Karthago höchst professionnel und zeitgemässs ausgestellt sind. Trotz Hitze kann ich mich doch  noch dazu überwinden, einige Steinhaufen in Karthago anzuschauen. Wohlwissend, dass  der Roemer Cato mit seinem “ceterum censeo carthaginem esse delendam” im Senat durchdrang und die Stadt im Dritten Punischen Krieg dem Erdboden gleichgemacht wurde.

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In Tunesien freue ich mich auch, wieder einmal ein traditionelles Hammam zu besuchen, wo ich von einem Masseur durchgeknetet und geschrubbt werde. Ich verirre mich in der UNESCO-geschützten Medina, wo die Händler im ägyptischen Vergleich richtiggehend zahm sind. Es ist jetzt im Juli eindeutig zu heiss, um noch das Landesinnere von Tunesien und die Wüste zu erkunden. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Inshallah ! Von Tunis nehme ich die Fähre, die mich in sechs Stunden nach Sizilien, meinem Heimatland bringt !

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Himmlisches Lesotho

 

Lesotho, ausgesprochen Lee-suu-thuu: ein Land, auf das ich mich während meiner ganzen Reise besonders gefreut habe. The Kingdom of the Sky, die Schweiz Afrikas, ist ein Kleinod im südlichen Afrika. Eine Enklave, völlig umgeben von Südafrika. Dreiviertel so gross wie die Schweiz. Weltweit das einzige Land, das komplett auf über 1‘000 Meter über Meer liegt. 80 % der Fläche sogar auf über 1‘800 M.ü.M. Ein Land, das mich von Beginn weg in seinen Bann zieht. In das ich mich verliebe. Trotz der gnadenlosen, brutalen Steigungen und Gegensteigungen, Rampen, Hügel, Kletter- und Schiebepartien. In keinem anderen Land schiebe ich das Rad soviel wie hier in Lesotho. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten bewegen sich zwischen 7 und 11 km/h. Oftmals ist nach 50 Kilometer bereits Feierabend. Radfahrerisch sind die Verhältnisse hart bis extrem. Aber was für Landschaften und freundliche Leute ! Das Gruessen scheinen die Basotho erfunden zu haben. Es ist noch nicht aller Tage Abend, doch soviel weiss ich jetzt schon: Lesotho ist ein heisser Favorit für mein Lieblingsland in Afrika.

Doch erstmals zurück nach Port Elizabeth, wo ich mich vom sympathischen Schweizer-Paar John und Anne verabschiede und in drei Tagen der Küste entlang nach East London fahre. Eine gemütliche flache Etappe, müsste man meinen. Trugschluss. Hügel nach Hügel. Etwas, das ich in Südafrika vermisse, sind flache Etappen zwischendurch. Immerhin kann ich auf Anraten eines Einheimischen in einem Gemeinde-Naturreservat wild zelten. Das letzte Flusspferd sei vor 8 Monaten gesichtet worden, von daher könne ich beruhigt am Fluss beim Picknick-Platz mein Zelt aufschlagen. Bei der Hinfahrt sehe ich drei Giraffen, Warzenschweine, eine Herde Zebras, Antilopen. Und spüre danach eine ganze Armada von Mücken. In East London besuche ich den Bruder einer in der Schweiz lebenden, indischstämmigen Südafrikanerin, Lynette, deren Hochzeit ich vor meiner Abreise fotografieren durfte. Ich mache mit Brad an einer Tankstelle ab. Das Velo packen wir in den VW Golf, holen seine Freundin Sid ab und fahren nach Hause. Brad und Sid sind hilfsbereit und verwöhnen mich drei Abende lang mit ihren Kochkünsten. Brad hat ein paar Monate lang in Basel gelebt und mag sich noch sehr genau an Ortschaften und Lokalitäten erinnern. Thanks a lot Brad and Sid, you are wonderful !

