Projektbesuche in Benin

Drei Tage lang besuchen  Helvetas, die Partnerorganisation ERAD-ONG und ich Projekte in der Region Atakora im Norden von Benin. Um Wasserprojekte zu realisieren – namentlich die Renovation (Transformation) von alten, bestehenden Schächten – arbeitet Helvetas im Norden von Benin häufig mit ERAD zusammen, die über das nötige Wissen und die Erfahrung verfügen.  Die Organisation ERAD– ONG (Etudes et Recherches Appliquées pour le Développement) ist im Norden von Benin in den Departementen Atakora und Donga aktiv. Der Sitz ist in Natitingou. ERAD-ONG ist in diversen Bereichen tätig (Erhaltung natürliche Ressourcen, ländliche Entwicklung), vorwiegend aber in den Sparten Wasser und Sanierung.

Das Programm für die nächsten drei Tage steht fest, nicht weniger als neun Projekte besichtigen wir. Für Helvetas und ERAD ist mein Erscheinen eine willkommene Gelegenheit, um die Öffentlichkeit über ihre Arbeit zu informieren.  Am ersten Tag begleitet uns der Privatsender Canal 3 und das nationale Fernsehen ORTB, sowie diverse lokale Radiostationen, um Händeschütteln bei Bürgermeistern und Dorfchefs, Trommelmusik, Schulchöre, Volkstänze und Reden mit Megafonen festzuhalten. Tatsächlich sind dann im Radio und Fernsehen Berichte gesendet worden, im nationalen Sender sogar zur Prime Time um 20 Uhr. Danach kann ich nicht mehr unerkannt nach Cotonou radeln und werde  häufig von Einheimischen angesprochen, manche wollen meine Adresse, andere ein Erinnerungs-Foto.

(im Vordergrund: Eric, Maurizio, Narcisse, Schuldirektor von Doh, Alice, Kora, Marianne)

Unsere Delegation besteht aus folgenden Personen:

  • Alice, Soziologin, Koordinatorin bei Helvetas für QualiEau-Projekte in den Gebieten Atakora und Borgou
  • Codjo und Wahab, Chauffeure bei Helvetas
  • Eric, Direktor bei ERAD-ONG
  • Marianne, Verantwortliche bei ERAD für Wasserprojekte
  • Kora : Verantwortlich für  „hygiène et assainissement“
  • Narcisse : Verantwortlich für QualiEau-Projekte und Spezialist AEPHA (Aprovisionnement Eau Potable, Hygiène, Assainissment)
  • Fabrice, Fotograf

Am Vorabend treffe ich nach einer 100-Kilometer Etappe in Tanguiéta ein. Am nächsten Morgen in aller Früh geht es dann schon los. Zuerst sprechen wir beim Maire vor, danach besuchen wir das „College d’Enseignement Général“ von Tanguiéta. Hunderte von Schüler stehen hier Spalier und beklatschen unsere Delegation bei der Ankunft.  Es werden Dankesreden gehalten, Schüler stellen Fragen. Wie es sich gehört, ziehe ich, bevor ich die Fusspumpe  des Brunnens  betätige, die Schuhe aus.

An dieser Schule ist ein Brunnen von Helvetas finanziert und mit der Hilfe der Partnerorganisation ERAD realisiert worden. Bauherrin ist die Gemeinde, die von ERAD unterstützt wurde: im Verfahren um Ausschreibung des Werkvertrages, Auswahl eines geeigneten Bauunternehmers, Begleitung und Abnahme der Werkarbeiten, etc.  Kleinen Gemeinden fehlt häufig –  natürlich nebst  den finanziellen Mitteln – das Wissen und die Erfahrung, um selbst kleinere Bauvorhaben, wie eben der Bau oder die Sanierung eines Brunnens durchzuführen. Ansprechperson bei den Gemeinden ist dabei der „Service technique“. Die Unterstützung wird in Zusammenarbeitsverträgen mit dem Gemeinderat festgelegt. Um Klarheit zu schaffen, werden die Gemeinden verpflichtet, ein Konto zu eröffnen, über welches die Zahlungen laufen. Helvetas und ERAD sind im Lande übrigens  die einzigen Organisationen, welche alte Schächte sanieren.

 

Tanguiéta, Marché Central

Auf dem grossen Marktplatz besichtigen wir erneut einen Brunnen. Die Reden, um die Bevölkerung über den Grund unseres Besuches aufzuklären, werden in sechs Sprachen gehalten: in Nateni (vorherrschende Sprache in Tanguiéta), M’berbe (gesprochen im Gebiet rund um Cobly), Biali (Matéri), Gourmantché (vorherrschend im Südosten von Burkina Faso), Wama (weitere Sprache in Tanguiéta), Dendi (« langue commerciale“).

