Auf Veloreise im Veloplus
… am 5. Dezember 2008. Weitere Termine:
Freitag, 9. Januar 2008, Laden Veloplus Ostermundigen
Freitag, 23. Januar 2008, Laden Veloplus Emmenbrücke
Infos unter http://www.veloplus.ch/events.asp?id=62
Es ist vollbracht !
Annähernd 150 Gäste haben meinen Diavortrag vom 12. April in der Aula des Burgschulhauses in Liestal besucht. Der Abend ist gelungen, die Stimmung war ausgezeichnet, ich konnte viele alte bekannte Gesichter treffen. Auch meine Reisebekanntschaften Stefan und Melinda (in Usbekistan angetroffen), Andreas Kramer und Kathrin Achini (in Tajikistan begegnet) sowie Silvio Giroud aus Fribourg (in Tibet auf dem Paiko-Tso-Shortcut kennengelernt) waren anwesend. Nochmals herzlichen Dank an alle, die Interesse für meinen Vortrag bekundet haben. Ich werde den Vortrag sicherlich nochmals zeigen, Details folgen sobald als möglich.
Diavortrag
Die Diaschau dauert ca. 90 Min, davon etwa ein Drittel live kommentiert, der Rest mit Musik untermalt. Es werden 640 Dias mit zwei Überblend-Projektoren gezeigt.
Lageplan Aula Burgschulhaus in Liestal
(Klicken zum Vergrössern)
Ein kleiner Vorgeschmack:
Tibet-Kalender 2008
Jetzt liegt er vor: der neue Tibet-Kalender, hergestellt in Lhasa in Zusammenarbeit mit Elke, einer deutschen Studentin, die ich in Tibet kennengelernt habe. Format A3 aufgeklappt. Exemplar gefällig?
Vorschau
Knapp 200 Diafilme sind nun gesichtet, eine erschlagende Menge an Bildern, die verdaut und verarbeitet werden wollen. Einige Scans vorab, um auf die bevorstehende Diaschau im nächsten Winter schmackhaft zu machen. Es gibt allerdings noch viel zu tun…
Ich bin wieder hier !
Seit einigen Wochen bin ich nun wieder zuhause, zurück von meiner langen Reise. Schneller als erwartet habe ich mich wieder hier eingelebt, nicht zuletzt dank des Chienbäse. Ein Bewerbungsschreiben, ein Vorstellungsgespräch und schon anfangs März eine neue Stelle bei einer Versicherung. Der Kulturschock blieb mir bei meiner Rückkehr nach Europa bzw. nach Paris nicht erspart. Mit meinen abgelaufenen Veloschuhen und abgegriffenen Kleidern kam ich mir in der französischen Metropole etwas schäbig vor.
Meine Reise ist also – physisch – zu Ende. Ein Leben lang wird sie in meinem Kopf rumgeistern und mich jeweils für kurze Momente in die weite Welt entführen. Anstatt eines abgegriffenen Zuckerbeutelspruches ziehe ich ein bisschen Statistik vor:
17’373 gefahrene Kilometer (rund 7.5 Millionen Radumdrehungen)
(so sieht ein Schwalbe Marathon XR nach 11’880 Km aus)
343 Tage unterwegs, 115 Tage ohne Radfahren (Ruhe- und Krankheitstage, Sightseeing, Visumsbeschaffung etc.)
19 Platten
(Service beim Chini-Bagh Hotel in Kashgar/China)
1’171 Stunden auf dem Sattel (sieben Wochen Tag und Nacht nonstop)
18 bereiste Laender: Schweiz, Italien, Slovenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien-Montenegro, Bulgarien, Griechenland, Türkei, Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadjikistan, Kirgistan, China (Xinjiang, Tibet), Nepal, Indien, Vereinigte Arabische Emirate (eine Nacht in Dubai), Frankreich
10.5 Stunden betrug der laengste Radeltag: von Torbat-e Heydariyeh nach Mashhad, den ganzen Tag kämpfte ich gegen den Wind an, zur Abwechslung einen Platten, erst um zehn Uhr abends erreichte ich den mörderischen Stadtverkehr von Mashhad, um Mitternacht hatte ich endlich eine Unterkunft gefunden)
174 Km: die längste Tagesetappe (Brescia-Gardasee-Verona-Vicenza-Castelfranco Veneto)
47 Tage mit einem Pensum von mehr als 100 Km
14.8 km/h: Gesamt-Durchschnittsgeschwindigkeit
23 km/h: die hoechste Tages-Durchschnittsgeschwindigkeit (die Abfahrt runter nach Kashgar)
6.52 km/h: tiefste Durchschnittsgeschwindigkeit (in 6:09 Stunden satte 39 gefahren, oder besser gesagt gestossen, als es vom Guge Kingdom im Sutley-Tal in Tibet wieder rauf ging zum tibetischen Hochplateau)
19 Tage die laengste Etappe ohne Ruhetage: von Kashgar bis nach Ali/Shiquanhe (Westtibet), dazwischen einige spektakuläre Pässe, so der Chiragsaldi (4’980 M), Kirgizjangal (4’950 M), Kosbel (4’290 M), Khitai (5’190 M), Satsum La (5’350 M), Qieshan La (5’400 M). Der Kudie Pass war mit 3’300 M. der einzige “3’000-er” Pass.
1’725 Höhenmeter die grösste erklommene Höhendifferenz an einem Tag: Savognin-Julierpass-Pontresina-Berninapass
3’008 Hoehenmeter: die laengste Abfahrt an einem Tag, von Nyalam (Tibet) – Zhangmu – Barabise (Nepal)
5 befahrene Wüsten: Dasht-el Kavir (Iran), Karakum (Turkmenistan), Kizilkum (Usbekistan), südlicher Rand der Taklamakan (Xinjiang/China), tibetisches Hochplateau
800 Franken geschätzte Kosten für Visas und sonstigen Permits
(der Gegenwert von 100 Dollars in usbekischen Som)
billigster Benzinpreis: in Turkmenistan, im Bereich von wenigen Rappen
Ein (be)sinnliches Erlebnis
Stephane und ich machen uns auf den Weg nach Indien. Letztmals waren wir vor genau drei Monaten auf dem Aksai Chin Hochplateau zusammen unterwegs. Das blaue Tor mitten in der dichtbesiedelten Ortschaft zeigt uns an, dass wir indisches Hoheitsgebiet betreten. Zollbehoerden sind keine auszumachen. Erst nach 100 Metern finden wir eingepfercht zwischen Kraemerladen die Immigrationsbehoerden. Nachdem wir den ueblichen Fackel ausgefuellt haben, sind wir offiziell in Indien, im Bundesstaat Uttar Pradesh, sechs Mal so gross wie die Schweiz. In UP, wie der Bundesstaat in Indien genannt wird, leben 166 Millionen Menschen, so viel wie in Frankreich, Italien und Spanien zusammen ! PLEASE HORN Es stellt sich bald heraus: Velofahren in Indien ist spannender als jedes Videogame ! Man ist stets bedacht, von den Tata-Lastwagen nicht in den Graben gedraengt zu werden. Es wird nicht situativ gehupt, sondern praeventiv. Busse und Trucks druecken durchgehend auf die Hupe, wenn sie eine Ortschaft durchfahren. Diese verdammten Hupen sind ohrenbetauebend und gehen uns schon sehr bald auf die Nerven. Der Laermteppich in Staedten ist nicht auszuhalten. Man weicht Velofahrern, Rikshas, Autorikshas, Bussen, Autos und den heiligen Kuehen aus, die sich alle gleichzeitig bemerkbar machen wollen, obschon der Vekehr oft stillsteht. Die Fahrraeder der Marken Herkules, Hero, Atlas und Avon sind nicht zu unterscheiden: Einheitsgroesse, schwarz, ein Gang. Gemaechlich schlendern die vielen Velofahrer mit 15 Kilometer pro Stunde ihres Weges. Das Spiel wiederholt sich einige Male: ein Inder will es uns zeigen, ueberholt uns und versucht, uns abzuhaengen. Wir nutzen moeglichst lange den Windschatten aus, bis der Inder irgendwann voellig ausser Atem in eine Nebenstrasse abzweigt. Ansonsten eignen sich schwerbeladene Traktoren gut als Schrittmacher.
Bis nach Delhi wird die Strasse topfeben sein. Rohrzuckerplantagen zieren die eintoenige Landschaft. Am Morgen herrscht oft eine neblige Stimmung. Dies vermag die Augenfaelligkeit der Ueberbevoelkerung und der ausgedehnten Armut nicht zu verschleiern. Die wuchernden Slumsiedlungen, oft zwischen Bahngeleise und Strasse gelegen, spotten jeder Beschreibung. Wer mit dem Fahrrad unterwegs ist, rennt nicht von Flughafen zu Bahnhof zu Hotel zu Sehenswuerdigkeit und bekommt so die Facetten des taeglichen Lebens hautnah zu spueren. Abfallberge liegen ueberall herum, in denen Kinder und Frauen zusammen mit Kuehen, ausgemagerten Strassenkoetern und Schweinen nach etwas Ess- oder irgendwie Brauchbarem herumstochern. Kanaele und Fluesse sind pechschwarz gefaerbt. Die Luft ist dreckig. Meine Nase sieht abends wie nach einem Chienbaese aus ! Schon bald plagt mich ein hartnaeckiger Reizhusten, verursacht durch den Staub.
Bei jedem Halt werden Stephane und ich von lethargischen Schaulustigen umzingelt. Sehr wenige laecheln oder sprechen uns an. Obschon Indien waehrend rund 200 Jahren eine indische Kolonie war und Englisch nebst Hindi Amtssprache ist, beherrschen auf dem Lande nur sehr wenige Englisch. Wuerden wir die Inder nicht anlaecheln oder uns zu einem Spaesschen hinreissen lassen, verkaeme die Anglotzerei zu einer fuer uns peinlichen Angelegenheit. Wenn dann einer endlich den Mund auftut, ist oft nur ein undeutliches Lallen zu vernehmen. Umso deutlicher zeichnet sich dafuer eine rotbraune Masse in den Mundwinkeln ab: das Paan. In Indien wie in ganz Suedchina und Suedostasien ist das Kauen der Betelnuss auesserst beliebt. Die zerhackten Nuesse werden mit Gewuerze, oft auch Tabak, in ein Blatt eingerollt und tel quel im Mund zerkaut. Der ueberschuessige Speichel wird am Boden und an Hauswaenden gespuckt. In engen Gassen sind die Waende bis zur Kniehoehe dunkelrot gefaerbt. Leider hilft das Paan nicht gegen Muecken. Mancherorts sind sie eine richtige Plage. Gegen diese laestigen Viecher scheint kein Kraut gewachsen zu sein, keine Radlerhose scheint dick genug zu sein. Ich kann nur hoffen, dass sich keine Anopheles-Muecke unter den Plagegeistern befindet. Einladungen sind eher selten. Umso erfreuter sind wir, als uns ein junger Inder zu sich nach Hause einlaedt und uns sein Anwesen zeigt, in dem vier Generationen unter einem Dach leben. Ein anderes Mal laedt uns ein muslimischer Baba, der vor einer in Bau befindlichen Moschee Wache haelt, zu einem Tee ein. Um den Schrein eines Maertyrers faellt eine Frau in Ekstase. Ihre Schreie lassen uns aufzucken. Die boesen Geister sollen vertrieben werden. Der Maertyrer soll im Dezember 1992 getoetet worden sein. Wir schliessen daraus, dass dies anlaesslich der von Hindu-Extremisten erstuermten und zerstoerten Babri-Moschee aus dem Jahre 1528 geschehen ist.