Mit dem Bus fahre ich bis nach Kokstad durch das ehemalige Homeland der Transkei. Die wirtschaftlich am schwächsten entwickelte Region in Südafrika. Keine Bäume, erodiertes Land, einfache Hütten. Trotz sonnigem Wetter strahlt die Gegend Trostlosigkeit aus. Die Apartheid ist abgeschafft, trotzdem werden solche Gegenden es schwer haben, sich wirtschaftlich zu entwickeln. In Matatielé, entdecke ich die Touristeninformation ganz zufällig. Es fehlt ihr offensichtlich an finanziellen Mitteln aber auch an Reisenden und Informationssuchenden. Die Auskunft ist dafür nach meinem Geschmack. Der Angestellte setzt mich mit Dorfchef von Mafubé in Verbindung. Er befindet sich zufälligerweise in der Stadt. Ich darf auf seinem von fünf Hunden gut überwachtem Grundstück zelten. Einer dieser Köter scheint an Gedächtnisschwund zu leiden, bellt bis tief in die Nacht mein Zelt an und markiert sein Revier ordentlich. Zu meiner Freude zieht der Dorfchef für das Abschiedsfoto seine traditionelle Kleidung mit Leopardenfell an.

Nach einem Pass betrete ich in Qachas Nek auf knapp 2‘000 M.ü.M. Lesotho. Und es geht gleich los: rassige Abfahrten und steile Rampen wechseln sich ab. Flache Abschnitte gibt es nicht. Dafür einen kräftigen Gegenwind. Die Beine haben Mühe, hier irgendeinem Rhythmus, einer Regelmässigkeit zu folgen. Die Landschaft ist in gelben und ockerfarbenen Tönen gehalten, erinnert mich an Tadjikistan. Früher als erwartet streiche ich die Segel, suche im Dorf White Hill den Dorfchef auf. Wir diskutieren lange. Ofihlile Sekake weist mich darauf hin, dass Strom erst vor zwei Jahren eingeführt wurde, die Strassen vor zehn Jahren noch ungeteert waren. Kleine, wichtige Fortschritte.

Die Basotho, die Einwohner Lesothos, sind ein einheitliches, stolzes Berg- und Reitervolk. Sie sprechen Sesotho. Der grosse König Moshoeshoe hat es im 19. Jahrhundert verstanden, Stämme und Sippen im Kampf gegen eindringende Zulus und Buren zu vereinen. Im ehemals englischen Protektorat sind, anders als in Südafrika, keine Nachwehen der Apartheid-Politik zu spüren. Eine afrikanische Eigenheit ist den Basotho ebenfalls eigen: die Lautsprecher sind stets auf Maximalstufe eingestellt. Man hoere und staune, aus Bars, Minibussen und Geschaeftslokalen ist oft House-Music zu hören, sodass manchmal schon fast ein bisschen Street Parade-Stimmung herrscht.

In Mohales Hoek komme ich im FTC – Farmer Training Centre, unter. Es gibt hier billige Unterkünfte, zweckmässige Zimmer, Eimerdusche. Nebenan lebt in einem Rondavel, einer Rundhütte, umgeben von Bergen, ein paar Schafen und einem Froschteich, die Peace Corps Volunteer Shawna. Nach Guineé-Conakry gerate ich hier in Lesotho wieder in die Peace Corps-Mühle, werde von einem Peace Corps zum anderen weitergereicht. Am folgenden Tag ist Independence Day in Lesotho. Ich verbringe den Tag mit Shawna und Jacqueline in einem Waisenhaus der amerikanischen „Trust for Africa“ Foundation, erhalte einen Crash-Kurs in Sesotho.

Ein Abstecher führt mich über den Gates of Paradise Pass auf 2‘001 Metern nach Malealea. Das Dorf bildet eine Einheit mit der einzigen Lodge, die auf Nachhaltigkeit, sanftem Tourismus und Pony-Trekkings setzt. Von Lonely Planet sogar zu den Top 10 World Wide Value Destinations auserkoren. Im Zeltplatz treffe ich auf eine Schar von angehenden südafrikanischen Fotografen, mit denen ich – dem Maluti Mountain Beer sei dank – einen nachhaltigen und feuchtfröhlichen Abend verbringe.

