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Alpenroute

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Bevor ich schweizerischen Boden betrete – ich bin einen Steinwurf von Genf entfernt – lasse ich die letzten Tage in den französischen Alpen Revue passieren. Zurueck nach Korsika. In Bastia nehme ich die Fähre nach Italien. Als ich dort das Cyber Kaffee verlasse, rauscht ein Tourenradler an mir vorbei. Ich hole Olivier bald ein. Auch er nimmt die Fähre nach Savona. Olivier ist aus der Nähe von Lausanne und will nächstes Jahr auf der östlichen Route nach Südafrika radeln. Er kennt sich in den französischen Alpen gut aus und so tauschen wir eifrig Informationen.
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Einmal in Savona angekommen, verabschieden wir uns auch schon. Ich radle der Küstenstrasse entlang, der Via Aurelia, bis nach Ventimiglia und danach Richtung französische Grenze. Die Strände sind vollgepfropft mit Muessiggaengern, die sich Ellbogen an Ellbogen in der Mittagssonne aalen. Ich staune nur darueber, dass sich die Leute dies freiwillig antun, die wohl das Gleiche von mir denken werden. Ich klappere zahlreiche Veloläden ab, denn ich brauche für die nächsten Tage ein paar Beinlinge. Ein Veloweg einige Kilometer vor San Remo sorgt für einige ruhige und erholsame Momente und laesst die stark befahrene Hauptstrasse vergessen. Vorbildlich. Vielleicht liegt es daran, dass die Velolobby in San Remo dank des Eintagesklassikers Milano – San Remo, la Classicissima, staerker als anderswo ist.
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Kurz vor dem Feiertag “Ferragosto” sind die Campingplätze ausgebucht, was mir mehr als recht sein kann, denn ich habe keine Lust, eingepfercht in einem Kaninchenstall und für Lärmimmissionen noch Geld auszugeben. Stattdessen fahre ich ab Ventimiglia Richtung Norden. Es wird eine lange Etappe von über 140 Kilometer. Ein Zeltplatz ist im engen Flusstal unmöglich zu finden. Ich erreiche die letzte Ortschaft auf italienischem Boden, Fanghetto, in der Dunkelheit. Im idyllischen Dorf leben noch zwei Einheimische, ansonsten nur Touristen, Niederländer und Franzosen, die hier ihre Sommerresidenz in einem renovierten Steinhaus haben. Für die Übernachtung suche ich mir eine Steinbank neben dem Brunnen in einer Arkade aus. Fliessendes Wasser und ein Dach ueber dem Kopf, mehr brauche ich nicht. Ich bin zufrieden. Doch schon bald wird mir eine leerstehende Vorratskammer inklusive einer warmen Dusche angeboten. Dazu ein Plauderstuendchen. Eine angenehme Ueberraschung. Ich bin gluecklich.
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Am nächsten ‘Tag bin ich während eines Intermezzo von 40 Kilometer in Frankreich. Ich peile den Colle di Tenda auf 1870 M an, der suedlichste der grossen Alpenpaesse. Er fährt sich trotz Verkehr und vielen Motorradfahrern gut. Die verschwinden dann ohnehin alle im Tunnel und die letzten rund 7 Kilometer und spektakulaere 46 Haarnadelkurven bin ich dann abgesehen von einer Schafherde und vier boesen Hirtenhunden praktisch alleine. Die Beinlinge kann ich nun ganz gut gebrauchen, denn bald fängt es an zu regnen, es kuehlt ab. Die Strasse ist im oberen Teil dann ungeteert, eine richtig tolle Passstrasse.
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Dichte Nebelschwaden ziehen dann am Schluss auf und als ich endlich auf der Passhöhe bin, kann ich im dichten Nebel nur mit Muehe eine der zahlreichen militaerischen Festungen finden. Im Regen und Nebel zu zelten ist nicht sonderlich einladend. Sehr willkommen fuehle ich mich aber in der Festung auch nicht. Ein enger Gang führt in einen kleinen Vorraum. Drei kleine Gänge führen zu Schiessluken, während eine Treppe vier Stockwerke runter in die absolute Dunkelheit einlädt. Von dort fuehrt dann ein abfallender Tunnel direkt in die Hoelle, wie es mir vorkommt. Das Ganze ist mir dann doch etwas unheimlich und gruselig und ich steige rasch wieder die Treppen hoch. Ich habe keine Lust, noch weiter den Untergrund zu erforschen. Die Zeltstangen finden nur mit Kraftaufwand Platz im engen Vorraum. Es zieht fürchterlich und die Wassertropfen hängen schwer in der Luft. Ein paar Podcasts lenken mich zum Glück etwas ab.
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Am nächsten Tag hat sich der Nebel nicht verzogen. Ich warte zunächst ab, entschliesse mich dann aber, keine zweite Nacht in dieser Militärfestung  verbringen zu wollen. In der Talsenke wird das Wetter wohl besser sein. Auf der italienischen Seite zeigt sich dann bald ein Bergrestaurant, wo ich mit dem sympathischen Paar Giorgio und Gaby aus Cuneo ins Gespräch komme. Schweren Herzens lehne ich ihr Angebot ab, bei Ihnen in Cuneo zu übernachten, denn ich will noch zum Fusse des nächsten Passes fahren. Das Wetter klart nun endlich etwas auf.
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In Borgo San Dalmazzo trockne ich zunächst mein Zelt in einem öffentlichen Park und geniesse nochmals einen Espresso in der gegenüberliegenden Bar. Dort stellt mir, wie sich später herausstellen wird, der Bürgermeister Paolo, unuebliche und interessante Fragen über meine Reise. Auch hier wird mir eine Bleibe angeboten – doch ich bleibe nicht, dafuer bei meinem Plan. Ich fahre dem Valle di Stura auf einem ruhigen Veloweg fernab vom Verkehr bis zur Abzweigung zum Colle della Lombarda, wo ich am Flussufer wild zelte.
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Der Col de la Lombarde (2350 M) ist von der italienischen, nördlichen Seite her, gut zu fahren. 24 Kilometer lang, durchschnittlich knapp sechs Prozent Steigung mit einigen wenigen flacheren Abschnitten. Die Campingplätze sind in diesen Sommertagen meist ausgebucht, sodass meine warme Dusche noch einige Tage warten muss. Ich bin nun auf der Route des Grandes Alpes, die vom Mittelmeer bis zum Lac Léman über die französischen Alpen führt. Leider nicht nur bei Velofahrern beliebt.