Der Ganges: Rein, aber alles andere als sauber Wir kommen in der heiligsten Stadt des Hinduismus an, Varanasi, besser bekannt unter dem Namen Benares. Seit ueber 2’500 Jahren pilgern Glaeubige zu den kilometerlangen Stufen am heiligen Fluss Ganges, der am Berg Kailash, dem Sitz des Gottes Shiva; entspringt. Waehrend sich die Hinduisten durch eine rituelle Waschung im Fluss eine Reinwaschung vor Suenden erhoffen, soll ein Sterben und Verbrennen am Fluss vor einer Wiedergeburt schuetzen. Wer von Europa direkt nach Varanasi fliegt, unterliegt einem regelrechten Kulturschock. An zwei Kremationsstaetten werden ununterbrochen Leichen verbrennt, der beissende Rauch brennt in den Augen. Ab und zu schwimmen Leichenteile herum. Hunderte Meter lange Leinen, an denen die im Ganga mit starker Lauge weichgeklopften Kleider und Laken der Waeschereien getrocknet werden. Bueffelherden suchen Abkuehlung im Nass, waehrend die Aermsten der Armen den heiligen Tieren nachlaufen, um den Mist mit blossen Haenden zu sammeln und ihn zum Trocknen fladenartig an Waende zu klatschen. Die getrockneten Fladen dienen als Brennmaterial. Riesige Kanaele leiten die Abwaesser unbehandelt in den Fluss. Die bestehenden Klaeranlagen sind voellig unzureichend und wegen der andauernden Stromunterbrechungen ohnehin nicht funktionsfaehig. Die Werte der Sauberkeitsparameter liegen um das Hunderttausend- bis Millionenfache ueber den Grenzwerten. Ein Tropfen Gangeswasser ist eine Generalattacke auf den menschlichen Koerper! Weniger die Tatsache, dass sich die Inder in dem voellig verdreckten Fluss baden, ist abstossend, sondern die Unsitte, dass die Notdurft in aller Oeffentlichkeit entlang des ganzen Ufers verrichtet wird. Ein beissender Gestank von Exkrementen und Kuhmist liegt ueber den Ghats und vielen Teilen der Stadt. Wie laesst sich das bloss in den heissen Sommermonaten aushalten ?
In Benares verabschiede ich mich endgueltig von Stephane. Meine Reise geht bald zu Ende. In der potthaesslichen Industriestadt Kanpur komme ich erst nach Einbruch der Dunkelheit an. Die Tage sind zu dieser Jahreszeit zu kurz, um ohne Hast 120 Kilometer am Tag fahren zu koennen. Die ersten vier Hotels sind – wer haette das in dieser Stadt gedacht – bereits voll. Ich werde langsam ungeduldig und ausfaellig. Ich lasse mir diese Luege nicht weiter gefallen und fange an, die Hotelbesitzer anzuschreien. Nur weil sie nicht im Besitz des bloeden Formulars fuer auslaendische Touristen sind, wollen sie mich nicht uebernachten lassen. Es bleibt mir nichts anderes uebrig, als im teuren “Mayfair Hotel” zu uebernachten.
Ein spaetes Weihnachtsfest In Manpuri scheinen die Hotelbesitzer geschaeftstuechtiger zu sein. Das Zimmer ist dafuer ein Rattenloch und gleich neben dem Stromgenerator. Ich nehme die Einladung des Inders an, der mich waehrend den letzten 20 Kilometern begleitet hat. Die vierkopfige Familie bewohnt ein kahles Betonzimmer, 4 mal 6 Meter gross. Der ganze Hausrat hat in zwei Bananenschachteln Platz. Eine Gluehlampe und ein kleiner Gluehofen sind die einzigen technischen Geraete. Zeitungspapier dient als Dekoration. Sie leben auesserst armselig und doch sind sie noch besser dran als die vielen Slumbewohner. Waehrend die Ehefrau “vegetables” kocht, kaufe ich 10 Samosas, Suessigkeiten, 2 Kg Aepfel, Rueben und Weissbrot ein. “My children very happy” strahlt Bigeldurbi ueber das ganze Gesicht, der zu meinem Erstaunen der hoechsten Priesterkaste angehoert. Ein richtiges Weihnachtsfest hat er seiner Familie beschert ! “My wife request you rest one day”, heisst es am naechsten Morgen. Diese Freundlichkeit kann ich gut verstehen, ich will aber an diesem Silvester noch Agra erreichen. Er versteht, “time costly”. “One piece foto sun?” kommentiert er die aufgehende Sonne. Ich gebe ihm 150 Rupees zum Abschied. Abends erreiche ich endlich Agra. Meine Blutgruppe lechzt nach rotem Fleisch. Die auferzwungene vegetarische Curry-Masala-Diaet der letzten Wochen ist eintoenig. Im Pizzahut, das von der upper middle class frequentiert wird, werde ich fuendig und bestelle mir eine Lammfleisch-Koefte Pizza. Die neureichen Inder, allen voran das weibliche Geschlecht, haben einen deutlichen Hang zur Fettleibigkeit. Wellness und Fitness sind hier noch Fremdbegriffe. Eine weitere Unsitte in Indien ist, von auslaendischen Touristen unverschaemt hohe Eintrittpreise abzuknoepfen, angeblich fuer die Restaurierung der Monumente. Wuerde Indien lieber weniger Geld fuer den Bau von Atombombomben ausgeben ! Der Anblick des Taj Mahal in Agra entschaedigt dann allerdings fuer diese Unpaesslichkeiten. In Delhi ist dann meine lange Veloreise zu Ende. Wie unglaublich schnell sind 333 Tage verflogen !
Bildergalerien (Alle digitalen Bilder sind mit der Handykamera aufgenommmen worden) |
Zwischenlandung in Dubai
Ein kurzer Zwischenbericht aus Dubai: Der Abflug in Delhi heute Morgen hat sich verzoegert und ich habe meinen Anschlussflug nach Europa verpasst. Grosszuegig hat mich nun die Fluggesellschaft “Emirates” im Hotel Capitol untergebracht, mit 270 Dollars meine mit Abstand teuerste Uebernachtung bis anhin. Dubai ist das pure Gegenteil von Delhi: sehr sauber, ruhig, kein nerviges Gehupe, jeder Strassenzug perfekt gebaut, jedes Gruenplaetzchen liebevoll hergerichtet, alles wirkt neu, nichts ist kaputt, kein Randstein ist beschaedigt, der Strassenasphalt Formel-Eins tauglich, schlichtweg perfekt, aus einem Guss. Der Flug in der Boeing 777-300 mit Monitoren, vielen Videogames, einer grossen Musikbibliothek und etlichen zur Verfuegung stehenden Filmen, stimmt auf Dubai ein. “Play it again, Sam !” hiess es fuer mich diesen Nachmittag.
Irgendwie bin ich froh, Indien den Ruecken gekehrt zu haben. Das indische Voelkchen versucht bei jeder Gelegenheit, die Touristen ueber den Tisch zu ziehen. Wenn sogar beim Kauf von WC-Papier minutenlang gefeilscht werden muss, hat man irgendwann mal die Nase voll. Der Laerm und der Gestank sind ein Thema fuer sich.
Das Taxi, das um 6:30 vor dem Hotel stehen sollte , ist natuerlich mit einer halben Stunde Verspaetung gekommen. Man wollte noch andere Touristen mitnehmen, die allerdings zum “Domestic” Flughafen fahren wollten. In diesen Situationen heisst die Devise: grob sein und die Leute anschreien. Etwas das ich besonders hier in Indien gelernt habe. Der Taxichauffeur ist dann schnurstracks zum International Airport gefahren, seinem Versuch, mir noch zusaetzliche 50 Rupees fuer den
Transport des Fahrrades abzuknoepfen, war selbstverstaendlich kein Erfolg beschieden.
Das Security-Personal im Flughafen scheut sich gar nicht, fuer seine Dienste einen “Tip” zu verlangen. Mein suspektes Gepaeck haette nochmals durch einen Angestellten durchsucht werden muessen, mit einem kleinen Bakshish ist mein Gepaeck aber sofort auf das Rollband gelandet. Und meine Diafilme mussten – ohne Blickes gewuerdigt zu werden – nicht durch die Roentgenmaschine. Ich sah halt vertrauenswuerdig aus. Selbst meine Zeltheringe, die ich bloederweise im Handgepaeck hatte, haben unbesehen den Weg nach Dubai gefunden.
Ich geniesse nun die friedliche Abendstimmung hier in Dubai, werde wie ein Koenig im Hotel Capitol speisen und bereits Morgen in Paris sein.
Ruhe in Nepal
Nach einer Woche in Katmandu, wohlgenaehrt und gestaerkt durch unzaehlige Steak-Sizzlers, muss ich wieder raus in die frische Luft. Obschon die Hauptstadt Nepals nur 700’000 Einwohner hat, ist sie eine der schmutzigsten Staedt auf diesem Planeten. Diskussionen ueber Feinstaub werden hier keine gefuehrt. Politisch ist die Luft hingegen einigermassen rein. Vor kurzem haben sich die maoistischen Rebellen und die Regierung auf eine Uebergangsverfassung geeinigt, der ungeliebte Koenig Gyanendra hat seine Macht bis zu den Wahlen im Juli dem Regierungschef uebertragen.
Nicht sauber sind hingegen die neuen Bestimmungen, die geeignet sind, die Wanderfreuden zu trueben. Ab jetzt darf nur noch mit einem Fuehrer oder einem Traeger, fuer rund 9 Dollar am Tag, auf Trekkingtour losgezogen werden. Zur Sicherheit der Touristen, betonen die vielen Trekkingagenturen, die sich die Haende reiben. Laecherlich, denn die beruehmten Treks wie der Annapurna Circuit Trek, Sanctuary Trek oder Jomosom Trek sind breite Wanderpfade mit vielen Lodges und Unterkuenften am Wegesrand. Waehrend zwei bis drei Wochen wandert man mit einem leichten Tagesrucksack. Ein Verirren ist nicht vorstellbar und die Situation mit den Maoisten hat sich soeben erheblich beruhigt. Die westlichen, zahlungskraeftigen Touristen sind eine willkommene Einkommensquelle. Im nahegelegenen Bakhtapur wird man nicht verlegen, fuer die Besichtigung der Altstadt zehn Dollar Eintritt abzuknoepfen.
Nepal, in dem acht der zehn hoechsten Berge der Erde liegen, ist ein Paradies fuer Trekkingtouren und Bergsteiger. Es ist mir aber nicht recht nach Wandern zumute. Vielmehr verspuere ich Lust, wieder in die Pedale zu treten und noch bis nach Delhi zu radeln. Ich mache mich also Richtung Westen auf, durch die huegelige subtropische Landschaft Nepals. Sobald der Stadtverkehr Katmandus hinter mir liegt, kann ich wieder eine ruhige Fahrt durch Reisterrassen, Bananenplantagen und ueppigen Waeldern geniessen. Hier ist die Heimat der ethnischen Gruppe der Gurkhas, bekannt durch die weltweit hoch angesehenen Gurkha Soeldner, die sich vor allem in den Dienst der britischen und indischen Armee gestellt haben.
Ein Abstecher zum Dorf Bandipur, auf einem Sattel gelegen und 600 Hoehenmeter von der Hauptstrasse entfernt, ist nach meinem Geschmack. Ruhe, Beschaulichkeit, ein gemuetliches Guesthouse und gutes Essen. Ein Ruhetag und ein kleiner Spaziergang durch die umliegenden Doerfer tragen zur Entspannung bei. Am naechsten Morgen steht mir dann eine Abfahrt durch den dichten Nebel bevor.