Lesotho ist nicht mit Rohstoffen gesegnet, eines der ärmeren Länder auf dieser Welt. Allerdings ist die Alphabetenrate mit rund 85 % sehr hoch. Diamanten, Schafswolle (Mohair), Arbeitskraft und Wasser sind die grössten Exportprodukte. Da viele Minen in Südafrika geschlossen haben, ist die Arbeitslosigkeit in der Vergangenheit gestiegen. Erfreulicherweise hat aber Lesotho in den letzten Jahren ein grossangelegtes Dammprojekt – das Lesotho Highlands Water Project – in Angriff genommen, um den Wasserbedarf Südafrikas zu stillen. Der Katse und Mohale Dam sind bereits gebaut, haben für einen Aufschwung gesorgt. Die Infrastruktur, namentlich die Strasse, die von der Hauptstadt Maseru Richtung Osten führt, ist im Zuge dieses Projektes grösstenteils asphaltiert worden. Die Transportzeiten haben sich drastisch verkürzt.

Kurz vor Maseru biege ich nach Westen ab. In der Nähe von Nazareth komme ich beim Peace Corps Volunteer Heather unter. Zum Glück rechtzeitig, denn sobald ich in der Rundhütte im Trockenen bin, fegt ein Hagelsturm über die Landschaft. Die Sommerstürme, begleitet von Blitzen und Donnern, sind berüchtigt, töten viele Schafhirten. Selbst in kleinen, abgelegenen Dörfern finden sich Shops, die von Chinesen betrieben werden. Aber auch Pakistani sind geschäftstüchtig und laufen den Einheimischen den Rang ab. In Nazareth grüsse ich einen auf Arabisch. Er rede nur „small, small English“. Als ich die zwei Packungen Biskuits und zwei Orangen bezahlen möchte, wehrt er ab, meint das sei ein „gift“, will partout kein Geld von mir annehmen.

Nach Nazareth fängt der Alpenchallenge so richtig an: auf den nächsten 140 Kilometern gilt es zahlreiche Pässe zu erklimmen: den Bushmens Pass (2‘268 M), danach den God-Help-Me-Pass (2‘318 M), gefolgt vom Blue Mountain Pass (2‘634 M) und dem Likalaneng-Pass (2‘620 M). Jeweils um die 500 bis 800 Höhenmeter.

In Marakabei stelle ich dann nach 73 Kilometern und wohl über 2‘000 Höhenmetern mein Zelt vor der Polizeistation auf. Dort bin ich vor Dieben sicher, wiege mich in Sicherheit. Weit gefehlt ! Als ich am Morgen Kaffee kochen möchte, merke ich, dass mein Viktualien-Sack (bestehend unter anderem aus einem guten Stück Biltong) fehlt. Ein Hund muss es sich aus der Apsis geschnappt haben. Nach dieser Lektion nehme ich den Cheche’s Pass auf 2‘545 M in Angriff. In Mantsonyane kehre ich bei einem Camper ein. Das Essen (Beefragout, Cabbage und Papa) schmeckt hervorragend.

Das Hauptgericht in Lesotho ist Papa – Maisporridge. Mais wird überall in kleinen Mühlen gemahlen. Der Maiskolben ist derart bedeutend, dass er auf vielen der Decken prangt, welche die Basotho gerne tragen. Diese blankets sind allgegenwärtig. 1860 wurde der König Moshoeshoe I mit einer solchen Decke durch englische Händler beschenkt. Seitdem haben sie die Decken wie ein Lauffeuer ausgebreitet, denn sie sind praktisch, schützen vor Regen, Wind und Kälte. Traditionell ist auch der konisch geformte Basotho-Hut, der mokorotlo, der aber leider nicht mehr so häufig angetroffen wird. Seine Form hat er angeblich einem Hügel namens Qiloane Hill entliehen.