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Es geht nun rauf zum Col de la Bonette, 2715 M hoch. Nach dem Pass führt noch einen steilen Kilometer lang “la plus haute route de l´Europe”, wie grossmundig auf Schildern prangt, rund um den Cime de la Bonette zu einem Monument. Es gibt noch hoehere Gebirgsstrassen in Europa, was aber von den Franzosen nicht gerne gehoert wird. Kaum dort angekommen und mein Velo abgestellt, um zu Beweiszwecken ein Foto zu schiessen, werde ich von ungeduldigen Motorradfahrern schon höflich gebeten, doch das Velo auf die Seite zu schieben. Oh-Oh. Das kommt bei mir nach drei Stunden Schwitzen und Treten am Berg, und nachdem ich Hunderte von vorbeirasenden Motorradfahrern ertragen musste, ganz einfach schlecht an. Immerhin kommen meine lauten Schimpftiraden bei den anderen Velofahrern gut an.
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Immerhin treffe ich noch “normale” Radler an. Wie den 66-jährigen André aus Toulouse, der von einer dreimonatigen Tour auf dem Balkan und in Albanien zurückkehrt. Erst vor wenigen Jahren habe er mit Velotouren angefangen. Es habe ihm unglaublich gut gefallen in Albanien, er habe sich in das Land verliebt, die Leute seien sehr freundlich gewesen. Doch sobald er wieder hier in Europa eingetroffen sei, habe es ihm abgelöscht. Die Leute seien gestresst, weniger freundlich. Er vermisse die Gastfreundlichkeit. Er bereue, dass er nicht als Jugendlicher Veloreisen unternommen habe. Die Einfachheit dieser Reiseart und die Begegnungen haetten ihm den Horizont geoffnet.

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Die nächsten Tage geht es stets mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 6 bis 8 km/Std rauf und mit fast zehnfacher Geschwindigkeit in langen Abfahrten wieder runter. Nach dem Col de Vars, 2111 M, finde ich dann endlich einen Campingplatz, um wieder einmal eine warme Dusche zu nehmen. Dort finde ich auch den Freak Christopher, 46 Jahre, aus Cumbria/England. Er ist in den Sommermonaten unterwegs, um die höchsten Alpenpässe zu besteigen und zu wandern. Anstelle von Wasserbidons hat er zwei Champagnerflaschen am Velorahmen und Korken zieren die Speichen seiner Raeder. Er ist in seinem Leben schon weit herumgekommen und geniesst umso mehr die Alpen.

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Der Col de l`Izoard (2360 M) ist landschaftlich auf den letzten Kilometern der “Casse Déserte”, einer Verwitterungslandschaft, besonders reizvoll. 32 Mal fuehrte die Tour de France ueber diesen Pass. Unterwegs erinnern zwei Schilder an einem Felsen an die Radlegenden Fausto Coppi und Louison Bobet.

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Der Col du Lautaret, 2058 M, ist nur die Vorstufe bzw. auf der Abzweigung zum Col du Galibier, 2677 M , einem Klassiker der Tour de France, ein Pass Hors Categorie, der schon sehr oft gefahren wurde.

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Nun gibt es einen etwas flacheren Abschnitt zwischen St. Michel de Maurienne und Lanslebourg. Von einem der “schönsten Dörfer Frankreichs”, wie es am Dorfeingang von Bonneval-sur-Arc heisst, führt die Strasse zum Col de l´Iséran, mit 2764 M der höchste ueberfahrbahre Gebirgspass Europas. Der riesige Parkplatz vor dem Dorfeingang und die Hundertschaften von Touristen, die das Dorf belagern, sind dann weniger schoen. Auf der anderen Seite des Passes liegt der Skiort Val d´Isère und eine lange Abfahrt bis nach Bourg St. Maurice. Erst sieben Male fuehrte die Tour de France ueber diesen Pass.

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Bevor das grosse Gaehnen bei der Aufzaehlung all dieser Paesse aufkommt: frueher als erwartet ist es geschafft. Der Cormet de Roselend (1967 M) führt durch eine wasserreiche Schlucht und einem Staudamm.

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Die Paesse flachen nun ab. Der Col de la Saisie (1633 M) liegt im Skiort Saisie, wo ich einen Nachmittag lang im Tourismusbüro verbringe und den Entwurf zum vorliegenden Artikel schreibe, während es draussen bestaendig regnet. Um sechs Uhr Abends endlich hoert es etwas auf, sodass ich mich auf dem Weg zum Camping mache. Da ich aber keine Dusche benoetige, reut es mich, die 11 Euro in diesem Drei-Sterne-Camping auszugeben, wo man fuer eine warme Dusche nochmals einen 1-Euro-Jeton einwerfen muss. Auf dem Campingplatz wird das erwartete Nachtgewitter nicht trockener sein als anderswo und das waldige Gebiet eignet sich ohnehin gut, um wild zu zelten. Ich fahre weiter und bei der erstbesten Gelegenheit frage ich einen Herrn, der gerade Mountainbikes in einer Garage verstaut, um Wasser. Wir kommen ins Gespraech und Herve bietet mir spontan und umsonst sein Winterchalet zur Uebernachtung an ! Toll !

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Am naechsten Tag aendere ich dann meinen Plan, lasse zwei kleinere Paesse rechts liegen und fahre schnurstracks Richtung Annecy und an die schweizerische Grenze unweit von Genf. Mein Freund Jan verreist in zwei Tagen und ich moechte ihn noch sehen. Unterwegs faehrt er mir entgegen und begleitet mich zu seinem neuen Wohnort in Frankreich. Mit seiner gleichnamigen Frau hat er mich bei der Abreise vor zwei Jahren waehrend einiger Tage begleitet. Die Schweiz ist nun in Sichtweite !

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Himmlisches Lesotho

 

Lesotho, ausgesprochen Lee-suu-thuu: ein Land, auf das ich mich während meiner ganzen Reise besonders gefreut habe. The Kingdom of the Sky, die Schweiz Afrikas, ist ein Kleinod im südlichen Afrika. Eine Enklave, völlig umgeben von Südafrika. Dreiviertel so gross wie die Schweiz. Weltweit das einzige Land, das komplett auf über 1‘000 Meter über Meer liegt. 80 % der Fläche sogar auf über 1‘800 M.ü.M. Ein Land, das mich von Beginn weg in seinen Bann zieht. In das ich mich verliebe. Trotz der gnadenlosen, brutalen Steigungen und Gegensteigungen, Rampen, Hügel, Kletter- und Schiebepartien. In keinem anderen Land schiebe ich das Rad soviel wie hier in Lesotho. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten bewegen sich zwischen 7 und 11 km/h. Oftmals ist nach 50 Kilometer bereits Feierabend. Radfahrerisch sind die Verhältnisse hart bis extrem. Aber was für Landschaften und freundliche Leute ! Das Gruessen scheinen die Basotho erfunden zu haben. Es ist noch nicht aller Tage Abend, doch soviel weiss ich jetzt schon: Lesotho ist ein heisser Favorit für mein Lieblingsland in Afrika.