In Pokhara, dem Ausgangspunkt fuer viele Trekkingtouren, verlaesst mich dann das Wetterglueck. Die einzigartige Sicht auf das Annapurna-Massiv wird durch Regenwolken verdeckt. Ich muss mich mit den feilgebotenen Postkarten und Posters vorlieb nehmen. Ich treffe die schrille Heather, die soeben von einer Trekkingtour zurueckkehrt und mit der ich einen Tag in Tibet unterwegs war. Wir haben uns manche Erlebnisse und Anekdoten zu erzaehlen.
Es geht staendig rauf und runter. Jeden Tag schaffe ich so rund tausend Hoehenmeter. Ich freunde mich langsam mit dem nepalesischen Kuechenzettel an: zu essen gibt es meist nur das Nationalgericht Dhaal Baat: Linseneintopf, Gemuesecurry und viel Reis. Ein Abstecher nach Tansing, wieder auf einem Huegel gelegen, belohnt mich mit einer Sicht auf das Terai, das Flachland im Sueden Nepals und Teil der Gangestiefebene. Kurz vor der indischen Grenze in Lumbini, dem Geburtsort Buddhas, treffe ich mich mit Stephane Soray. Rund um den Wallfahrtsort ist ein riesengrosser Park errichtet worden. Buddhistische Staaten aus aller Welt sind daran, buddhistische Tempel zu errichten. Leider sind diese Betonbauten ein billiger Abklatsch von Originalen und jegliche Handwerkskunst wird verschmaeht. Den kitschigen Tempeln fehlt jegliches Leben. Eine verpasste Chance, schade.
Namaste !
Viele werden sich fragen, wieso ich nicht die Festtage zuhause verbringe, obschon ich Tibet seit laengerem hinter mir habe. Nun, zum Leidwesen meiner Liebsten lasse ich meine Reise auf dem indischen Subkontinent ausklingen und werde Weihnachten und Neujahr in Indien verbringen. Die Verlockung, von Katmandu noch bis Dehli zu radeln, um einen Eindruck von Indien und dem Hinduismus zu erheischen, war zu gross. Ich befinde mich gerade in Varanasi (ehemals Benares genannt) am heiligen Fluss Ganges, wo sich taeglich Tausende von Pilger und Einheimischen einer rituellen Waschung unterziehen. Der Fluss selber hat mittlerweile den Reinheitsgrad einer Kloake erreicht. Indien ist laermig, bunt, nichts fuer klaustrophobisch veranlagte oder Koerpernaehe scheuende Menschen. Aber sehr faszinierend !
Allen fleissigen und weniger fleissigen Blog-Leserinnen und Lesern wuensche ich frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins 2007 !
Besetztes Land
Ich befinde mich auf dem legendaeren Friendship Highway, der von Lhasa nach Katmandu fuehrt. Was fuer ein Unterschied zur bisherigen Fahrt durch Westtibet: eine breite flache Piste, die ab Tingri durchgehend bis nach Lhasa asphaltiert ist. Strom und Handyempfang auf der ganzen Strecke, zahlreiche Ortschaften und Gasthaeuser, der Verkehr wird vor Lhasa ungewoehnlich dicht. Alles wirkt etwas sauberer und aufgeraeumter. Der Highway ist einiges touristischer als die suedliche Kailash-Route. Und ploetzlich strecken Kinder und Tibeter ihre Haende aus, um zu betteln. Anstatt des “Tashi deleh!” hoere ich oefters “Hello, money!”. Biker mit bunten Trikots auf organisierten Touren lassen sich fuer eine Stange Geld ihr Gepaeck von einem Begleitjeep transportieren.
Nachdem ich am Morgen noch den Shishapangma (8’012 m) auf meiner Rechten hatte, kann ich am spaeten Nachmittag zum ersten Mal den hoechsten Berg der Erde, den Mount Everest (8’848 m) bestaunen. Unverkennbar und maechtig ragt die “North Face” im roetlichen Abendlicht. Der Abstecher zum Mount Everest Base Camp erfordert eine Woche mit dem Rad. Das ist mir zu lange. Dank der zahlreichen Jeeptouristen finde ich rasch eine Mitfahrgelegenheit bis zum Rongbuk Gompa, dem hoechstgelegenen Kloster der Erde. Die Spitze des Everest verhuellt sich leider in Wolken. Erst bei Einbruch der Dunkelheit verziehen sich diese, sodass ich den Bergriesen im Mondlicht bewundern kann.
Am Fusse des Mount Everest
Viele Geschichten ranken sich um den hoechsten Berg der Erde, von den Tibetern Chomolungma genannt. Am 29. Mai 1953 erklimmen der Neuseelaender Sir Edmund Hillary und Sherpa Tenzing Norgay als erste Menschen den Gipfel. Die folgenden vier Bergsteiger, die den Gipfel erreichten, waren uebrigens Schweizer (wie auch die Erstbesteiger des nahegelegenen Lhotse, dem vierthoechsten Berg der Erde). Die meisten besteigen den Everest mit Sauerstoffmasken. Ohne derartige Hilfsmittel gelang es 1978 erstmals dem Suedtiroler Reinhold Messner und dem Oesterreicher Peter Habeler. Zwei Jahre spaeter bestieg Messner im Alleingang, ohne Sauerstoffmaske und waehrend der Monsunzeit den Berg, eine der groessten Leistungen in der Geschichte des Bergsteigens.
Der Everest ist zum Spielfeld der Eitelkeiten geworden. Jeder versucht einen neuen Rekord zu schlagen: der juengste Evererst-Summiter, der aelteste, der schnellste, die erste Abfahrt vom Gipfel mit dem Snowboard, die erste Frau, die meisten Besteigungen … Die Tatsache, dass jedes Jahr einige Bergsteiger am Berg verunfallen oder aus Erschoepfung zu Tode erfrieren, scheint die Faszination noch zu steigern. Am Base Camp, dem teuersten Zeltplatz der Erde (50’000 Dollar muessen fuer jede Expedition bestehend aus zehn Bergsteigern hingeblaettert werden …) gedenken viele Steintafeln der Verunfallten.
Kulturschutz auf chinesisch
Auf feinem Asphalt rolle ich weiter nach Lhatse. Ich besuche mehrere kleinere Kloester am Wegesrand, die in den letzten Jahren wieder aufgebaut worden sind. Nach dem gewaltsamen Einmarsch der Chinesen in den 50-er Jahren und der folgenden “Kulturrevolution” sind in Tibet 99 Prozent aller Kloester und Tempel systematisch vollstaendig zerstoert worden. Religioese Vertreter wurden hingerichtet, in Umerziehungslagern eingesperrt und gefoltert. Schaetzungen zufolgen kamen nach der gewaltsamen Besetzung Tibets rund eine Million Menschen ums Leben. In der offiziellen chinesischen Sprachregelung heisst es schamlos von “cultural protection in Tibet” und “peaceful liberation”. Von einer Selbstbestimmung ist in der “Tibet Autonomous Region” kein Hauch zu verspueren. Grundlegende Menschenrechte werden in Tibet nach wie vor missachtet und die letzten Demonstrationen sind stets blutig niedergeschlagen worden. Wen interessierts? Man will schliesslich Peking nicht mit Grundsatzerklaerungen ueber Demokratie in Verlegenheit bringen und auf lukrative Geschaefte verzichten.
Einblicke in tibetisches Klosterleben
Ich treffe in Shigatse ein, der zweitgroessten Stadt Tibets. Waehrend die gigantische Festung in Shigatse, der 1363 erbaute Dzong, bis auf die Grundmauern zerstoert worden ist und nun – wohl mit Hilfe von Disneyworld – in Rekordzeit und unter Missachtung der urspruenglichen Bauweise fuer den im Olympiajahr 2008 zu erwartenden Touristenstrom wieder aufgebaut wird, hat die Klosteranlage in Tashilunpo die Kulturrevolution halbwegs ueberlebt. Tashilunpo ist der Sitz des ehemaligen Panchen Lama, nach dem Dalai Lama die hoechste Autoritaet im tibetischen Buddhismus.
Der derzeitige 11. Panchen Lama ist 1995 – im Alter von 6 Jahren – nur drei Tage nach der Anerkennung durch den derzeitigen 14. Dalai Lama von den Chinesen aus Tibet entfuehrt worden. Sein Verbleib ist unbekannt und er gilt als juengster politischer Gefangener der Welt. Kein Wunder, dass der von der chinesischen Regierung gewaehlte 11. Panchen Lama von den Tibetern verschmaeht wird und in Tempeln nur Bilder des letzten “richtigen” 10. Panchen Lama zu sehen sind.
Von Shigatse aus mache ich einen kleinen Umweg suedoestlich nach Gyantse, dessen als uneinnehmbare Festung 1904 vom Briten Younghusband gestuermt worden ist. Weiter geht es zum heiligen See Yamdrok Tso. Der Weg fuehrt ueber den verschneiten Karo La Pass (5’086 m). Die Strassenarbeiter mit schwarzverschmierten Gesichtern trotzen der Kaelte. Naechstes Jahr wird die Strecke durchgehend asphaltiert sein. Gluecklicherweise klart der bewoelkte Himmel der letzten Tage auf. Der tuerkisblaue See und die schneebeckten Huegel auf der Nordseite sorgen fuer phantastische Lichtstimmungen.
In der verbotenen Stadt
Endlich erreiche ich Lhasa, die Hauptstadt Tibets, bis vor wenigen Jahrzehnten fuer Fremde praktisch unzugaenglich. Trotz Vorwarnungen ist es erschreckend festzustellen, wie wenig tibetisch Lhasa seit der chinesischen Invasion geworden ist. Fast alle tibetischen Quartiere sind durch farblose und kalte Betonbauten ersetzt worden. Noch vor wenigen Jahren ist das historische Quartier vor dem Potala Palast plattgewalzt worden, um dem Potala Square samt chinesischem Monument und der Hauptverkehrsader Platz zu machen. Einzig rund um den heiligsten Tempel Tibets, dem Jokhang, hat sich noch ein Stueck des alten Lhasa erhalten. Hier verbringe ich die meiste Zeit und schaue interessiert den aus aller Ferne hergereisten Pilgern zu, die den Tempel im Uhrzeigersinn umrunden. Viele vollziehen ihre Turnuebungen, indem sie sich den ganzen Tag lang vor dem Haupteingang auf den Boden werfen. Ich besuche die Kloester Sera und Drepung, die der Schulrichtung der Gelupga (“Gelbmuetzen”) angehoeren. In Drepung kann man am Nachmittag den Moenchen und Novizen beim Debattieren zuschauen.
“Happy Juarney”
Fuer etwas Heiterkeit sorgen die Sprachblueten des “Chinglish”, eigenartige Aneinanderreihungen von englischen Worthuelsen wie “Give you memorable feeling how delicious can not forget, special taste” oder “The flavour remains produced meticulous choiceness raw material. Best enjoyment Quality guarantee. Give first choose treasure Agreeable to taste “ (sic), wie sie auf der Verpackung von Biskuits zu lesen sind.
Waehrend meines Aufenthalts in Tibet habe ich keinen Zugang zu den dort lebenden, bzw. arbeitenden Han-Chinesen gefunden. Sie wirken etwas freudlos und zeigen wenig Anpassungsvermoegen. Anders kann ich mir nicht erklaeren, dass selbst bei Minustemperaturen die Tueren ihrer nicht-beheizten kahlen Restaurants sperrangelweit offen sind und das Essen kalt ist, bevor es noch auf den Tisch kommt. Einiges angenehmer sind mir da die tibetischen Gasthaeuser mit gemuetlichen Sitzbaenken und einem Ofen in der Mitte des Raumes, der mit Yakdung angefeuert wird. Eine Chinesin will mir fuer einen Tee (der zum Essen immer gratis serviert wird) 10 Yuan (ca. 1 Euro) abknoepfen. Mir platzt der Kragen ob dieser Frechheit und ich schreie die geldgierige Frau lauthals an. Andererseits muss das Hotelzimmer stets im voraus bezahlt werden, ansonsten man aus dem Tiefschlaf gerissen wird, damit die grimmige Angestellte ihren “Charge Room” eintreiben kann.