Noch ein Pass, der Mokhoabong Pass auf 2‘880 M, dann ist Thaba Tseka erreicht. Von dort schaffe ich es nicht in einem Tag bis nach Linakaneng, etwa 65 Kilometer weit entfernt. Zu viele Hügel und Steigungen. Aber schlimmer: als die mühsam erklommenen Höhenmeter zum etlichen Male wieder auf einer Abfahrt dahinschmelzen, verdunkelt sich der Himmel schlagartig. Ohrenbetäubende Donner kündigen Unheil an. Blitze schlagen in unmittelbarer Nähe nieder. Auf einer Anhöhe trotzt ein Trupp von mutigen Burschen, eingekleidet in Fellen, dem herannahenden Sturm. Ich vermute, dass diese Jungs ihren Initiationskurs zum Mann-Werden absolvieren. Die Szenerie wirkt unheimlich, wie aus einem Film. Der Hagelsturm holt mich ein. Ich habe nicht einmal Zeit, die Regenjacke aus meiner Packtasche hervorzukramen. Der Wind fegt mich auf die Seite. Kein Baum, keine Böschung. Ich kann nur noch neben dem Velo niederkauern, die Hände über dem Kopf verschränkt und lasse Hagel und Regen über mich ergehen. Nach einigen Minuten legt sich der Wind etwas. Durchgenässt, mit mulmigem Gefühl fahre ich runter zum Fluss. Unzählige Schafhirten werden in Lesotho jährlich vom Blitz getroffen, mag ich mich erinnern, irgendwo gelesen zu haben. Nicht sehr beruhigend. Bei der Brücke ruft mich ein Hirte, der unter einem Felsvorsprung Zuflucht gesucht hat, herbei. Ich klettere die erdige Böschung rauf und kann endlich ausatmen.

In Linakeng kann ich zum Glück, völlig durchnässt, beim Personalhaus einer kleinen Klinik übernachten und meine Kleider einigermassen trocknen. Auf den Menoaneng Pass auf 3‘045 M. schiebe ich praktisch durchgehend das Velo, werde aber auf der Höhe mit eindrücklichen Lichtspielen auf den Bergketten belohnt. Nach einer kurzen Abfahrt komme ich auf ein Strassenarbeiter-Camp mit einfachen Wellblechhütten. Jakob, der Aufseher, reinigt eine, die er als Hühnerstall verwendet. Für mich ein Geschenk, in dieser kalten und windigen Nacht nicht im Zelt schlafen zu müssen.  Die nächste Nacht verbringe ich am Fusse des Kotisephola Passes (3‘240 M). Im Windschutz einer grossen Wellblechhütte, in der Schafe geschert werden. Auf wunderbar weichem Schafsdung. Erst beim Zubettgehen fällt mir der beissende Geruch des Naturprodukts auf.

Es geht nun runter zum berühmten Sani-Pass auf 2‘873 M. Die Prominenz verdankt der Pass nicht seiner Höhe, sondern den sehr steilen Serpentinen und dem äusserst schlechten Strassenzustand wegen. Ich verbringe einer Nacht bei Regen, Wind und Kälte im Zelt. Am nächsten Tag laufe ich dann mit einer Gruppe von Wanderern im Regen den Pass runter. Am Grenzübergang dann scheint die Sonne wieder.

Die Fahrt bis nach Durban bzw. Pinetown ist dann wieder alles andere als flach. Ich fahre entlang von Wäldern, zumeist Eukalyptus Plantagen. Der Höhepunkt dieser Fahrt ist folgende Szene: ich sehe, wie eine Frau aus einem Tannenwald mit einer Kiste auf dem Kopf rausläuft. Eine Kiste voller riesiger Steinpilze. Ich bin aus dem Häuschen. Eine zweite, dritte und vierte Frau gesellt sich hinzu. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. „Let’s do business!“, meine ich. 15 Rand wolle sie für eine Kiste. Ein lächerlicher Betrag von umgerechnet knapp 2 Schweizerfränkli. Ok, ich nehme mir zehn Stück für 10 Rand. Nach der Transaktion meint die Dame, ich solle nun verschwinden. Erst als ein Lieferwagen mit der Aufschrift „Bolé“ (bolet heisst auf französisch Steinpilz) anhält und die Frauen die Ware abliefern, begreife ich. In Dannybrook kann ich dann umsonst in einer leerstehenden Rundhütte schlafen. In Pinetown dann werde ich von Les Bowden, Inhaber eines Schreinerei, die massgefertigte Küchen herstellt, herzlich empfangen. Ich habe ihn in Namibia kennengelernt, als er mit Kollegen mit dem Töff unterwegs war. Thanks for your great hospitality, Les !