Doch erstmals zurück nach Port Elizabeth, wo ich mich vom sympathischen Schweizer-Paar John und Anne verabschiede und in drei Tagen der Küste entlang nach East London fahre. Eine gemütliche flache Etappe, müsste man meinen. Trugschluss. Hügel nach Hügel. Etwas, das ich in Südafrika vermisse, sind flache Etappen zwischendurch. Immerhin kann ich auf Anraten eines Einheimischen in einem Gemeinde-Naturreservat wild zelten. Das letzte Flusspferd sei vor 8 Monaten gesichtet worden, von daher könne ich beruhigt am Fluss beim Picknick-Platz mein Zelt aufschlagen. Bei der Hinfahrt sehe ich drei Giraffen, Warzenschweine, eine Herde Zebras, Antilopen. Und spüre danach eine ganze Armada von Mücken. In East London besuche ich den Bruder einer in der Schweiz lebenden, indischstämmigen Südafrikanerin, Lynette, deren Hochzeit ich vor meiner Abreise fotografieren durfte. Ich mache mit Brad an einer Tankstelle ab. Das Velo packen wir in den VW Golf, holen seine Freundin Sid ab und fahren nach Hause. Brad und Sid sind hilfsbereit und verwöhnen mich drei Abende lang mit ihren Kochkünsten. Brad hat ein paar Monate lang in Basel gelebt und mag sich noch sehr genau an Ortschaften und Lokalitäten erinnern. Thanks a lot Brad and Sid, you are wonderful !

Mit dem Bus fahre ich bis nach Kokstad durch das ehemalige Homeland der Transkei. Die wirtschaftlich am schwächsten entwickelte Region in Südafrika. Keine Bäume, erodiertes Land, einfache Hütten. Trotz sonnigem Wetter strahlt die Gegend Trostlosigkeit aus. Die Apartheid ist abgeschafft, trotzdem werden solche Gegenden es schwer haben, sich wirtschaftlich zu entwickeln. In Matatielé, entdecke ich die Touristeninformation ganz zufällig. Es fehlt ihr offensichtlich an finanziellen Mitteln aber auch an Reisenden und Informationssuchenden. Die Auskunft ist dafür nach meinem Geschmack. Der Angestellte setzt mich mit Dorfchef von Mafubé in Verbindung. Er befindet sich zufälligerweise in der Stadt. Ich darf auf seinem von fünf Hunden gut überwachtem Grundstück zelten. Einer dieser Köter scheint an Gedächtnisschwund zu leiden, bellt bis tief in die Nacht mein Zelt an und markiert sein Revier ordentlich. Zu meiner Freude zieht der Dorfchef für das Abschiedsfoto seine traditionelle Kleidung mit Leopardenfell an.

Nach einem Pass betrete ich in Qachas Nek auf knapp 2‘000 M.ü.M. Lesotho. Und es geht gleich los: rassige Abfahrten und steile Rampen wechseln sich ab. Flache Abschnitte gibt es nicht. Dafür einen kräftigen Gegenwind. Die Beine haben Mühe, hier irgendeinem Rhythmus, einer Regelmässigkeit zu folgen. Die Landschaft ist in gelben und ockerfarbenen Tönen gehalten, erinnert mich an Tadjikistan. Früher als erwartet streiche ich die Segel, suche im Dorf White Hill den Dorfchef auf. Wir diskutieren lange. Ofihlile Sekake weist mich darauf hin, dass Strom erst vor zwei Jahren eingeführt wurde, die Strassen vor zehn Jahren noch ungeteert waren. Kleine, wichtige Fortschritte.

Die Basotho, die Einwohner Lesothos, sind ein einheitliches, stolzes Berg- und Reitervolk. Sie sprechen Sesotho. Der grosse König Moshoeshoe hat es im 19. Jahrhundert verstanden, Stämme und Sippen im Kampf gegen eindringende Zulus und Buren zu vereinen. Im ehemals englischen Protektorat sind, anders als in Südafrika, keine Nachwehen der Apartheid-Politik zu spüren. Eine afrikanische Eigenheit ist den Basotho ebenfalls eigen: die Lautsprecher sind stets auf Maximalstufe eingestellt. Man hoere und staune, aus Bars, Minibussen und Geschaeftslokalen ist oft House-Music zu hören, sodass manchmal schon fast ein bisschen Street Parade-Stimmung herrscht.

In Mohales Hoek komme ich im FTC – Farmer Training Centre, unter. Es gibt hier billige Unterkünfte, zweckmässige Zimmer, Eimerdusche. Nebenan lebt in einem Rondavel, einer Rundhütte, umgeben von Bergen, ein paar Schafen und einem Froschteich, die Peace Corps Volunteer Shawna. Nach Guineé-Conakry gerate ich hier in Lesotho wieder in die Peace Corps-Mühle, werde von einem Peace Corps zum anderen weitergereicht. Am folgenden Tag ist Independence Day in Lesotho. Ich verbringe den Tag mit Shawna und Jacqueline in einem Waisenhaus der amerikanischen „Trust for Africa“ Foundation, erhalte einen Crash-Kurs in Sesotho.

Ein Abstecher führt mich über den Gates of Paradise Pass auf 2‘001 Metern nach Malealea. Das Dorf bildet eine Einheit mit der einzigen Lodge, die auf Nachhaltigkeit, sanftem Tourismus und Pony-Trekkings setzt. Von Lonely Planet sogar zu den Top 10 World Wide Value Destinations auserkoren. Im Zeltplatz treffe ich auf eine Schar von angehenden südafrikanischen Fotografen, mit denen ich – dem Maluti Mountain Beer sei dank – einen nachhaltigen und feuchtfröhlichen Abend verbringe.

Lesotho ist nicht mit Rohstoffen gesegnet, eines der ärmeren Länder auf dieser Welt. Allerdings ist die Alphabetenrate mit rund 85 % sehr hoch. Diamanten, Schafswolle (Mohair), Arbeitskraft und Wasser sind die grössten Exportprodukte. Da viele Minen in Südafrika geschlossen haben, ist die Arbeitslosigkeit in der Vergangenheit gestiegen. Erfreulicherweise hat aber Lesotho in den letzten Jahren ein grossangelegtes Dammprojekt – das Lesotho Highlands Water Project – in Angriff genommen, um den Wasserbedarf Südafrikas zu stillen. Der Katse und Mohale Dam sind bereits gebaut, haben für einen Aufschwung gesorgt. Die Infrastruktur, namentlich die Strasse, die von der Hauptstadt Maseru Richtung Osten führt, ist im Zuge dieses Projektes grösstenteils asphaltiert worden. Die Transportzeiten haben sich drastisch verkürzt.