Ein duesteres Kapitel in Asien und speziell in China ist die Unsitte der Spuckerei, der unappetitliche Laute vorangehen. Selbst nette Damen verschliessen sich dieser Unart nicht. Ach ja, Deodorants finden in Tibet keine Verwendung; es ist unmoeglich, einen aufzutreiben.
Der laengste Downhill der Erde
Nach einer Woche Aufenthalt in Lhasa nehme ich den Bus zur nepalesischen Grenze und steige bei der Abzweigung zum Shishapangma Base Camp aus, von wo ich hergekommen bin. Ein letzter Doppelpass auf ueber 5’000 Metern ueber Meer steht mir bevor. Trotz klaren Wetters zieht ein starker Gegenwind auf, der mich auf dem letzten Kilometer zum Schieben zwingt. Die Sicht auf die Himalayaberge ist dafuer einzigartig und unbeschreiblich. Und die Aussicht, das mir die laengste Abfahrt der Erde bevorsteht, laesst mich die minus 10 Grad schnell vergessen. Die Abfahrt ist wahnsinnig: in rund 140 Kilometern geht es von knapp 5’200 Metern runter auf 800 Meter. Die Vegetation aendert im Zeitraffer, wird gruener, dichter und abwechslungsreicher.
Der Abschnitt von Nyalam bis zur nepalesischen Grenze ist am steilsten. Nach einem flachen, kurvenreichen Stueck oeffnet sich die Sicht auf die in die Bergflanke gehauene Strasse. Ich komme mir vor wie bei einer Achterbahn vor dem Start. Innert weniger Stunden kriege ich zuerst vereiste Baeche und spaeter dichte Laubwaelder zu sehen. Nach Monaten auf dem tibetischen Hochplateau sehe ich wieder einmal einen richtigen Wald! Die Temperaturen klettern auf 25 Grad. Schicht um Schicht kann ich mich ausziehen. Neuartige Duefte stroemen mir entgegen.
Nach der letzten chinesischen Ortschaft habe ich eine schwindelerregende Sicht auf Kodari, dem Grenzort Nepals, und der Freundschafts-Bruecke. Was fuer ein Wechsel! Buntbekleidete Frauen in Sandalen und einem anmutigen Laecheln. Ein reges chaotisches Treiben herrscht auf der Freundschaftsbruecke. Ich fuehle mich gleich wohl in Nepal. Ich befinde mich bereits im subtropischen Klima Nepals und kann kuerzaermlig Bananen von den Baeumen pfluecken.
In zwei Tagen fahren ich bis zur Hauptstadt Nepals, Katmandu. Die Strasse ist anfaenglich durch Erdrutsche in einem schlechten Zustand, bald fahre ich aber auf Asphalt. Erst nach Stunden merke ich, dass hier Linksverkehr herrscht. Ich lasse all die neuen Eindruecke auf mich wirken. In Katmandu treffe ich auf Stephane, mit dem ich von Kashgar aus zusammen losgezogen bin. Ich quartiere mich im Touristenghetto Thamel ein, das ganz auf die Beduerfnisse der Trekkingtouristen ausgerichtet ist: Trekkingshops, Reiseagenturen, gute Restaurants und Baeckereien, bestens ausgestattete Buecherlaeden und Souvenirhops. Die Sehenswuerdigkeiten heissen hier “La Dolce Vita”, “Fire and Ice” und “Tom und Jerry”. Man kann in Thamel keinen Meter laufen, ohne dass Sprueche wie “Rikshaw, ok?”, “Haschisch, ok?” oder “Tiger Balm, ok?” auf einen niederprasseln. Natuerlich sehe ich mir die hinduistischen Bauten an, allen voran den Monkey Temple und Pashupatinath, die Kremationsstaette der Hinduisten.
Eindruecke aus dem indischen Subkontinent
Die folgenden Links fuehren zu den letzten Bildern aus Tibet, Nepal und Indien:
Bildergalerie “Tibet-Indien”
Bildergalerie “Iran – Zentralasien”
Bildergalerie “Schweiz – Tuerkei”
Auf Pilgerschaft in der tibetischen Weite
Der Abstecher zum Guge Kingdom ueber zwei 5’000-er Paesse und Sandpisten war, wie ich bereits vor laengerer Zeit berichtet habe, anstrengend aber lohnend. Das ist nur die halbe Miete: Die Fahrt vom Sutley Tal (ca. 3’800 m) rauf zum Highway 219 ist einiges muehsamer. Die wunderschoen erodierten Bergflanken hinterlassen Spuren in Form von Sand: das Material, aus dem die Piste besteht. Schieben, Stossen und Ziehen ist angesagt, zwischendurch eingenebelt vom aufgewirbelten Sand der Jeeps. Am ersten Tag schaffe ich gerade 20 Km, am zweiten immerhin schon 40. Die Zeltplaetze mit einer atemberaubenden Sicht auf die weisse Himalayakette im Hintergrund entschaedigen fuer die Strapazen. Am dritten Tag moechte ich den Highway 219 erreichen. Erst am spaeten Nachmittag sehe ich die Gebetsfahnen auf den dritten Pass des Tages, 5’170 Meter. Der Vollmond ist soeben aufgegangen und kontrastiert zum blaeulich-violett gefaerbten Himmel. Kaelte und Wind hindern mich nicht, das Mini-Stativ rauszunehmen und die Lichtstimmung einzufangen.
Moonlight Shadow
Ans Zelten ist zu dieser spaeten Stunde nicht mehr zu denken. Die 15 Kilometer Abfahrt und 700 Hoehenmeter bis Songsha schaffe ich locker, denke ich mir. Es dunkelt rasch ein und wie ein Gejagter fahre ich im Vollmondschein einsam auf der steinigen und holprigen Piste, darauf bedacht, nicht von der Fahrbahn zu geraten. Die Blicke runter in die endlose Weite sind furchteinfloessend. Von weitem sehe ich bereits die Lichter der Ortschaft, doch es ist noch ein weiter Weg. Endlich in der Talebene angekommen, gilt es einen Fluss zu ueberqueren. Das Gebell der Hunde am anderen Ufer spornt mich nicht unbedingt an. Um zehn Uhr abends erreiche ich muede Songsha, eine Militaerbasis mit einigen einfachen Gasthaeusern.
Es ist nicht mehr weit bis zum Berg Kailash, dem heiligsten Berg der Erde. Zuvor mache ich bei Moincer einen kleinen Abstecher zu den heiligen heissen Quellen in Tirthapuri. Ein kleiner Huegel ist geschmueckt mit lungta (Gebetsfahnen), Mani-Steinmauern und Stupas. Stupas (auf tibetisch Choerten) begegnet man im lamaistisch gepraegten Tibet ueberall. Als Symbole fuer den Geist Buddhas werden diese Monumente vereehrt und rituell umwandelt. Die Chinesen verstehen es uebrigens ausgezeichnet, die heiligen Orte der Tibeter zu verunstalten: mitten durch die heiligen Quellen sind Strommasten und ein Kanal (fuer ein Thermalbad) verlegt worden.
Von Moincer ist der Kailash eine Tagesetappe emtfernt. Bereits von weitem sehe ich rechterhand den suedlich des heiligen Manasarovar-Sees gelegenen Gurla Mandhata (7728 m). In der Abendsonne stehe ich schliesslich vor dem “Eisberg-Juwel”, von Bildern bestens bekannt. Ich bin ueberwaeltigt, ein grosses Etappenziel nach 242 Tagen und 13’776 Km erreicht zu haben. Ein Traum ist Wirklichkeit geworden: mit dem “Kanggari” aus eigener Kraft nach Tibet und zum Kailash zu radeln. Vor dem Start hatte ich zugegebenermassen ein mulmiges Gefuehl beim Gedanken, alleine durch Laender wie Serbien, Iran oder Tadjikistan zu reisen. Jetzt weiss ich, dass dort freundliche, hilfsbereite und gastfreundliche Leute leben.
Ich denke zurueck an meinen Start im Februar mit Ruth, an die schweisstreibenden Paesse, an die taeglichen herzerfrischenden Begegnungen mit Einheimischen und das verzerrte Bild, das wir in Europa leider von den Muslimen haben. Ich darf mich gluecklich waehnen, taeglich gegen Kaelte, Schnee, Regen, Hitze, Wind und Steigungen gekaempft zu haben. Andere kaempfen ums Ueberleben. Tausend Gruende haette man aufzaehlen koennen, welche gegen meine Reise sprechen. Einer alleine ist ausreichend, um aufzubrechen. Bis zum Sonnenuntergang bleibe ich am Strassenrand stehen und bewundere zufrieden die Suedseite des Kailash.
Nach einer letzten Flussfurt treffe ich in Darchen, dem Ausgangspunkt fuer die Pilger-Umrundung des Kailash, auf tibetisch Kang Rinpoche ein. An die kleinen Ortschaften in Westtibet, in denen ueberall ein bisschen Abfall herumliegt und sich jede Hauswand als Zielscheibe fuer eine Pinkeleinheit eignet, habe ich mich bereits gewoehnt. Doch Darchen uebertrifft alles. Abfallberge und Kot ueberall. Der Ort scheint von einer Kolonie streunender Hunden belagert zu sein. Der vom Kailash fliessende Bach, von einer voellig unnuetzen Staumauer unterbrochen (wieder eine dieser chinesischen Glanzleistungen), ist mit Verpackungsmaterial uebersaet. Die chinesischen Betonbauten tun ihr Uebriges, um dem Dorf den verbliebenen Charme zu rauben. Schade, dass selbst die Tibeter diesem heiligen Ort nicht die gebuehrende Achtung entgegenbringen.
Om mani padme hum
Am naechsten Morgen breche ich mit einem randvollen Rucksack auf. Der Weg wird von Gebetsfahnen, Steinen mit eingravierten Mantras, Stupas und Red-Bull Buechsen gesaeumt. Die Umrundung des ganzjaehrig schneebedeckten Kailash (6’714 m) bedeutet fuer den tibetischen Glaeubigen eine Fahrt in das heilige Zentrum der Welt. Der Kailash gilt fuer Anhaenger des Buddhismus, Hindusmuis, Boen und Jain als einer der bedeutendsten spirituellen Orte. In seiner Naehe entspringen zudem vier grosse Fluesse des suedasiatischen Raumes (Indus, Brahmaputra, Sutley, Karnali).
Der 55 km lange aeussere Weg ueberwindet den anstrengenden 5’723 hohen Dolma La Pass. Mal folge ich einer Familie, die mit einem Schimmel unterwegs ist, mal einer Yakherde. Einmal werde ich von tibetischen Pilgern aus Chamdo begleitet. Beim Dolma La werfen sie farbige Papierzettel, mit dem Windpferd und den vier Tieren der Himmelsrichtungen bedruckt, in die Luft. Ich treffe auf Touristengrupen, auf besonders fromme Pilger, die den Kailash durch Niederwerfungen umrunden und fuer eine solche Prostrationsumrundung rund zwei Wochen benoetigen. Es begegnen mir wenige Boen, Anhaenger der vorbuddhistischen Glaubensrichtung, die den Berg im Gegenuhrzeigersinn umrunden.