 

In einigen Tagen werde ich bereits in Mosambik sein. Es kann noch fuer das Alphabetisierungszentrum gespendet werden. Jede Spende zaehlt und es wird mich freuen, das gesammelte Geld persoenlich im Norden von Mosambik ueberreichen zu koennen. Vielen Dank fuer die Unterstutzung !

 


Nimm zwei

Wenn schon, dann gleich beide: Guinea-Bissau und Guinea. Letzterer wird zur Unterscheidung oft auch Guinea-Conakry genannt.  Mein Alternativprogramm zu Mopti, Djenné, Pays Dogon und Co. in Mali, um die ich aufgrund der derzeitigen Sicherheitslage einen Bogen mache.  In Westafrika haben die Guineas touristisch nicht die Nase vorne, obschon die Länder landschaftlich sehr viel zu bieten haben – das Bijagos Archipel vor Bissau zum Beispiel – und die Menschen sehr gastfreundlich sind. So habe ich in Guinea kein einziges „Donne moi un cadeau“ vernommen.

Das Visum für Guinea-Bissau bekomme ich am 20. Januar, einem Feiertag. Dem Tag der Ermordung von Amilcar Lopes Cabral. Auf portugiesisch meint der freundliche, umtriebige Konsul, ich hätte Glück gehabt, er habe eine Verabredung, ansonsten wäre er nicht am Arbeiten gewesen. Innert 15 Minuten habe ich mein Visum.

Amilcar Cabral leitete als Gründer des PAIGC (Partido Africano da Independência da Guinea e Cabo Verde) den Unabhängigkeitskrieg gegen Portugal. An seinem Geburtsort Bafata werde ich später vorbeifahren. Erst 1973 ist Guinea-Bissau unabhängig geworden. Seither will es aber mit dem kleinen Land, das rund zehn Prozent kleiner als die Schweiz ist, nicht richtig bergauf gehen. Es gab Militärputschs, Präsidenten werden ermordet, 1999 tobte in Bissau ein Bürgerkrieg. Das Land ist stark unterentwickelt, liegt nur auf Platz 164 von 169 des Human Development Index. Die Leute leben sehr einfach, sind Selbstversorger. Ein Stromnetz gibt es nicht. Einzig der Anbau von Cashew-Nuss-Bäumen vermag ein geringes Einkommen zu generieren. Immerhin liegt Guinea-Bissau weltweit auf Platz 6 der Cashew-Nuss-Exporteure.

Der Präsident ist erst vor wenigen Wochen verstorben, dennoch ist die Lage ruhig in Bissau, wo ich bei Lieve, einer Belgierin unterkomme. Lieve lebt seit mehr als 20 Jahren mehrheitlich in Afrika: in Niger, Botswana und die letzten Jahre in Guinea-Bissau. Sie kann mir entsprechend viel über das Land berichten. Ich habe doppelt Glück: der nigerianische Konsul ist über meine Veloreise sehr angetan und stellt mir prompt  ein 6-Monats Visum aus, aber erst am Montag. Und der Weekend-Trip von Lieve fällt ins Wasser, sodass ich über das Wochenende in ihrer kleinen Wohnung inmitten eines belebten Wohnquartiers bleiben darf. Moito obrigado, Lieve ! Ein einziger Wasserhahn bedient während einigen Stunden am Tag einen Hof, zu dem mehrere Familien Zugang haben. Fliessendes Wasser ist hier keine Selbstverständlichkeit. Nachts versinkt die Stadt Bissau in Finsternis, einzig durch Kerzen, wenigen Stromgeneratoren und Scheinwerfern von Autos und Motorräder notdürftig beleuchtet. Von einer Lichtverschmutzung ist man hier noch Lichtjahre entfernt !