Kurz vor Maseru biege ich nach Westen ab. In der Nähe von Nazareth komme ich beim Peace Corps Volunteer Heather unter. Zum Glück rechtzeitig, denn sobald ich in der Rundhütte im Trockenen bin, fegt ein Hagelsturm über die Landschaft. Die Sommerstürme, begleitet von Blitzen und Donnern, sind berüchtigt, töten viele Schafhirten. Selbst in kleinen, abgelegenen Dörfern finden sich Shops, die von Chinesen betrieben werden. Aber auch Pakistani sind geschäftstüchtig und laufen den Einheimischen den Rang ab. In Nazareth grüsse ich einen auf Arabisch. Er rede nur „small, small English“. Als ich die zwei Packungen Biskuits und zwei Orangen bezahlen möchte, wehrt er ab, meint das sei ein „gift“, will partout kein Geld von mir annehmen.

Nach Nazareth fängt der Alpenchallenge so richtig an: auf den nächsten 140 Kilometern gilt es zahlreiche Pässe zu erklimmen: den Bushmens Pass (2‘268 M), danach den God-Help-Me-Pass (2‘318 M), gefolgt vom Blue Mountain Pass (2‘634 M) und dem Likalaneng-Pass (2‘620 M). Jeweils um die 500 bis 800 Höhenmeter.

In Marakabei stelle ich dann nach 73 Kilometern und wohl über 2‘000 Höhenmetern mein Zelt vor der Polizeistation auf. Dort bin ich vor Dieben sicher, wiege mich in Sicherheit. Weit gefehlt ! Als ich am Morgen Kaffee kochen möchte, merke ich, dass mein Viktualien-Sack (bestehend unter anderem aus einem guten Stück Biltong) fehlt. Ein Hund muss es sich aus der Apsis geschnappt haben. Nach dieser Lektion nehme ich den Cheche’s Pass auf 2‘545 M in Angriff. In Mantsonyane kehre ich bei einem Camper ein. Das Essen (Beefragout, Cabbage und Papa) schmeckt hervorragend.

Das Hauptgericht in Lesotho ist Papa – Maisporridge. Mais wird überall in kleinen Mühlen gemahlen. Der Maiskolben ist derart bedeutend, dass er auf vielen der Decken prangt, welche die Basotho gerne tragen. Diese blankets sind allgegenwärtig. 1860 wurde der König Moshoeshoe I mit einer solchen Decke durch englische Händler beschenkt. Seitdem haben sie die Decken wie ein Lauffeuer ausgebreitet, denn sie sind praktisch, schützen vor Regen, Wind und Kälte. Traditionell ist auch der konisch geformte Basotho-Hut, der mokorotlo, der aber leider nicht mehr so häufig angetroffen wird. Seine Form hat er angeblich einem Hügel namens Qiloane Hill entliehen.

Noch ein Pass, der Mokhoabong Pass auf 2‘880 M, dann ist Thaba Tseka erreicht. Von dort schaffe ich es nicht in einem Tag bis nach Linakaneng, etwa 65 Kilometer weit entfernt. Zu viele Hügel und Steigungen. Aber schlimmer: als die mühsam erklommenen Höhenmeter zum etlichen Male wieder auf einer Abfahrt dahinschmelzen, verdunkelt sich der Himmel schlagartig. Ohrenbetäubende Donner kündigen Unheil an. Blitze schlagen in unmittelbarer Nähe nieder. Auf einer Anhöhe trotzt ein Trupp von mutigen Burschen, eingekleidet in Fellen, dem herannahenden Sturm. Ich vermute, dass diese Jungs ihren Initiationskurs zum Mann-Werden absolvieren. Die Szenerie wirkt unheimlich, wie aus einem Film. Der Hagelsturm holt mich ein. Ich habe nicht einmal Zeit, die Regenjacke aus meiner Packtasche hervorzukramen. Der Wind fegt mich auf die Seite. Kein Baum, keine Böschung. Ich kann nur noch neben dem Velo niederkauern, die Hände über dem Kopf verschränkt und lasse Hagel und Regen über mich ergehen. Nach einigen Minuten legt sich der Wind etwas. Durchgenässt, mit mulmigem Gefühl fahre ich runter zum Fluss. Unzählige Schafhirten werden in Lesotho jährlich vom Blitz getroffen, mag ich mich erinnern, irgendwo gelesen zu haben. Nicht sehr beruhigend. Bei der Brücke ruft mich ein Hirte, der unter einem Felsvorsprung Zuflucht gesucht hat, herbei. Ich klettere die erdige Böschung rauf und kann endlich ausatmen.

In Linakeng kann ich zum Glück, völlig durchnässt, beim Personalhaus einer kleinen Klinik übernachten und meine Kleider einigermassen trocknen. Auf den Menoaneng Pass auf 3‘045 M. schiebe ich praktisch durchgehend das Velo, werde aber auf der Höhe mit eindrücklichen Lichtspielen auf den Bergketten belohnt. Nach einer kurzen Abfahrt komme ich auf ein Strassenarbeiter-Camp mit einfachen Wellblechhütten. Jakob, der Aufseher, reinigt eine, die er als Hühnerstall verwendet. Für mich ein Geschenk, in dieser kalten und windigen Nacht nicht im Zelt schlafen zu müssen.  Die nächste Nacht verbringe ich am Fusse des Kotisephola Passes (3‘240 M). Im Windschutz einer grossen Wellblechhütte, in der Schafe geschert werden. Auf wunderbar weichem Schafsdung. Erst beim Zubettgehen fällt mir der beissende Geruch des Naturprodukts auf.

Es geht nun runter zum berühmten Sani-Pass auf 2‘873 M. Die Prominenz verdankt der Pass nicht seiner Höhe, sondern den sehr steilen Serpentinen und dem äusserst schlechten Strassenzustand wegen. Ich verbringe einer Nacht bei Regen, Wind und Kälte im Zelt. Am nächsten Tag laufe ich dann mit einer Gruppe von Wanderern im Regen den Pass runter. Am Grenzübergang dann scheint die Sonne wieder.