Ich bin – wieder einmal – viel zu schwer unterwegs. Es finden sich Verpflegungszelte und an den zwei Uebernachtungsorten sogar Gasthaeuser. Die Chinesen sorgen dafuer, dass an der herrlichen Nordwand des Kailash, gegenueber einem einsam gelegenen Kloster ein neuer Betonkomplex gebaut wird. Schliesslich erwartet man viele Touristen fuer das Olympiajahr 2008. Der Kailash ist fuer die Chinesen nichts anderes als eine Touristenattraktion. Ein 40-jaehriger Japaner, zum vierten Mal am Kailash innert 12 Jahren, ist einfach “very sad”. Es habe sich in den letzten Jahren einiges geandert. Beim ersten Mal habe es ausser den beiden Kloestern keine einzige Verpflegungs- und Uebernachtungsmoeglichkeit gegeben. Aber die Nordwand des Kailash, die sei noch wie vor erhaben und wunderschoen.
Die Wahl der Qual
Nach der dreitaegigen Umrundung begebe ich mich zum nahe gelegenen heiligen See Manasarovar und besuche das Kloster Chiu. Die heissen Quellen hier lassen meine mueden Beine wieder zum Leben erwecken. Ich setzte meine Fahrt ostwaerts weiter. Es erwartet mich eine ueble Waschbrett-Piste. Ich kann zwischen der gewellten Schotterpiste des “Highway” und den sandigen Parallelrouten aussuchen. Fuer 60 km strample ich mich satte sieben Stunden ab. Jede Geschwindigkeit ueber 10 km/h bedeutet Rasen. Oefters ziehen gegen Mittag Wolken auf und die Temperaturen sinken gegen die Nullgradgrenze. Die Nachmittagswinde runden das Fahrvergnuegen ab.
In Horchu, wo die Umrundung fuer den heiligen See Manasarovar startet, stosse ich auf einen russischen Radfahrer. Er und sein Kollege haben sich in Urumqi Fahrraeder gekauft und sind auf den Xinjiang-Tibet-Highway gestartet. Seinen lieben Freund hat er in Ali zurueckgelassen, als dessen Rad zu kraenkeln begann. Immerhin war er so freundlich, ihm Gewicht abzunehmen, indem er das einzige Zelt mitgenommen hat. Kocher fuehren sie keinen mit, wozu auch. Seit drei Tagen sitzt Gregori, man hoere und staune, von Beruf Geo-Reisejournalist, in einem Truckstopp ausserhalb Horchu fest (und dabei das Dorfzentrum nicht entdeckt). Drei Speichen sind gebrochen, entsprechendes Werkzeug hat er natuerlich nicht dabei. Ein Stein faellt ihm vom Herzen, als er mich erblickt. Wir ersetzen die Speichen, doch die Felge ist total verbogen und streift den Rahmen. Also zentriere ich ihm waehrend einer Stunde die Felge. Auf Wunsch hin stelle ich ihm die Schaltung ein und spendiere ihm noch Kettenoel. Er schlaegt mir vor, ein paar Tage zusammen zu fahren. Wehret den Anfaengen! Ich bin ehrlich und mache ihm klar, dass ich ganz alleine weiterfahren moechte.
Ich komme in Paryang an, einer tibetische Siedlung mit wenigen Guesthouses und einigen mutigen Han-Chinesen, die hier ihr wirtschaftliches Glueck versuchen, indem sie westliche Jeep-Touristen mit ueberrissenen Preisen und unpraezisen, mittelalterlichen Waagen auszunehmen versuchen. Am naechsten Morgen nehme ich mein Morgenessen zu mir ein, doch der uebliche Appetit fehlt mir. Vielleicht liegt es am stechenden Husten, der mich seit einigen Tagen plagt. Ich schwitze, meine Beine zittern. Mein Koerper will sich offenbar heute nicht fortbewegen. Ich gehe zurueck ins Guesthouse und bleibe den ganzen Tag im Bett liegen.
Die Landschaft wird zunehmend sandiger und trockener. Die riesigen Sandduenen sind das Resultat der Himalayakette, welche die Regenmassen aus dem indischen Subkontinent abschirmt. Trotz Anstrengung und Langsamkeit ist die Fahrt durch das tibetische Hochplateau eindruecklich. In der Weite erblicke ich Gazellen, scheue rot-weisse Wildesel (Kiang) fliehen vor mir, Murmeltiere springen von Loch zu Loch.
Kurz vor dem Mayum La Pass (5’225 m) kann ich bei tibetischen Nomaden uebernachten. Ein anderes Mal schlage ich mein Zelt neben dem tibetischen aus dunkler Yakwolle auf und verbringe den Abend mit einer freundlichen Familie. Wir sitzen alle um den kleinen Ofen. Die Mutter feuert mit Yakdung. Anderes Brennmaterial existiert hier in der baumlosen Landschaft nicht. Die Familie fuehrt ein hartes, entbehrungsreiches Leben. Jeglicher Luxus, ausser derjenige der Zeit, fehlt hier. Die Tochter, welche zur Ziegenherde schaut, kommt erst nach Einbruch der Dunkelheit zurueck. Ich kaufe ihr die selbstgestrickten Wollsocken ab. Die Nahrung besteht hauptsaechlich aus Tsampa (Gerstenmehl und Yakbuttertee, die mit der Hand zu einem Brei geknetet werden). Yakfleisch, Kohl und Kartoffeln gibt es nur selten.
Vor New Zonghba, einer haesslichen chinesischen Retortensiedlung, werde ich von einem Schneesturm ueberrascht. In der Dunkelheit fahre ich mit der Stirnlampe weiter, die Lichter der Ortschaft zeigen mir die Richtung an. Der Pass Sing La (4925 m) fordert mich; ich kann wieder einen Durchfall beklagen. Ein Fuchs stattet mir in der verschneiten Nacht einen Besuch ab und schaut mir geradewegs in die Augen, als ich nach draussen blicke. Endlich erreiche ich die groessere Ortschaft Saga, wo ich die Kailash-Route suedoestlich Richtung Paiko-Tso See verlasse. Kurz nach Saga stosse ich auf Silvio Giroud aus Freiburg, den ich spaeter in Katmandu wieder treffen werde. Nochmals geniesse ich die Weite Westtibets, atemberaubende Blicke auf den Shishapangma (8’012 m) und die umliegenden Berge, bis ich den Friendship Highway (Lhasa-Katmandu) erreiche. Jetzt faengt der Urlaub an!
Liestal – Lhasa: 15’265 km
Nun habe ich endlich Lhasa, die Hauptstadt Tibets erreicht. Nach 15’625 Kilometern und neun Monaten stehe ich vor dem beeindruckenden Potala Palast, einem Meisterwerk der Architektur und Wahrzeichen Tibets. Ein grosser Moment. Zugleich endet meine wunderbare, wenngleich manchmal nervenaufreibende Treterei in Tibet nach ueber 9 Wochen.
Hier in Lhasa herrschen tagsueber angenehme Temperaturen bis ca. 20 Grad. Anders war es vor einigen Tagen auf dem vorletzten Paess ueber 5’000 Metern. Tief verschneit und eiskalt. Umso mehr geniesse ich jetzt in einem ganz italienischen Cafe bei einem guten Espresso die Stimmung rund um den Jokhang, dem heiligsten Tempel Tibets. Und fuer die italienische Gesellschaft sorgt Isabella, eine Mitarbeiterin einer NGO, die mich bereits mit ihren Kollegen in Dushanbe (Tadjikistan) beherbergt hatte.
In den naechsten Tagen werde ich ausfuehrliche Berichte ueber die Fahrt suedlich des Kailash bis nach Saga und dem See Paiko Tso sowie ueber den touristischen Friendship Highway einschliesslich den Abstechern zum Everest Base Camp sowie zum heiligen See Yamdrok Tso nachliefern. Ich ruhe mich jetzt einige Tage aus, werde die Gelbmuetzen-Kloester rund um Lhasa besichtigen und hoffe, eine Fahrt bis zur nepalesischen Grenze organisieren zu koennen, um nicht den Friendship Highway nochmals radeln zu muessen.
A presto !
Kailash – der heiligste Berg der Erde
Trash’ih-deleh ! Hallo zusammen. Wie versprochen melde ich mich aus Saga, einer tibetischen Kleinstadt, die durch die chinesischen Staedteplaner verunstaltet worden ist. Immerhin finden sich hier Laeden mit einer guten Auswahl und ich konnte mich, meine Kleider und mein Reisegefaehrt wieder einer ordentlichen Waesche unterziehen. Und meinen x-ten Durchfall mit Basler Chemie behandeln.
Das einzige Internet-Cafe mit langsamer Verbindung wird bereits am fruehen Nachmittag von den jungen Soldaten bis spaetnachts belagert. Ich halte mich deswegen kurz und werde mich spaeter aus Shigatse oder Lhasa mit einem ausfuehrlichen Bericht melden.
Nach dem Abstecher in das Koenigreich Guge habe ich unter Freudentraenen mein grosses Pilgerziel erreicht: den Berg Kailash oder Kang Rinpoche (auf tibetisch). Die dreitaegige Umrundung des 6’714 Meter hohen “Eisberg-Juwelen” – die Kora – war eindruecklich, wenngleich manchmal der Unrat am Wegesrand keine heiligen Gefuehle aufkommen liess. Ein Besuch des heiligen Sees Manasarovar und der heiligen Quellen in Thirthapuri machte die Pilgerfahrt vollkommen.
Nach Darchen, dem Ausgangspunkt fuer die Kora, wandelte sich der Highway G219 zu einem Waschbrett-Highway, welche meine Geduld arg auf die Probe stellte. Die weite tibetische Landschaft, die Begegnungen mit Nomaden und die – im Unterschied zu der unzugaenglichen Mentalitaet der Han-Chinesen – Freundlichkeit der Tibeter entschaedigen fuer die Strapazen. Die Temperaturen sind in den letzten Wochen merklich gesunken, viele kleinere Baeche und Tuempel bereits zugefroren. Naechtlicher Schneefall keine Seltenheit mehr.
Ich werde kurz nach Saga den Highway G 219 verlassen, den Fluss Brahmaputra ueberqueren und eine “Abkuerzung” zum Friendship Highway (Lhasa-Katmandu) nehmen, um das Mount Everest Base Camp zu erreichen. Von dort geht es dann den Friendship Highway oestlich nach Lhatse, Shigatse und schliesslich Lhasa.
Bis bald ! Herzlich
Euer Maurizio
Abstecher zum Koenigreich Guge
Bereits frueher als erwartet melde ich mich aus dem fernen Tibet zurueck. Zur Zeit befinde ich mich in Tielong (Zhada), ca. 200 Kilometer suedlich von Ali (Shiquanhe). Wieder eine dieser Kleinstaedte im Niemandsland mit vielen Annehmlichkeiten einschliesslich Internet. Tielong ist das Sprungbrett fuer Besichtigungen der 20 km nahen Ruinen des Koenigreiches Guge. Dementsprechend sind viele auslaendische wie auch chinesische Touristen hier anzutreffen.
Nach drei Ruhetagen in Ali schwinge ich mich mit etwas schweren Beinen wieder auf den Sattel. Keine Ueberraschung, aber trotzdem eine willkommene Abwechslung: die ersten 80 Kilometer nach Ali sind seit einigen Jahren asphaltiert. Kurz vor der tibetischen Ortschaft Namru, wo ich mein erstes Tsampa verspeise, verlasse ich also den Highway 219 und wechsle auf eine holprige und steinige Piste rauf zu einem Pass von 5’325 M.ue.M, gefolgt von einem zweiten, den Ayi La (5’395 M.ue.M.). Die ueber 1’000 Meter Hoehendifferenz auf einer mehr schlechten als rechten Piste wollen erkaempft werden. Zwischendurch kann ich bei einer tibetischen Frau herrlich warme Wollsocken kaufen, die ich fuer die kuehlen Naechte, in denen das Wasser in den Trinkflaschen regelmaessig einfriert, dringend brauche. Die Fahrt durch das sandige Flussbett des Sutley Flusses, wo mir mein Velo staendig auszurutschen droht, ist lohnenswert. Ich radle durch eine bezaubernde Landschaft, umgeben von verwitterten und verwaschenen Berghaengen, eine Mischung aus Kappadokien und dem Grand Canyon.