Ausserorts herrscht auf den Strassen erstaunlich wenig Verkehr, mehr Velofahrer als Fahrzeuge. Kein Wunder:  wer kann sich hier schon ein Auto leisten ?  Entsprechend wenig, haben die Polizeikontrollen zu tun. Meistens eine Gruppe stark übergewichtiger Frauen, denen die hellblauen Hemden auf Brusthöhe zu platzen drohen. Ich werde aber meistens zum Essen eingeladen und kann mir eine gute Portion Reis und Fisch aus der grossen Schale rauslöffeln.

Meterhohe Termitenhügel säumen den Wegesrand. Als ich einige inmitten eines Dorfes bewundere, kommt der 24-jährige Nico auf mich zu und bietet mir die grünen Früchte der Rognier-Palme an. Die wollen aber zunächst auf den 20 Meter hohen Palmen gepflückt beziehungsweise abgehauen werden. Kein Problem. Ein Schulkind wird hergeholt. Mit einem Ring aus Bambusholz presst er sich mit nackten Füssen gegen den Stamm und in wenigen Augenblicken ist er bereits oben. Ratsch, ratsch, mit der Machete haut er drei Stauden ab. Die Nüsse werden dann am Ansatz mit der Machete abgehauen. Drei Öffnungen zeigen sich nun. Der Daumen wird nun kräftig hineingedrückt und hin und her bewegt, dabei wird gleichzeitig die glitschige Masse ausgelutscht. Herrlich erfrischend !

Da das wilde Zelten teils schwierig ist,  gehe ich auf Konfrontation und frage in kleinen Dörfern jeweils den Chef de village, ob ich im Dorf übernachten könne. Das hat  Vorteil, das man in Sicherheit ist, sich waschen und  kochen kann. Einziger Nachteil: man kann nicht in der Nase herumbohren, ohne dass es mindestens 20 neugierige Augen registrieren. Glücklicherweise verziehen sich aber meist alle diskret, sobald ich zu essen anfange. Im Gegenzug überreiche ich den Leuten kleine Geschenke: Seife, Maggi-Kochwürfel, eine Zwiebel, Knoblauch, Kekse, eine 1‘000 CFA-Note. Am Tag muss ich jeweils zwei- bis dreimal Wasser filtern. Da erfreulicherweise sehr viele Dörfer einen Brunnen oder eine Wasserpumpe haben, muss ich nie mehr als 5 Liter Wasser schleppen.

Die Einreise nach Guinea verläuft ohne Probleme. Grenzbeamte verfolgen gerade die Fussball-Nationalmannschaft im Fernseher. In diesen Wochen wird die Coupe des Nations d’Afrique, die CAN, abgehalten. Entsprechend schnell werde ich abgefertigt.

In Guinea fangen dann die richtig schlechten Pisten an: staubig, holprig, sandig. Und bereits nach einem Tag fresse ich derart viel Staub, dass ich eine Woche lang keine Stimme mehr habe. Das Laubwerk in unmittelbarer Nähe der Strasse ist braun bepudert. Immerhin wird das Strassennetz langsam ein bisschen modernisiert. Wird auch Zeit, weil praktisch der ganze Waren- und Personentransport auf der Strasse beziehungsweise auf diesen Pisten stattfindet. Guinea wäre eigentlich reich: es hat die drittgrössten Vorkommen an Bauxit (Aluminiumerz).  Ab Koundara ist die Strasse Richtung Süden für 70 Kilometer asphaltiert, den Chinesen sei Dank. Danach fangen die Hügel des Fouta Djalon und die schlechten Pisten an.

In Koundara begebe ich mich sicherheitshalber ins Spital, um einen Malariatest zu machen, denn ich habe leicht Fieber und Gliederschmerzen. Entwarnung. Ein halber Ruhetag, ein Hotelzimmer, Pain Killers und schon geht es am nächsten Tag weiter.

Das Fouta Djalon ist ein wald- und wasserreiches, hügeliges Gebiet. Die Flüsse Gambia und Senegal sowie grössere Zuflüsse des Niger entspringen in dieser Gegend. In Labé gibt es, wie in den meisten Teilen des Landes kein Strom, ausser in wenigen Hotels, dafür leckere Baguette. Sehenswert ist hier der Gemüsemarkt. Die Temperaturen sind hier nun merklich kühler, am Morgen fällt die Temperatur bis auf 15 Grad. In Dalaba, der Schweiz Guineas, wo die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba einige Jahre im Exil lebte, bin ich dann bereits auf 1‘200 Metern über Meer.