Die Fahrt bis nach Durban bzw. Pinetown ist dann wieder alles andere als flach. Ich fahre entlang von Wäldern, zumeist Eukalyptus Plantagen. Der Höhepunkt dieser Fahrt ist folgende Szene: ich sehe, wie eine Frau aus einem Tannenwald mit einer Kiste auf dem Kopf rausläuft. Eine Kiste voller riesiger Steinpilze. Ich bin aus dem Häuschen. Eine zweite, dritte und vierte Frau gesellt sich hinzu. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. „Let’s do business!“, meine ich. 15 Rand wolle sie für eine Kiste. Ein lächerlicher Betrag von umgerechnet knapp 2 Schweizerfränkli. Ok, ich nehme mir zehn Stück für 10 Rand. Nach der Transaktion meint die Dame, ich solle nun verschwinden. Erst als ein Lieferwagen mit der Aufschrift „Bolé“ (bolet heisst auf französisch Steinpilz) anhält und die Frauen die Ware abliefern, begreife ich. In Dannybrook kann ich dann umsonst in einer leerstehenden Rundhütte schlafen. In Pinetown dann werde ich von Les Bowden, Inhaber eines Schreinerei, die massgefertigte Küchen herstellt, herzlich empfangen. Ich habe ihn in Namibia kennengelernt, als er mit Kollegen mit dem Töff unterwegs war. Thanks for your great hospitality, Les !

 

In einigen Tagen werde ich bereits in Mosambik sein. Es kann noch fuer das Alphabetisierungszentrum gespendet werden. Jede Spende zaehlt und es wird mich freuen, das gesammelte Geld persoenlich im Norden von Mosambik ueberreichen zu koennen. Vielen Dank fuer die Unterstutzung !

 


Rooibos, Richtersveld und Regenbogen

Mittlerweile bin ich an der Südküste in der Ortschaft Hermanus angelangt. Mein Freund Ig hat mich von Franschhoek aus bis hier begleitet. Wir sind skeptisch, das Wetter sieht nicht verlockend aus. Auf dem Franschhoekpass holen uns Wolken und Nieselregen ein, verpassen uns eine Dusche. Leider keine Aussicht auf das Weingebiet. Sturmböen fegen uns auf der Abfahrt fast vom Sattel. Glücklicherweise reisst kurz später der Himmel etwas auf, ein majestätischer Regenbogen baut sich vor uns auf. ­Starker ­­­­­­­­­­Rückenwind und einige Sonnenstrahlen sorgen dafür, dass wir im Nu wieder trocken ­sind. Auf der Brücke über einen Stausee schieben wir das Velo, der Seitenwind ist zu heftig. Danach folgt eine Fahrt durch abgeschiedene Täler und Weinhügel, bis wir nach 90 Kilometern die Küste und Hermanus erblicken. Hermanus ist, wie oft angepriesen wird, die weltweit beste „land-based whale watching destination“. In diesen Monaten sind vom Land aus viele Wale zu sehen. Kurz vor 14 Uhr fängt es, wie vorhergesagt, an zu regnen. Perfektes Timing. Ig lädt mich im Restaurant Burgundy zu feinem Fisch ein. Er gibt mir die Schlüssel zu seinem gepflegten Strandhaus. „Bleib solange, wie Du willst“, bemerkt er, bevor er mit seinem „bakkie“, seinem Landcruiser, wieder zurück fährt.
Namibia liegt nun schon eine Ewigkeit hinter mir, und doch scheint es mir, als sei ich erst gestern in der Schweiz gestartet. Tatsächlich bin ich nun schon über ein Jahr lang unterwegs. Und habe immer noch keinen Elefanten gesichtet ! Nicht weiter schlimm, denn die zahlreichen Begegnungen mit den Menschen hier in Afrika sind mit das Schönste, was ich erlebt habe. Die Heimreise – per pedales – werde ich in ein paar Tagen antreten, wenn ich den südlichsten Punkt des afrikanischen Kontinents erreicht haben werde.


Doch zurück nach Namibia und Swakopmund. Dort kommen Wolfgang und ich in einem Backpacker unter, wo wir unsere Zelte im Garten aufstellen. Mitten in der Nacht will sich ein Besoffener Zugang zu Wolfgangs Zelt verschaffen, in der Absicht, seiner Liebsten ein Toastsandwich zu kredenzen. Wolfgang verjagt den Besoffski. Dieser ramponiert die Zeltstangen, nützt das Waschbecken in der Küche, um sich zu übergeben. Nächstentags stellt Wolfgang den Übeltäter – eine Gummilatsche hat er als corpus delicti behalten – und macht erfolgreich an Ort und Stelle seine Schadenersatzforderung geltend. Etwas unter Zeitdruck, nimmt sich Wolfgang ein Mietauto. Ich fahre bis Sesriem mit. Dort wird die nächste Episode seiner Zeltgeschichten geschrieben. Wir sind gerade am Kochen, als mit einem kräftigen Windstoss sein Zelt samt Heringen davonfliegt. Zum Glück nicht allzu weit weg, doch das Aussenzelt hat einen Riss abbekommen. Mein Zelt hält dem stürmischen Wind zwar wunderbar stand, dafür türmen sich drinnen die Sanddünen auf.


Die Sanddünen des Sossusvlei liegen innerhalb des eintrittspflichtigen Namib Naukluft Parks. Ausserhalb des Parks zu übernachten hat den Vorteil, dass auf dem Camping doppelt soviel bezahlt wird wie innerhalb und der Eintritt in den Park überdies erst eine Stunde später gewährt wird (erst um 6:45) und Touristen mit einem Minimum an  fotografischem Ehrgeiz garantiert das frühe Morgenlicht im 63 Kilometer entfernten Sossusvlei verpassen. Besten Dank an die Touristeninformation in Swakopmund ! Wolfgang verabschiedet sich, fährt zurück nach Swakopmund, ich wechsle Zeltplatz. Am nächsten Tag fahre ich mit Claudia und Marco, einem jungen Paar aus dem Tirol rein. In der Dunkelheit starten wir, vor uns steht bereits ein Konvoi von 4×4 und Touristenbussen ungeduldig Schlange. Marco stammt aus der gleichen Ortschaft wie Gerhard Berger, dem Ex-Formel Eins Fahrer. Er will ihm wohl alle Ehre erweisen, fährt trotz Geschwindigkeitsbegrenzung ­­­­­sehr beherzt und redbullmässig. Sein Ford Fiesta führt nach wenigen Kilometern bereits den Konvoi an. „To finish first, first you have to finish“, heisst es in Motorsport-Kreisen. Bei einer Flussdurchfahrt (ein Fluss meint in Namibia meist ein ausgetrocknetes Flussbett) halten sich ein paar Springböcke am Wegesrand auf. Hic et nunc ! Einer meint, uns seine Sprungkünste auf der Strasse vorführen zu müssen, nimmt in der letzten Sekunde einen Sprung und verfehlt um Zentimeter den stark abbremsenden Fiesta. Genau so wie der uns verfolgende Konvoi den Fiesta. Diesmal sind wir tatsächlich die ersten auf dem Dead-Vlei, einer ausgetrockneten Lehmsenke mit jahrhundertealten, abgestorbenen Kameldornbäumen, beliebtes Fotomotiv für Postkarten.