Hier im Sutley-Tal, nahe Tsaparang, koennen die Ueberreste des Guge Koenigreiches besichtigt werden. Guge, in einem Seitental des suedwestlich verlaufenden Brahmaputra Flusses liegend, verdankte seinen Reichtum – wie die Koenigreiche Ladakh und Purang – dem Handel zwischen Tibet und dem indischen Subkontinent. Das Reich unterlag im 17. Jahrhundert Ladakh und zerfiel. Die Festung, die auf einem Felsen thront, wurde im Zuge der chinesischen Kulturrevolution arg zerstoert. Etliche Buddha-Statuten wurden vernichtet. Einzig die aus kunstgeschichtlicher Warte aussergewoehnlichen Wandmalereien haben die Verwuestungen einigermassen unbeschadet ueberlebt.
Auf dem Xinjiang-Tibet Highway
Es scheint schon fast zur Gewohnheit geworden zu sein, dass ich mir in Grossstaedten Magenprobleme einfange. Und so muss ich in Kashgar wieder einmal einen heftigen Durchfall mit Antibiotika behandeln. Die fuenf Tage verfliegen im Nu und wir zehn Radler im Chini Bagh Hotel haben alle Haende voll zu tun. Ich unterziehe meinen Drahtesel einer Rosskur und kann rund sieben Kilo “abspecken”, um so leicht wie moeglich unterwegs zu sein. Am 5. September starten wir alle gemeinsam, die meisten Richtung Tibet, wobei die zwei belgisch-hollaendischen Radlerpaare einen Bus nehmen, um sich den Weg am Rand der Taklamakan-Wueste zu ersparen.
Ich starte mit Stephane aus dem Welschland, der sich sein Velo nach Bishkek hat schicken lassen und vom Backpacker zum Tourenfahrer “aufgestiegen” ist. Dank gutem Asphalt spulen wir in den ersten zweieinhalb Tagen ueber 240 Kilometer ab. Die staubige und diesige Luft sorgt fuer eine vernebelte Stimmung auf den langen Pappelalleen. Die Truckfahrer, die konstant auf die ohrenbetaeubende Hupe druecken, nerven. Wir ueberholen zahlreiche Eselskarren und geniessen die Fahrt durch kleinere und groessere Ortschaften mit lebhaftem Markttreiben.
Nach Yecheng biegt eine Nebenstrasse in den Xinjiang-Tibet-Highway, der G 219, ein. Wer in diese Strasse einbiegt, hat nur ein Ziel: Tibet. Der Xinjiang-Tibet-Highway ist eine der haertesten Radstrecken. Er streift die Taklamakan-Wueste, fuehrt durch das Kunlun-Shan-Gebirge und das Aksai Chin-Plateau mit Paessen ueber 5’000 Metern, passiert die Hauptstadt von Westtibet, Ali, um den heiligen Berg Kailash (Kang Rinpoche) und den heiligen See Manasarovar zu erreichen und schliesslich auf den Friendship Highway (Lhasa-Katmandu) zu stossen. Von Kashgar bis Lhasa erwarten dem unermuedlichen Tourenfahrer 2’884 Kilometer, zumeist auf Wellblechpisten, Schotter und Sand, begleitet von heftigen Nachmittagswinden und kalten Naechten.
Es gilt vorsichtig zu sein, denn in Yecheng ist die bei Radlern gefuerchtete P.S.B (Police Security Bureau) anwesend, die Velofahrer davon abzuhalten versucht, auf die G 219 abzubiegen. Fuer Reisen durch das von China annektierte “Autonome Region Tibets” ist ein zusaetzliches Permit erforderlich, das man nur in Lhasa, nicht aber in Kashgar erhaelt. Zudem wird dieses Permit nur organisierten Gruppen mit chinesischem Fuehrer gewaehrt, nicht jedoch Individualtouristen. Und so muss man halt illegal durch Tibet reisen und vor der P.S.B auf der Hut sein. Kaum in Yecheng angekommen, ueberholt uns ein Streifenwagen in langsamer Fahrt und mustert Stephan und mich aus. Sie halten vor uns. Nun ja nicht anhalten ! Wir gruessen die Polizisten freundlich mit einem “Ni hao” und fahren unbeirrt weiter. Sie verfolgen uns noch eine Weile, doch bald lassen sie zum Glueck von uns ab. Nun wie nichts auf die G 219 und strampeln, was die Beine herhalten. Bald schon weicht die geteerte Strasse einer Schotterpiste, die sich zum 3’300 Meter hohen Kudie-Pass hinaufschlaengelt, einer Aufwaermuebung fuer die folgenden Paesse und der einzige 3’000-er Pass auf der ganzen Strecke. In Kudie passieren wir problemos einen Militaer-Checkpoint.
Von knapp 3’000 M.ue.M. klettern wir nun waehrend rund 50 Kilometern rauf zum Chiragsaldi La auf 4’980 M.ue.M. Die Anstrengung ist gross. Stephane muss sein Fahrrad mit Anhaenger auf den letzten Kilometern schieben, die Rosinen bekommen ihm nicht Wohl. Der Hoehenunterschied ist gewaltig und ich verspuere Kopfweh. Um nicht hoehenkrank zu werden, steigen wir schnell vom Pass ab, wo die Temperaturen auf den Gefrierpunkt gesunken sind. In holpriger Fahrt, in der uns die Haende einschlafen und fast einfrieren, brettern wir runter nach Mazar (3’800 M.ue.M.), einem Truckstopp. Wir lernen diese aneinandergereihten Baracken, wo man feine chinesische Nudeln serviert erhaelt und Biskuits zu ueberteuerten Preisen einkaufen kann, schaetzen. Jedes Restaurant bietet ein einfaches Dormitory, wo man sich zusammen mit den umherirrenden Maeusen breitmachen kann. Am Morgen lassen wir uns nochmals Nudeln kochen. Stephane, vermeintlicher Schnellesser, ist erstaunt, als ich meinen Teller, begleitet von einer Packung Milk-Cookies, innert Minuten leergefegt habe.
Wir nehmen uns einen “gemuetlichen” Tag von nur 50 Kilometern bis zum Beginn des naechsten Passes vor. Wellblech, Schotter und Bachueberquerungen bremsen uns ein, sodass wir ueber fuenf Stunden unterwegs sind. Wir kommen bei einem uyghurischen Strassenunterhalt-Camp unter, wo wir am Morgen zusammen mit der ganzen Mannschaft eine leckere Nudelsuppe essen. Die naechste Huerde, der Kirgizjangal Pass (4’955 M.ue.M) steht uns bevor. Mittlerweile sind wir gut akklimatisiert, sodass wir uns ohne Beschwerden den Pass hinaufkaempfen koennen. Ich klettere zu Fuss noch auf einen Huegel, wo ich eine atemberaubende Sicht auf das Kunlun-Shan Gebirge geniessen kann. Bis zum naechsten Truckstopp, Xaidulla, zehrt die sandige Waschbrettpiste an unseren Nerven. Wir sinken im Sand ein und kippen gelegentlich um, waehrend uns die Konvois der Militaerlastwagen einnebeln. Aus Wut bewirft Stephane irgendwann seinen Goeppel mit einem Stein.
Heather, eine englische 37-jaehrige Radfahrerin, gesellt sich fuer einen Tag zu uns. Das Wetter schlaegt um und von hinten naehert sich uns ein bedrohlicher Sandsturm. Heather ist ganz aufgeregt: “Oh, that’s exciting, that’s like in the films with the tornados. Don’t look behind! Just keep on cycling” Wir schaffen es gerade noch, unsere Zelte an einem einigermassen windgeschuetzten Ort aufzustellen. In der Nacht faengt es an zu schneien, sodass am Morgen unsere Behausungen und die umliegende Landschaft sich in einem weissen Kleid zeigen. Die schrille und aufgedrehte Heather faengt in ihrem japanischen Mini-Zelt an, Weihnachtslieder zu singen. Stephane und ich verabschieden uns von Heather und machen uns auf den Weg Richtung Khitai Pass (5’190 M.ue.M), dem bis anhin hoechsten Punkt auf meiner Reise. Hier faengt auch das umstrittene Aksai Chin Plateau an, von China verwaltet und von indischer Seite beansprucht. Eine der weltweit hoechsten Strassen auf ueber 5’000 Metern fuehrt waehrend rund 100 Kilometern durch diese strategisch wichtige Ebene im Nordosten Ladakhs.
Wir stossen auf das belgisch-hollaendische Quartett. Das Fahren in der Gruppe behagt mir nicht. Ich moechte meine Fahrt nach Tibet alleine geniessen. Stephane, der auf seiner ersten Velotour ueberhaupt unterwegs ist, beklagt sich ueber starke Nackenschmerzen und wird einige Tage spaeter auf einen Truck umsteigen. Ich verabschiede mich von allen und mache erst spaetabends Halt. Nach dem Satsum La (5’350 M.ue.M.) durchquere ich – 12’898 Kilometer nach meinem Start im Februar – die Grenze zu Tibet. Ab jetzt bin ich definitiv illegal unterwegs! Die Landschaft mit den weissen Schneebergen und den gelb-gruenen Huegeln wirkt bereits sehr tibetisch. Der hoechste Pass auf meiner Strecke steht mir bevor, der Qieshan La mit 5’400 M.ue.M., wo nur halb soviel Sauerstoff wie auf Meereshoehe eingeatmet werden kann. Bei der Abfahrt werde ich von Graupelregen ueberrascht. Ich beschliesse, da es erst vier Uhr nachmittags ist, noch weiterzuradeln. Gluecklicherweise klart dann der Himmel etwas auf und die Sonne beleuchtet die frisch verschneiten Huegel.
Die Strassen sind nach wie vor in einem schlechten Zustand. In Domar, der ersten tibetischen Siedlung, kann ich mich nach Tagen wieder mit warmem Wasser waschen. Ein sandiger Abschnitt entlang einem Salzsee nagt an meinen Kraeften. Weiter geht es dem Pangong Tso, einem See auf 4’250 Hoehe, entlang. Als ich in einem kleinen Fischrestaurant frischen Fisch in allen Variationen verspeise und sich die Abendsonne ueber den tiefblauen See mit den bunten Fischerbooten legt, fuehle ich mich ein klein wenig wie in der Costa Azzurra. In Rutok, eine von den Chinesen aus dem Boden gestampfte Kleinstadt treffe ich auf das belgische Radfahrerpaar Polle und Els. In Rutok ist wegen der Anwesenheit des P.S.B. Vorsicht angebracht. Die Luft scheint rein zu sein. Wir essen gemeinsam in einem Restaurant einen Teller Nudeln. Welch ein Schreck: als wir aufbrechen wollen, taucht ein Beamter in seiner unverkennbaren dunkelblauen Uniform auf, trinkt einen Tee und nimmt das Handy zur Hand. Oh nein, denken wir. Doch es passiert nichts. Wir begruessen ihn freundlich und verziehen uns rasch.
Die Strecke zwischen Rutok und Ali, der Hauptstadt von Westtibet (Ngari) scheint nach den Berichten anderer Velofahrer die uebelste Waschbrettpiste des ganzen Highway zu sein. Ich finde hier aber auf den ganzen 120 Kilometer eine Grossbaustelle vor und kann auf einer flachen, zehn Meter breiten Piste rollen, die wohl schon bald asphaltiert sein duerfte. Die unzaehligen tibetischen Arbeiterinnen und Arbeiter mit Mundschutz, die muehsam von Hand Steine meisseln und Schutzwaende und -daemme errichten, stehen im eigenartigen Widerspruch zu den schweren Caterpillar und Komatsu Baggern.