Bewohnt wird die Gegend von den Fula, Viehzüchter, sehr gastfreundliche Leute. Mir fällt auf, dass diejenigen im gesetzteren Alter schöne handgestickte Hüte tragen. Bereits auf meiner Tibet-Reise habe ich auf Anraten eines guten Freundes jeweils ein Exemplar der landestypischen Kopfbedeckung als Souvenir erstanden. Nach einigem Herumfragen stellt sich heraus, dass ich in Dara, wo die Hüte hergestellt werden, durchfahren werde.

Tatsächlich: hier sind sie, die Hutmacher des Fouta Djalon. Ein Zehnergruppe von Herren, die unter einem grossen Baum neben einer Moschee den ganzen Tag Hüte sticken. Jeder hat sein eigenes Muster. Ich kaufe gleich zwei Stück. Zu meiner Freude wollen alle abfotografiert werden.  Aliou, der freundliche Herr ganz rechts auf dem Bild, meint, er kenne einen Weissen hier. Er wohne im nächsten Dorf. Er ruft Joel, einen amerikanischen Peace Corps Volunteer an. Und so werde ich praktisch eine ganze Woche lang von einem Volunteer zum nächsten durchgereicht. Und erfahre eine Menge über die Peace Corps: 1961 im Zuge des kalten Krieges auf Initiative von Kennedy ins Leben gerufen, um das Verständnis zwischen Amerikanern und anderen Völkern zu fördern. Die grösstenteils jungen Volunteers bleiben zwei Jahre im Land, leben teils in einfachen Dörfern in Strohhütten ohne Strom und fliessendes Wasser, wo sie sich integrieren und die jeweilige Sprache lernen. Jessie, Lane und Caroline haben erst vor wenigen Tagen ihren Dienst angefangen. Ich bin aber beeindruckt, wie manche von Ihnen voller Überzeugung, Stolz und Hingabe ihre Aufgabe angehen. Thanks a lot for your hospitality !

An das Finale der CAN denke ich gar nicht, als ich wieder in einem Dorf übernachte. In der Schule nebenan hat sich der männliche Teil der Dorfgemeinschaft versammelt, um vor dem einzigen, mit Stromgenerator betriebenen Fernseher gebannt das Spiel Côte d’Ivoire gegen Sambia zu verfolgen. Auch wenn ich kein grosser Fussballfan bin – ehrlich gesagt gar keiner – , wird mir aber der Abend lange in Erinnerung bleiben. Zu meinem Leidwesen geht das Spiel in die Verlängerung. Zeitweise nicke ich ein. Immerhin bekomme ich mit, dass der ivorianische Spieler Drogba ein Penalty verhaut. Im Penalty-Schiessen gewinnt Sambia. Wäre für Präsident Outtara zuviel des Guten gewesen, hätte die Elfenbeinküste den Pokal nach Hause geholt.

In kleinen Dörfern fallen mir überdimensionierte gekachelte Moscheen auf. Eigenartig, weil viele Schulen vom PAM (Programme Alimentaire Mondiale) und von der EU finanziert werden und es dringendere Infrastrukturprobleme zu lösen gäbe. Kurz vor Siguiri lässt mich aber ein Schild zu Ehren des Colonel Gaddafi selig vermuten, dass die Gebetshäuser vermutlich durch ausländische Geldgeber finanziert werden.

Nach dem Fouta Djalon bläst mir der Harmattan, der heisse Wüstenwind aus der Sahara, mit voller Wucht ins Gesicht und ich komme in Siguiri an, als es bereits dunkel ist. Unangenehm, weil in der Dunkelheit die Orientierung schwierig ist. Aus Siguiri stammte im Mittelalter das Gold und auch heute wird noch Gold abgebaut. In manchen Dörfern sieben Jugendliche den ganzen Tag lang mit Hilfe einer Kalebasse Gold und schaffen es auf 1 bis 2 Gramm Gold pro Woche. Gerade genug um zu Überleben.