Nach der Sanierung und Transformation von Schachtbrunnen in moderne Brunnen mit Fusspumpe, wird der Bezug von Wasser  kostenpflichtig. Ein bescheidener Beitrag, aber sauberes Trinkwasser kostet etwas.  Und damit machen sich Lokalpolitiker oftmals nicht beliebt. Widerstand kommt oft auch von den Dorfchefs. Althergebrachte Überzeugungen sind manchmal schwierig zu durchbrechen. Dies hängt vielleicht auch mit der sehr hohen Analphabetenrate zusammen, die in ländlichen Gebieten  bei 50 und mehr Prozent, bei Frauen nochmals deutlich höher, liegt.

In einer Gemeindeverordnung (ârrété communal) wird festgelegt, dass der Bezug  von Wasser kostenpflichtig ist.  Ein „Vendeur d’eau“ treibt dann das Geld ein, legt Bezugszeiten für Brunnen fest und liefert der Gemeinde die Einnahmen  ab, die für den Erhalt und die Sanierung des Brunnens verwendet werden. Damit werden die Gemeinden in die Pflicht genommen.

 

 

Matéri

Am Nachmittag werden wir vom Maire von Matéri empfangen. Reiter, Tänzerinnen und Trommelmusik begleitet unsere Delegation, während wir  von der Mairie zum Marché Central laufen. Hier befindet sich ein alter Schacht, der sich in einem dermassen desolaten Zustand befindet, dass man ihn bereits ganz zumachen wollte, weil er eine öffentliche Gefahr darstellt. Der Schacht ist mit Abfall gefüllt. Nicht auszumachen, was sich für Krankheitserreger in dieser Brühe tummeln. Dank der zahlreichen Spenden kann nun dieser Schacht in einen Brunnen mit Fusspumpe gewandelt werden.

Ein bewegender Moment. Ich kann endlich, im Namen der zahlreichen Spenderinnen und Spender, dem Bürgermeister symbolisch einen Check im Betrage von CHF 7‘422.—überreichen. Die Gemeinde Matérie ist von Helvetas und ERAD ausgesucht worden, weil sie modern und dynamisch ausgerichtet ist und die Unterstützung zur Verbesserung der Infrastruktur gerne annimmt. Der Bürgermeister hinterlässt mir einen guten Eindruck: er hält eine prägnante Rede, die er selber vorbereitet hat.

Eine solch vorbildliche Kooperation wie in Matéri ist nicht selbstverständlich. Wie erwähnt, ist oftmals zunächst Widerstand zu brechen, wenn ein alter Schacht renoviert werden soll, obschon es äusserst mühsam ist, von Hand das Wasser mit Hilfe eines Seiles und Kessels zu schöpfen. Oftmals werden Fetischobjekte, gris-gris,  in den Brunnen geworfen. Damit erhoffen sich gewisse Leute, etwa Lokalpolitiker, die ganze Dorfgemeinschaft zu ihren Gunsten beeinflussen zu können. Nach der Transformation des Brunnens ist dies nicht mehr möglich.  Um die Bevölkerung zu sensibilisieren, gibt es deshalb sog. Animateurs, welche die Bevölkerung vor den Problemen in Bezug auf dreckiges Trinkwasser aufzuzeigen: Durchfall, Krankheiten, erhöhte Kindersterblichkeit etc.

 

Kobli

 

In dieser Ortschaft besichtigen wir einen rundförmig gestalteten Brunnen. Der Dorfchef empfängt uns. Nachdem wir uns vorgestellt haben, erklärt uns Kora kompetent die Bauweise des Brunnens. So aufmerksam wie es geht, höre ich ihm zu und stelle noch einige Fragen. Auch wenn ich heute nur dem Fernsehen zuliebe wenige Meter geradelt bin: der Tag war lange und anstrengend. Ich bin froh, abends endlich in Natitingou im Hotel einzutreffen.

 

Ourokayo

Am nächsten Tag geht es dann früh wieder los. In dieser Ortschaft unweit von Kouandé werden wir mit Trommelmusik und Tanz empfangen. Es handelt sich um einen renovierten Brunnen („puit transformé“). Um den Charakter des ehemaligen „Dorfbrunnens“ bzw. des Schachtes zu wahren, ist ein kreisförmiger Grundriss gewählt worden.

 

Kouandé

Im Hauptort Kouandé haben sich die zahlreichen Chefs de village und Chef d’arrondissement eingefunden, erkennbar an grossen roten Hüten. Das Protokoll verlangt, dass man sich zur Begrüssung verbeugt und in die Knie geht, aber nicht die Hand schüttelt. Es folgt eine Vorstellungsrunde, jeweils mit Hilfe von Megafonen.