Ich fahre Richtung Süden, nehme einen Umweg über die „Traumstrasse“ D707. Die Landschaft ist weitläufig, auf meiner Linken die Tirasberge, auf meiner Rechten grasbedeckte rote Dünen des Namib. Abgesehen von Zebraherden, Springböcken und Oryxantilopen völlige Abgeschiedenheit. Die wenigen Reisenden, denen ich begegne, halten häufig zu einem kurzen Schwatz an, schenken mir Brot, Früchte und Schokolade. Ausser Farmern lebt hier niemand, die Buschmänner wurden schon vor sehr langer Zeit vertrieben. Bei einem Farmer halte ich an, frage die Dame spasseshalber: „Do you have apple pie?“ No. „Do you have Coke?“ No. „Do you have water?“ Yes. Nur das wollte ich eigentlich hören. „And what the hell does an Alfa Romeo GT Junior 1300 here?“, frage ich sie weiter. Der gehöre ihrem Mann, vor 30 Jahren gekauft, wenn er vielleicht einmal mit „farmen“ aufhöre, werde er ihn instand setzen. Hätte ich nicht vor 10 Jahren einen Drahtesel gekauft, würde ich heute wohl ein solches Stück Blech, in das man viel Geld reinsteckt, bei Liebhabern „Kantenhauber“ genannt, mein Eigentum nennen. Der Drang nach Apfelkuchen ist übrigens eine Nachwirkung der einsam gelegenen Tankstelle Solitaire. Seit 20 Jahren bäckt der übergewichtige Noose mit Spitzbärtchen vorzüglichen Apfelkuchen. 150 bis 200 Kilogramm an Spitzentagen. Endlich dann wieder Teerstrasse. Ich fahre Richtung Osten. Darf bei der luxuriösen Lodge „Alte Kalköfen“ zelten, an der ehemaligen Haltestelle Simplon, benannt nach dem Herkunftsort der Ehefrau des Gründers dieser Kalköfen.

Unweit von Ketmannshoop möchte ich mir den Köcherbaumwald ansehen. Die Köcherbäume sind genau genommen Sukkulenten und Aloepflanzen. Der Name rührt von den San – den Buschmännern – her: die ausgehöhlte Rinde der Äste diente als Köcher für die Pfeile. Sie werden bis neun Meter hoch. Die grössten Exemplare im Quiver Tree Forest bei Ketmannshoop sind 200 bis 300 Jahre alt. Ich bleibe zwei Tage, um die Pflanzen jeweils ausgiebig bei Sonnenuntergang und -aufgang fotografieren zu können. Mein Kocher wird zur Untätigkeit verdammt. Auf dem Camping werde ich morgens von einem Paar aus Pretoria zum Frühstück eingeladen, abends dann von einem holländischen Paar zu „boykie“, einem traditionellen Essen der Buren. Viel Gemüse und Fleisch in einem Topf aus Gusseisen mit Füssen, das direkt aufs Feuer gestellt wird. Und drei Hülsen Windhoek Lager zum Runterspülen. Praktisch jedes Mal, wenn ich einen Campingplatz aufsuche, geht es so weiter. Stets sehr freundliche Südafrikaner, die mich zum Essen einladen, mir einen Sack voller Energieriegel schenken, ein Sandwich mit auf den Weg geben, Kaffee kochen. Es wären zu viele, um alle aufzuzählen. Deshalb an dieser Stelle ein Dankeschön an die ganze Verpflegungscrew ! Und wenn wir schon die Gastronomie streifen: Biltong und Drywoers sollen nicht unerwähnt bleiben. Trockenfleisch und Trockenwürste, leicht, extrem proteinhaltig, ideal für Radler.

Einen Steinwurf vom Köcherbaumwald befindet sich eine Landschaft aus riesigen Blocksteinen, Giant’s Playground genannt. Man könnte meinen, Asterix, Polyphem und Herkules hätten sich hier, noch in Kinderschuhen steckend, ein Stelldichein gegeben. Entweder hat mich sich in einer Viertelstunde sattgesehen, oder man knallt sich Sigur Ros‘ auf den Ipod, verirrt sich durch die bizarren Steinformationen und lässt der Phantasie zwei Stunden lang freien Lauf.

Zehn Kilometer vor dem Eingang zum Fish River Canyon überholt mich der Magirus Deutz von Karl-Heinz „Benemsi“. Benemsi, Sohn des Deutschen, ist eine Anspielung an die Romane von Karl May. Ich habe ihn in Swakopmund kennengelernt, jetzt kommt er wie gerufen. Denn die verschiedenen Aussichtspunkte runter zum zweitgrössten Canyon der Erde sind an einem einzigen Tag mit dem Velo nicht zu bewältigen. Ich zelte in der Nähe des Trucks. Das Quecksilber erreicht in der Nacht nun regelmässig den Gefrierpunkt. Am nächsten Tag machen wir am Parkeingang ab und fahren zusammen rein. Da er ebenfalls in den Richtersveld Park möchte, fahre ich noch ein paar Tage mit ihm mit.

Karl-Heinz, 64 Jahre alt, ist eine Legende. Er hat 45 Jahre Sahara-Erfahrung. Kennt die Sanddünen in Algerien, Libyen und Tunesien wie seine Westentasche, hat dort zahlreiche Touren geleitet. Auf diesem Trip ist er seit zwei Jahren unterwegs. 150‘000 Kilometer und 45‘000 Liter Diesel-Treibstoff. Von Libyen wollte er mit seinem 12 Tonnen leichten Truck eigentlich nach Island tuckern. Bis er merkte, dass Hunde dort erst nach einer halbjährigen Quarantäne Einlass gewährt wird. Keine Frage, sein treuester Begleiter, Kali, ein Sivas Kangal – ein türkischer Hirtenhund – kommt überall mit. Also bogen sie nach Osten ab, fuhren über Russland zum Baikalsee und zur Mongolei. Danach über Zentralasien, Iran, Türkei, Syrien runter nach Libanon. Wegen der Unruhen in Ägypten mussten sie nach Saudi-Arabien ausweichen. Im Oman wurden ihm wieder die Wege abgeschnitten: in Jemen fingen die Tumulte an. Also musste der „alemani musulmani“ ein drittes Mal nach Saudi-Arabien einreisen, um dann endlich mit der Fähre nach Ostafrika überzusetzen.