Als ich von einer Anhoehe endlich die Stadt Ali (Shiquane) erblicke, muss ich an einen Radler aus Dushanbe denken, der in gut schweizerischem Akzent ueber die Fahrt durch Tibet meinte: “And daad was joeschd so wontrfool!”. Ich denke mir nur: “That is just so crazy!”. Nach ueber 1’300 Kilometern durch einsame Wuesten, Hochgebirgen und -ebenen inmitten des Niemandslandes eine richtige Stadt mit Hochhauesern, voller Geschaefte, Restaurants und Taxis. Die Tibeter hier in Ali scheinen recht chinesisch zu wirken und dem Stadtleben nicht abgeneigt zu sein.
Es mag unlogsich klingen, doch in Ali begebe ich mich schnurstracks zum P.S.B. und stelle mich freiwillig. Vor fuenf Polizeibeamten der “Entry and Exit Administration” werde ich zu meiner bisherigen Fahrt verhoert. Ich gebe zu, durch Sumxi, Domar und Rutok gefahren zu sein, welche fuer Auslaender gesperrt sind und somit chinesisches Recht gebrochen zu haben. Die Sanktionen reichen von der Konfiskation des Velos, der Kuerzung der Visadauer, der Rueckweisung bis zur Busse. Ich werde mit 300 Yuan (ca. 45 Franken) gebuesst, werde auf das Rechtsmittel hingewiesen und erhalte fuer 50 Yuan das begehrte “Alien Travel Permit” fuer die Weiterfahrt zum Mt. Kailash und dem Guge Kingdom. In Ali scheint man einen modus vivendi im Umgang mit den “Gesetzesbrechern” gefunden zu haben. Sie nach Kashgar zurueckzuschicken, waere unverhaeltnismaessig. Also buesst man sie und laesst sie weiterziehen. Die Stimmung ist im Uebrigen auesserst freundlich und man gibt sich besorgt ueber moegliche Schneefaelle im Oktober.
Abends treffe ich mich der ganzen Schar der Velofahrer einschliesslich Stephane. In einer kitschigen tibetischen Disco froehnen wir dem Laster, kippen reichlich “Lhasa Beer, the beer of the roof of the world”, gehen mangels Toiletten ab und zu nach draussen, um auf die Strasse zu pinkeln und lassen das Tanzbein schwingen.
Bildergalerie
Beim letzten Bericht hat der Link zu den Bildergalerien nicht ganz geklappt. Hier gehts nun zu den Bildern vom Iran und denen von Zentralasien. Der Vollstaendigkeit halber die erste Bildergalerie. Hier (anklicken) kann ein Video angeschaut werden, das ich mit meiner Handykamera von der Fahrt nach Kashgar gedreht habe.Viel Spass und bis in etwa drei Wochen aus Saga.
Zwischen zwei Welten
Nach dem Ruhetag in Sary-Tash kann ich einigermassen gestaerkt meine Reise nach Osh fortsetzen. Obschon die Reise von rund 3’000 runter auf 1’000 Metern ueber Meer auf den ersten Blick entspannend toent, daempfen der Taldyk-Pass (3’610 M.ue.M) sowie der starke Gegenwind die Stimmung. In Osh herrschen sommerliche Temperaturen um 30 Grad und ich geniesse nach langer Zeit wieder die Vielfalt an Fruechten und Gemuesen. In Osh, das im usbekisch besiedelten Fergana Tal liegt, sieht man viel mehr schwarze usbekische Huete als die kirgisischen Kalpaks. Zusammen mit zwei Franzosen klappere ich die besten Restaurants ab und esse mich drei Tage lang voll. Wohlernaehrt und mit meinen Packtaschen voller Kalpaks, die es hier im Bazar guenstig zu ergattern gibt, suche ich einen Jeep, um den Weg nach Sary Tash nicht nochmals radeln zu muessen. Rachim, unterwegs mit seiner betagten russischen Volga, macht mir einen guten Preis. Wir verabreden uns am naechsten Tag um acht Uhr. Die Fahrt werde fuenf Stunden dauern und es habe nur fuer vier Passagiere Platz.
Bis wir tags darauf starten koennen, vergeht eine Ewigkeit. Rachim muss zuerst noch seine Laghman essen. Nach nur 500 Metern steht der Wagen still. Kein Benzin. Rachim muss zu Fuss einige Flaschen Benzin auftreiben. Dann biegt er in eine Nebengasse ein. Ich kann gerade noch verhindern, dass er zwei schwere Kisten mit Tomaten auf meinem Velo ablaedt. Seine Frau und die beiden Kinder steigen ein und ploetzlich finde ich mich eingepfercht auf dem Hintersitz mit vier anderen Passagieren. Ausgangs Osh haelt uns ein Polizist an. Rachim steigt schnell aus und bezahlt “ordnungsgemaess” den Bakschisch von 10 Som. Endlich kann es – gegen 11 Uhr – losgehen. Doch bereits beim ersten Bach haelt er an, um seine “machina” abzukuehlen und mit Wasser zu begiessen. Genau 14 Mal wird er in den naechsten 180 Kilometern anhalten, um frisches Kuehlwasser zu schoepfen. Um sechs Uhr abends treffen wir endlich in Sary Tash an. Ich komme mir vor, als waere ich hierhin geradelt. Ich mache Rachim klar, dass er die versprochene Leistung nicht vollumfaenglich erbracht hat und fordere einen Preisabschlag. Nur nach hitzigem minutenlangen diskutieren gewaehrt er mir zehn Prozent.
Am kirgisch-chinesischen Zoll uebernachte ich im einzigen Hotel. Etliche Lastwagen warten bereits vor dem chinesischen Zoll, der ueber das Wochende geschlossen hat. Es trieft nur vor Dreck. Ueberall liegt Altmetall herum, in der Naehe des Flusses verunziert Kot die Gegend. Am Morgen vergeude ich die Zeit mit der Suche nach einer CD mit dem kirgisisch-russischen Gassenhauer “jorni glasar” (schwarze Augen). Ich treffe auf ein Bikerpaar aus Amsterdam. Zusammen mit Jan und Jane harren wir vor dem kirgisischen Zoll aus, bis wir endlich durchgewunken werden. Zwischen den beiden Zollabfertigungen treffen wir noch auf den 54-jaehrigen Amerikaner Bill, mit dem wir eine halbe Stunde lang hilfreiche Tipps austauschen und Geld wechseln. Der Zeitumstellung tragen wir nicht Rechnung und so ist bereits Mittag und – Ordnung muss sein – der chinesische Zoll bis 14:30 Uhr geschlossen. In der Zwischenzeit treffen Polle und Els aus Belgien ein.
Zu fuenft warten wir nun sehnsuechtigst, bis wir am chinesischen Zoll abgefertigt werden. In zwei Tagen fahren wir durch eine abwechslungsreiche Landschaft runter nach Kashgar, einer wichtigen Etappe auf der alten Seidenstrasse. Die baktrischen Kamele kuenden die Taklamakan-Wueste an. Die Uyghuren sind in Kashgar zwar in der Mehrheit, werden aber mehr und mehr von den Han-Chinesen verdraengt. Das Stadtbild ist in den letzten Jahrzehnten sehr chinesisch geworden. Sportgeschaefte und grosse Supermaerkte mit einem unglaublichen Angebot ueben ebenso eine Faszination aus wie der weltberuehmte orientalische “Sunday Market” und der “animal stock market”, wo man zuschauen kann, wie Schafe geschlachtet werden oder Esel blutig mit Hufeisen beschlagen werden.
Wir logieren im Cini-Bagh Hotel, wo wir andere bekannte Tourenfahrer treffen. Es ist erstaunlich, wie sich die Wege kreuzen. Ich treffe Sander und Jessica, die ich in Samarkand kennengelernt habe wie auch Stephan Soray, den ich zuletzt vor ueber zwei Monaten in Yazd (Iran) gesehen habe und der das Wagnis eingeht, sich auf dem Sunday Market sein Ohrlaeppchen blutig rasieren zu lassen. Beat Blaser aus der Schweiz kenne ich erst von den Eintraegen aus den turkmenischen Guestbooks her. Beat und Polle und Els haben sich im Iran getroffen. Stephan (derjenige, der sich sein Velo nach Bishkek hat schicken lassen…) kennt jedermann, der in den letzten zwei Monaten in Kirgistan war. Und, und, und … Wir machen uns einen Spass daraus, dass eine Wort mit T nicht auszusprechen und verwenden stattdessen Toronto. Wir freuen uns – ausser Jan und Jane, die wegen Janes schmerzendes Knie leider ihre Reise unterbrechen muessen – auf die Fahrt durch die atemberaubenden Landschaften Torontos. Alle schreiben fleissig an ihren Webseiten und Blogs, verschicken Pakete, kopieren Karten und Reisebuecher, putzen und flicken ihre Velos. Und so vergeht die Zeit in dieser faszinierenden Stadt zwischen zwei Welten im Nu.
Bildergalerie “Iran und Zentralasien”
Ich werde nun laengere Zeit nicht mehr online sein. In der Zwischenzeit koennt ihr einige Bilder aus Iran und Zentralasien anschauen. Hier geht’s zur Bildergalerie.
Ein Tag in Sary Tash
Die Ausreise aus Tadjikistan geschieht ganz unbuerokratisch. Nach all den zahlreichen Checkpoints gewoehnt man sich langsam an diese stickigen Kabinen, deren Mobiliar sich gleicht: ein Ofen, ein Bettgestell aus Stahl, ein Schreibtisch mit einem alten Schulheft, einige Stuehle. Meine bisherige Reise sowie meine Herkunft (“Aaah, Italia Schampion”) macht dem Beamten genug Eindruck, um nicht weiter auf die nichtexistierende “customs declaration” zu bestehen. Noch einen steilen Kilometer und ich habe es bis zum Kizil-Art Pass (4’290 M.ue.M) , der die offizielle Grenze zu Kirgistan bildet, geschafft. Der Pass wird seinem Namen gerecht (Zidane hat im WM-Finalspiel die “kizil kart” erhalten …) : die Landschaft ist sienarot gefaerbt, die Baeche und Fluesse sind ebenfalls blutrot getraenkt. Erst nach 20 Kilometer findet sich der kirgisische Grenzposten wieder, wo man sich mit Formalitaeten nicht lange aufhaelt und man mir – mangels Stempels – mein Einreisedatum nicht attestieren will. Meinen Pass will man schon gar nicht sehen. Ja, ja, das Visum wird schon stimmen. “Magic Kirgistan” meint der dickbauchige Beamte, der minutenlang in seinem Playboy herumblaettert, bis er endlich das Foto von Cicciolina gefunden hat.
Magic Kirgistan
Die Landschaft ist tatsaechlich magisch. Hinter mir tuermen sich Schneeberge auf, waehrend ich durch eine von Sommerjurten geschmueckte Grasebene fahre, auf denen Pferdeherden umherziehen. Weniger rosig fuehlt sich mein Koerper an. Bereits den ganzen Tag war es mir leicht uebel, hatte Brechreiz und leichte Magenkraempfe. Vielleicht haette da ein Schluck gegorener Stutenmilch, Kymys, Abhilfe geschafft. Der starke Wind setzt mir noch zusaetzlich zu. Irgendwann muss ich anhalten und mich uebergeben. Die restlichen 15 Kilometer bis nach Sary Tash schaffe ich nicht mehr. Ich schlage im Windschatten des Strassendammes mein Zelt auf und werde von einer Mutter mit ihrem Sohn, die in der Naehe in einer Jurte leben, liebevoll umsorgt.