 

Bei noch einigermassen gut erhaltenen Schächten, wie hier in Kouandé, müssen die Wände nicht neu gemauert werden. Ein System aus Kieselsteinen sorgt, dass das Wasser gefiltert wird. Das Wasser wird halbjährlich von einem akkreditierten Labor auf die Trinkwasserqualität untersucht.  Bei Bedarf muss Wasser chemisch, mit Chlor, gereinigt werden.  In wenigen Wochen wird hier das Seilziehen der Vergangenheit angehören.

Seitens der Bevölkerung werden Sorgen geäussert: „Cela  se gâte? Narcisse erklärt ihm, dass jedes Werk, so stabil es auch sein mag, einen gewissen Unterhalt nötig hat und in der Zukunft Reparaturen nicht ausgeschlossen sind. Dafür muss dann die Gemeinde aufkommen, die einen „vendeur d’eau“ damit beauftragt, das Wasser zu verkaufen.

 

Makrou

Unter einem grossen Mangobaum haben sich die Dorfchefs feierlich eingefunden. Trommelmusik, eine  tanzende Menschenmenge. Ein Griot, ein Geschichtenerzähler, lenkt die Aufmerksamkeit auf sich.  Er redet ununterbrochen auf uns ein. Er ist das Geschichtsbuch eines Dorfers und hält Lobreden. Viele Peuls, erkennbar an Tätowierungen im Gesicht, sind neugierig auf die Ankunft unserer Delegation und des jovos, des Weissen. Auch hier ist mit Hilfe von ERAD und der Finanzierung durch Helvetas ein Schacht in einen Brunnen umgebaut worden.

 

 

Doh

In Doh besuchen wir eine Schule, deren Infrastruktur im Rahmen des Projektes EPECS – Eau Potable pour Ecoles et Centres de Santé- verbessert worden ist.  EPECS wird u.a. von der DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit), Liechtenstein und SIGE (Lausanne) finanziert. Die Schweiz scheint – wie vereinzelt riesige Plakate darauf hinweisen – seit 30 Jahren eine enge Entwicklungszusammenarbeit mit Benin zu pflegen.

Das Projekt EPECS will Trinkwasser in den Schulen sicherstellen und zugleich den Schülern elementare Kenntnisse im Bereich der Hygiene vermitteln.

Der umgebaute Brunnen muss mit dem Fuss betätigt werden. Das Wasser fliesst dann in einen Wasserturm (château d’eau). Zwei Stunden werden benötigt, um den Wassertank von 1‘500 Litern zu füllen. Dies reicht für zwei Tage. Vor der Schule sind dann Wasserstellen gebaut worden, an denen sich die Kinder die Hände mit Seife waschen können, respektive müssen !

Ich bin überwältigt von der Anzahl Kinder und deren Eltern, die sich eingefunden haben und bereits den ganzen Tag schon geduldig auf uns warten. Die Tische sind draussen u-förmig angeordnet. Ich habe die Ehre, an einem Tisch in der Mitte Platz zu nehmen.

 

Gnémasson

In dieser Ortschaft nehmen wir ein „Centre de santé“ und eine Entbindungsstation unter die Lupe. Das Trinkwasser kommt aus einem Brunnnen. Das Wasser wird in einen Wassertank gepumpt. Zusätzlich besteht aber noch eine Solaranlage und eigenes System, um Chlor herzustellen, damit  Wasser desinfiziert werden kann.

Wir sind alle erleichtert, abends in der Auberge in Pehunco einzutreffen und später die Nationalspeise Nyampele mit einer Béninoise runterzuspülen.

 

Dagui

Der Abschluss dieser Reihe von Besuchen bildet die Schule in Dagui. Kinder singen im Chor, eine Band spielt live Musik. Wie es sich in Afrika gehört, sind die Lautsprecher auf volle Lautstärke eingestellt. „Soyez les bienvenus“ Wir sind mittlerweile darin geübt, unsere Reden zu halten, sind aber immer wieder überwältigt vom warmen Empfang. „Du wirst wie ein Präsident empfangen!“, meint grinsend der Chauffeur Abdollulilai. Ein Kind bedankt sich im Namen aller Schüler mit den rührenden Worten “Monsieur le donateur. Nous, écoliers de DAGUI, pour qui vous vous êtes peinés, vous disons merci et que le bon DIEU vous bénisse.“ Den Dank gebe ich gerne an alle Helvetas-Mitglieder weiter !

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