Während wir gemächlich durch die Wellblechpisten tuckern, wird Karl-Heinz gesprächig, erzählt Anekdote um Anekdote. Wie er vor 30 Jahren den letzten Tropfen Alkohol getrunken hat. Wie er als junger Bursche für drei Jahre nach Namibia und Südafrika ausgewandert ist. Er erzählt von seiner Stammkneipe in Windhoek. Wie die ganze Bande, mit der er sich dort verstammelte, in Untersuchungshaft kam, weil sie mit farbigen Frauen verkehrte. Intimverkehr mit einer Farbigen konnte aber nur einem einzigen nachgewiesen werden. Der kam für einen Monat in den Knast. Verkehrte Welt, während der Apartheidzeit war dies noch verboten. Oder wie er mit Kollegen Elefanten-Stosszähne fand, die sie untereinander aufteilten, er das beste Los zog, einen ganzen Zahn behalten durfte, dieser aber dann doch zu gross war, um ihn unerkannt ausser Landes zu schaffen. Und so liegt er immer noch irgendwo in Namibia begraben. Immer wieder kommt Benemsi ins Schwärmen, wenn er von seiner Fahrt über den „hohen Pamir“ in Tadjikistan erzählt.

Wir zelten an einem idyllischen Ort neben dem Oranjefluss, nehmen dann den kleinen Genzübergang bei Senderlingsdrift. Die namibischen Grenzbeamten nehmen Karl-Heinz zwei lybische Faustkeile ab. Diskutieren nuetzt nichts. Auf Steine sind die Beamten hier besonders scharf. Vor allem Edelsteine und Diamanten. Das ganze Gebiet, auch auf der südafrikanischen Seite, ist Diamantengebiet. Sperrgebiet. Die Landschaft ist umgestaltet, überall türmen sich Sand- und Erdhügel auf, die wohl nicht von Erdmännchen stammen. Bei Senderlingsdrift nehmen wir den Ponton über den Fluss. Gewichtsbegrenzung: Fünf Tonnen. Wie schwer denn der Truck sei, erkundigt sich der Fährmann pflichtbewusst. Mit Gepäck etwas mehr als vier Tonnen, antwortet Karl-Heinz.

Wir setzen über. Willkommen in Südafrika ! In der Regenbogen-Nation mit 11 offiziellen Sprachen. Dem am weitesten entwickelten Staat auf dem afrikanischen Kontinent. Spätestens seit der Fussball-WM 2010 sind die röhrenden Vuvuzuelas in aller Munde: Südafrika ist das Sprachrohr Afrikas, Mitglied der G-20, Heimat von Nelson Mandela, Symbolfigur Afrikas. Ein ganz anderes Afrika als West- oder Zentralafrika. 1487 umschiffte der Portugiese Bartolomez Dias das Kap der guten Hoffnung. 1652 liessen sich unter der Führung von Jan van Rieebeck die ersten niederländischen Siedler in der Absicht nieder, hier eine Versorgungsstation für die Schiffe der Niederländischen Ostindien-Kompagnie auf dem Weg nach Asien zu begründen. Von dort wurden Indonesier als Sklaven hergebracht, deren Blut noch heute in vielen Farbigen fliesst. Seit 1994 ist die Apartheid abgeschafft, doch noch immer besteht ein Wohlstandsgefälle.


Ich fahre noch ein Stück mit Karl-Heinz. Er will in den Richtersveld National Park, eine wilde, trockene Gebirgswüste, in der sich viele Sukkulenten finden. Ein anderer Radfahrer, Adrian aus der Schweiz, der viele abgelegene Routen in Afrika getestet hat, beschreibt die Situation knackig: „Die Pisten sind so schlecht (Sand, Steine, Wellblech, steil), dass man immer auf die Strasse starren muss. Eher ein dauernder Kampf als Geniessen der schönen Landschaft.“ Ich glaube ihm gerne, der Gegenbeweis wird mir eh nicht gelingen. Ob das Verkehrsmittel nun 12 Kilogramm oder 12 Tonnen wiegt: miserable Piste bleibt miserable Piste. Die per GPS geplante Rundfahrt von 120 Kilometer schaffen wir immerhin ansatzweise. Nach dem ersten Pass und 28 Kilometer müssen wir wieder umkehren. Die Fahrt ist dessen ungeachtet eindrücklich, wir werden mit einer tollen Gebirgslandschaft belohnt. Karl-Heinz lenkt sein 1000-Sterne-Hotel Zentimeter um Zentimeter über sehr steile und steinige Abschnitte. Mit der Ausrede, dass ich draussen fotografieren wolle, verdufte ich aus der Fahrerkabine und schaue mir den Balanceakt aus sicherer Entfernung an.

In Springbok teilen sich dann wieder unsere Wege. Als ich losfahren möchte, zieht ein Gewitter auf. Denn ganzen Tag stürmt, regnet und hagelt es. Es ist, wie alle hier immer versichern, einer der kältesten Winter seit Jahrzehnten. Die „greatest flower show on earth“ hier im Namakwa-Land hält deshalb nur zögerlich Einzug. Die legendären Wildblumen, die hier im jeweils im südafrikanischen Frühling in riesigen Feldern blühen, sorgen für die touristische Hochsaison in dieser Gegend. Immerhin kann ich hier und da die ersten farbigen Blumenteppiche bewundern.

Auf der Hauptachse N7 fahre ich bis Vanrhynsdorp, schaffe dank des Nordwindes und trotz einigen Hügeln 150 Kilometer an einem Tag. Danach verlasse ich die N7. Auf der Suche nach attraktiveren Nebenstrassen und Pässen werde ich bald fündig. Der Vanrhynspass ist mit sieben Kilometern nicht lang, hat aber zeitweise gnadenlose Steigungen von 16 %, die mich zum Schieben zwingen. In Niewoudtville angekommen, fängt es wieder an zu regnen bzw. ich fahre dort in den Regen rein. Zelten wäre heute ein Akt der Selbstpeinigung, ich gönne mir daher den Luxus eines Zimmers, inklusive Kochecke und Heizdecke. Nach 58 Nächten im Zelt bin ich echt froh, wieder einmal in einem Bett schlafen zu können. Am nächsten Tag ist es noch frisch, aber die Sonne scheint erfreulicherweise wieder hervor.

Ich freue mich auf eine einsame Piste, die „Moedverloor“ , was auf Afrikaans- der Sprache der von den Holländern stammenden Buren – soviel heisst wie „Hoffnung verloren“. Trotz teils noch etwas aufgeweichter Piste verliere ich den Mut nicht und bin hoffnungsvoll. Und erst später werde ich darüber aufgeklärt, dass viele der Büsche in dieser Heidelandschaft Rooibos sind. In der Farm Bloemfontain frage ich, ob ich mein Zelt aufstellen könne, da mir die umliegende Landschaft eine Spur zu sumpfig und nass ist. Ich bekomme bestätigt, dass die Farmer in Südafrika als sehr gastfreundlich gelten. Ich solle doch reinkommen, draussen sei es zu kalt, meinen Susanne und Koos. Während mich Susanne verköstigt und reichlich Rooibos-Tee einschenkt, nimmt sich Koos am nächsten Tag Zeit, um mir seine Farm zu zeigen und mir viel über Rooibos, seine Farm und seine Töfftouren mit seinem Sohn zu erzählen. Das Gebiet zwischen Nieuwodtville und Citrusdal ist weltweit das einzige Anbaugebiet für Rooibos. Danke Susanne und Koos !

Es folgen weitere Pässe: der Pakhuis-Pass am Fusse der Cederberge. Kurz davor sind Felszeichnungen von Buschmännern zu bewundern. Das Gebiet ist ein Eldorado für Kletterer. Nach Clanwilliam folgt der Middelsbergpass, der in ein fruchtbares Tal führt. Der Gydopass führt runter nach Ceres, von dort geht es auf den Bainskloofpass, ernannt nach dem Ingenieur Thomas Bain, der eine Vielzahl von Strassen und Pässen in Südafrika gebaut hat. Die riesigen Früchte- und Gemüseplantagen nördlich von Ceres versorgen halb Europa, die Fruchtsäfte der Marke „Ceres“ halb Afrika.

Durch das Weingebiet komme ich schliesslich in Stellenbosch an, einem bekannten Weingebiet. Eichenalleen säumen die alten Gebäude aus dem 17. Jahrhundert. Hier empfängt mich Meiring, der Sohn von Ig, den ich in Namibia auf dem Campingplatz von Purros kennengelernt habe. Ig ist 62, seine drei Söhne sind wie er Bauingenieur, seine Tochter Architektin. Ig und seine Söhne sind, wie viele Südafrikaner, velobegeistert, sehr sportlich. Am Cape Argus Race, dem 110-Kilometer Klassiker rund um die Cape Halbinsel hat er 19 Mal teilgenommen. Mit rund 35‘000 Teilnehmern ist es die grösste Radveranstaltung. Südafrika ist ein Mekka für Mountainbiker. Die Bike-Shops sind mit den neuesten und teuersten Carbonräder ausgestattet. Noch heute setzt sich Ig viermal die Woche, jeweils um 5 Uhr morgens, mit Stirnlampe, für zwei Stunden aufs Rad, bevor er zur Arbeit geht. Wir erkunden mit dem Rad die Weinberge, probieren gute Weine aus.

In Cape Town besuche ich Shirley und Theo, auch sie habe ich im gleichen Camping in Namibia kennengelernt. Sie haben damals Wolfgang und mich zum Nachtessen eingeladen. Seit 12 Jahren wohnen sie in Kapstadt, vorher in Johannesburg. Kapstadt ist mit Abstand einer der attraktivsten Städte weltweit. Europäische Städte haben zwar viele alte Kulturbauten, die meisten können aber im Vergleich zu Kapstadt zusammenpacken. Raumplaner sollten sich das mal ansehen. Kapstadt ist aus einem Guss, sauber, gepflegt, praktisch keine Werbeplakate sind zu sehen, wenig Zäune, farblich treten alle Gebäude einheitlich auf. Alte Autos gibt es nicht, dafür reichlich Karrossen der deutschen Autobauer. Kapstadt liegt wunderbar eingebettet zwischen Ozean und Tafelberg. Reben, Eichenalleen, Strände, Klippen, Pärke. Freilich sind auch die einfachen Hüttenbehausungen zu sehen, insbesondere im Stadtteil Kyaletsha. Theo führt mich um die Kaptstadt-Halbinsel und mit Kollegen sogar eine kleine Segeltour in der Bucht. Ig, Cecile, Theo und Shirley, vielen vielen Dank für eure wunderbare Gastfreundschaft !

Mein Dank an die fleissigen Leser- und Leserinnen, die sich die Zeit genommen haben, nicht nur Bilder anzuschauen, sondern den ganzen Artikel fertig zu lesen ! Die verbliebene Aufmerksamkeit sei auf die Spendenanzeige rechts gelenkt. Was ich der Schweiz verdanke ist, dass sie mir eine gute Bildung ermöglicht hat. Das ist nicht selbstverständlich. Nur mit guter  Schulbildung vermag man aus der Armut zu treten. In rund 2 Monaten werde ich in Mosambik sein. Ich sammle Geld für ein Alphabetisierungszentrum im Norden des Landes, das vor allem Frauen zugute kommt. Rund 90% der Frauen in den ländlichen Teilen der Provinz Cabo Delgado können weder lesen noch schreiben. Vom wirtschaftlichen Aufschwung im Süden des Landes ist dort wenig zu verspüren. Vielen Dank für Eure Unterstützung und euren Beitrag!

Some words on English: It’s a long time ago that I haven’t updated my blog. Meanwhile, I am already one year on the road, but haven’t spotted any elephants. Who cares ? The most interesting part of travelling is to meet people, hear their stories, share good moments. Let’s go back to Swakopmund. Wolfgang and I left that very german-like town. As he was short on time, he rented a car to get to Sesriem. Inside the Namib Naukluft Park, the famous dunes of Sossusvlei are the main attraction. I went twice. The first time, we were only allowed to enter the gate one hour after those who camped inside the park. The second time, I got a lift from an austrian couple and we were the first to be in Dead Vlei, still in the shadow of the huge dunes. At the price of almost crashing with a springbok on the road. From Sesriem, I cycled southwards, taking scenic gravel roads through remote areas and wide spaces. Wonderful wild camping spots, with herds of zebras and oryx. Nearby Ketmannshoop, the Quiver Tree Forest is a must for photographers. The Quiver Trees are aloe plants, called « Kokerboom » because Bushmen used the branches to make quivers for their arrows. Some kilometres before the gate to the Fish River Canyon, I met Karl-Heinz, an 64-year old German, who’s travelling with a 12 tons light Magirus Deutz, both protected by his turkish dog Kali. Almost two years on the road, Karl-Heinz did an incredible trip so far, through countries like Siberia, Mongolia, Central Asia and Saudi-Arabia. Together, we visited the park and later on also the Richtersveld Park in South Africa. In the so called Namakwa-Land in the northwestern part of South Africa, the winter was one oft the coldest since ages. Rain, storms and even hail obliged me to stop. As soon as the weather cleared up, I headed for several passes, saw rock paintings from bushmen, some fields of wildflowers and enjoyed much cycling, far away from the busy N7. The South Africans I met along the road were very friendly and hospitable. In Bellville, I was hosted by Ig and Cecilia, which I met in a campsite in Namibia. The same campsite were I made acquaintance with Theo and Shirley, whom I visited in Cape Town and who hosted me for two days. All were incredibly friendly and helpful and I enjoyed much to stay with all of them. Ig, very fit on the bike, rode from Franschhoek to Hermanus, where I could stay in his beachhouse. Thanks a lot !