Am naechsten Morgen vollende ich das Vortageswerk und da es mir nach wie vor nicht allzu besser geht, mache ich an diesem 20. August nach einer Stunde Fahrt in Sary Tash bereits Halt. Im 500 Seelen-Dorf niste ich mich in einer der wenigen Hotels (gastrinizia) ein. Dass hier ueberhaupt solche Unterkuenfte zu finden sind, hat Sary-Tash seiner “strategischen” Lage zu verdanken.
Clara von der gastriniza bringt mir einen Eimer heisses Wasser zum Waschen. Nach einem Teller Nudeln, begleitet von einem Liter Cola, geht es mir etwas besser. Ausgeruestet mit Fotokamera und Schwarzweiss-Film nehme ich einen Augenschein in diesem kirgischen Dorf auf ueber 3’000 Metern ueber Meer. Es ist nach wie vor windig, das Thermometer klettert an diesem Tag kaum mehr als 15 Grad. Die Gegend ist kahl und baumlos. Olivgruen und Ocker dominieren die Landschaft. Es faellt auf, dass hier – im Unterschied zu zahlreichen Ortschaften im Pamirgebirge – Strom fliesst. Das Dorf in den Auslaeufern des Alay-Tals, von dem man den ueber 7’000 Meter hohen Pik-Lenin erreichen kann, sieht von weitem besser aus als von der Naehe. Leicht schmuddlig, ueberall ein bisschen Abfall. Pferde, Kaelber und Schafe grasen am Strassenrand.
Die einzige Strassengabelung im Dorf fuehrt in Abstaenden von jeweils weniger als hundert Kilometern in zwei sehr unterschiedliche Laender: im Sueden Tadjikistan, im Osten China. Bis nach Osh im Norden, wo der Pamir Highway endet, fehlen 185 Kilometer. Die Schotterpiste zum Irkeshtam-Pass, der chinesischen Grenze, scheint einseitig befahren zu werden: vollbepackte Lastwagen importieren chinesische Ware, zumeist Textilien oder Elektrogeraete. Kirgistan hingegen scheint, ausser Altmetall aus aller Welt, nicht viel zu exportieren. Ein chinesischer Lastwagenchauffeur ist gerade daran, einen Platten zu reparieren. Die Dorfjugend hat sich eingefunden, um einen der ueber hundert Kilo schweren Stoffballen zu hieven, der auf die Anhaengerachse gefallen ist.
Ich werde stets von Kindern gefolgt, die fotografiert werden moechten. In einem Kafe esse ich zwei Samsa, schaue zu, wie ein hagerer Mann mit einer waessrigen Loesung vergebens versucht, die fleckige Wand und den staubigen Fenstersims deckend zu bemalen. Ein Kamaz-Lastwagen aus Bishkek macht Halt. Eine ganze Familie steigt aus und isst – sichtlich unzufrieden mit dem Servierten – zu Mittag. Unweigerlich muss ich an die Kluft zwischen Sueden und Norden denken. Der Sueden mit einer starken usbekischen Minderheit ist traditionalistischer ausgerichtet und – vor allem im Fergana Tal – haeufiger von sozialen Spannungen gepraegt, waehrend der Norden wirtschaftlich erfolgreicher ist und einen grossen russischen Bevoelkerungsanteil hat. Nach dem Putsch und den Neuwahlen letztes Jahr haben die Kirgisen den Willen zur Einheit zum Ausdruck gebracht. Der aus dem Sueden stammende Praesident Kurmanbek Bakijev, mit einer Russin verheiratet, spannt mit dem Premierminister Feliks Kulov aus dem Norden zusammen.
Ich setze meinen Rundgang, begleitet von Kinderrufen, fort. Das Heu aus den Sommerweiden wird mit Lastwagen hergebracht und von Hand auf den Daechern gelagert. An diesem Nachmittag scheint am meisten Betrieb an der “Tankstelle” vor meiner gastrinizia zu herrschen. Reisende aus der Gegend um Osh tanken einige Liter Benzin, um es noch bis zu Osh zu schaffen, wo das Benzin, wie alle Waren, guenstiger zu haben sind. Eine Gruppe von Kirgisen aus Karakol, die stolz ihre Kalpaks tragen, lassen sich von mir ablichten. In einem Dorfladen entdecke ich einen jungen Blondschopf aus Lille. Der 23-jaehrige Julien ist im Maerz aus seiner Heimat gestartet. Der Hunger kommt langsam zurueck und so kocht uns Klara eine feine Reissuppe. Um 9 Uhr gehe ich zurueck in mein Zimmer, lese und schreibe im Licht der Gluehlampe einige Zeilen und packe meine Sachen fuer den morgigen Radeltag.
Gruss aus Kashgar
Ni hao ! Nun habe ich es bereits bis nach China geschafft. Es ist ein besonderes Gefuehl, nach den Holper- und Schotterpisten Zentralasiens und nach 11’626 Kilometern den riesigen chinesischen Grenzposten zu betreten, Formulare auszufuellen (nein, ich fuehre keine “animal” und “plant products” mit) und Fragen nach der Reiseroute (natuerlich Beijing …) zu beantworten. Zusammen mit zwei anderen Bike-Paaerli aus Amsterdam und Belgien, die ebenfalls vor der chinesischen Grenze gewartet haben, sind wir in zwei Tagen foermlich nach Kashgar geflogen. Hier in China muessen sich die meisten Velofahrer in Euphemismus ueben und tunlichst ein Wort vermeiden, das sich bloederweise in meiner Webadresse wiederfindet.
Nun, aus dem ersten Internet-Cafe habe ich es (noch) geschafft, meinen Blog zu sichten. Fuer den Fall der Faelle habe ich eine neue Adresse vorbereitet, sollte die alte hier gesperrt werden, wie das anderen Reisenden mit ihren Web-Tagebuechern ebenfalls geschehen ist: www.mauriziobici.blogspot.com. In den naechsten Tagen werde ich mich wieder, hoffentlich noch unter der alten, euch bekannten Adresse, melden. Bis dahin seid alle herzlich gegruesst ! Zai-jian Maurizio
Aufs Dach der Welt
Eigentlich haette ich Dushanbe mit vollen Kraeften Richtung Pamir-Gebirge verlassen sollen. Doch die Antibiotika-Kur, mein rekonvaleszenter Zustand sowie die heissen Temperaturen halten mich auf Sparflamme. Meine Beine fuehlen sich tonnenschwer an. Die Verpflegungsmoeglichkeiten am Strassenrand spotten oftmals jeder Beschreibung. Ich entwickle eine Allergie auf das Wort “Shorpa!” Sehr oft gibt es in den Chayhanas nur diesen braunen Eintopf zu essen, der in Wochenrationen tagelang vor sich hinkoechelt und auf seine Opfer wartet. Das gekochte Fleisch in Eimern am Boden – leicht mit Abfalleimern zu verwechseln – das anschliessend in ranzigem Oel gebraten wird, verdirbt einem den Appetit vollends. Und so verzweifle ich in den ersten Tagen nach Dushanbe und ziehe es vor, selber zu kochen. Sobald ich bei einer Chayhane nachfrage und das Wort Shorpa hoere, verziehe ich mich meistens rasch wieder. Nur widerwillig kocht mir ein Besitzer weissen Reis. Viel lieber scheint er seinen Eintopf zu schoepfen.
“Gorge riding”: herauf, herab und quer und krumm
Die Strasse ist nach wie vor in einem traurigen Zustand, sie fuehrt stets hinauf und hinunter. Kein Wunder, dass ich zwei weitere Platten in meiner langen Liste verzeichnen kann. Bei Obigarm fuehrt die Schotterpiste einem Fluss entlang und windet sich schliesslich bis zum Kahburabot-Pass (3’252 M.ue.M) hinauf, wo es stark windet, ich mich leicht erkaelte und die uebernaechste Nacht in meinem Schlafsack durchschwitze. Kurz nach dem Pass verkaufen Frauen Kefir (Joghurt), vom Bergbach gekuehlt, von dem ich gleich mal einen ganzen Liter trinke. Nach einer rasanten Abfahrt hinunter nach Khalaikum stosse ich auf den schlammigen Fluss Panj, der die Grenze zu Afghanistan bildet. Waehrend rund 500 Kilometern werde ich stets einen Steinwurf von Afghanistan entwerft radeln und habe afghanische Gebirge, Doerfer und sogar die zweihoeckrigen baktrischen Kamele (auch Trampeltiere genannt) im Sichtfeld. Die Fahrt durch das Panj-Tal ist atemberaubend. Sobald die Strasse eine Bergwand umwunden hat, reiht sich bereits die naechste dahinter auf. Einige Hoehenmeter sind zu ueberwinden, dafuer wird man jeweils mit bezaubernden Blicken aus der Hoehe belohnt.
Ich befinde mich jetzt in der autonomen Provinz Gorno-Badakshan, fuer welche ich mir eine spezielle Bewilligung besorgen musste, das sogenannte GBAO-Permit. Zudem werde ich inskuenftig zahlreiche Checkpoints passieren, wo ich jeweils “registriert” werde. Normalerweise muss man sich drei Tage nach der Einreise in Tadjikistan bei der OVIR-Behoerde (Fremdenpolizei) melden. Die Logik, wonach der Einreisestempel im Pass die Anwesenheit im Land bescheinigt, scheint hier noch nicht zu gelten. Natuerlich habe ich mich nicht gemeldet und so verbringe ich in Dushanbe einen Nachmittag lang mit der Suche eines Hotels, das mir eine Bestaetigung ausstellt, wonach ich gleich nach meiner Einreise dort logiert habe und beim OVIR gemeldet worden bin. Mit Dollars ist fast alles zu kriegen. Mit dieser Bestaetigung kann ich mich spaeter ruhigen Gewissens offiziell beim OVIR in Khorog melden, die mir einen Stempel in meinen Pass verabreichen. Anders als Kirgistan hat es Tadjikistan noch nicht auf die Reihe gekriegt, die administrativen Huerden fuer Touristen abzuschaffen.
Die Pamiri-Leute sind unglaublich offen, herzlich und gastfreundlich. Alle laecheln und winken mir freundlich zu. Nach der Zurueckhaltung der Tadjiken eine richtige Wohltat. Jedes Tal spricht einen eigenen Dialekt. Die Pamiri gehoeren uebrigens dem Ismailismus an, einer Abspaltung des Shiismus. Auch finden sich jetzt hier Chayhanes, in denen nebst Reisgerichten und Laghman (Nudeleintopf) noch weitere Koestlichkeiten wie Helva, eingelegte Aprikosen und Maulbeeren serviert werden.
Sobald ich irgendwo nach einem “Magasin” oder einer Chayhane frage, werde ich sofort zum Tee eingeladen. Meistens werden dann gleich noch Biskuits, Trockenfruechte, Nuesse, Bonbons, Brot und Kaymak (Butter) aufgetischt. Mehrmals kann ich im Garten auf einer takhta (Essgestell) schlafen. Kurz vor Khorog, der groessten Stadt in der Bergprovinz Badakhshan, werde ich von Abdullkhohichov Davlatchavam zum Cay eingeladen. Nachdem ich meinen Hunger bereits mit viel Brot und Butter gestillt habe, erhalte ich noch einen Riesenteller Plov (Reisgericht) serviert. Es sei nur “cam, cam”, ein wenig. Als ich diesen brav aufgegegessen habe, folgt eine feine Shorpa mit viel frischen Gewuerzen vom Garten. Nicht genug: nach der Shorpa wird schliesslich nochmals reichlich Fleisch aufgetischt. Zum Glueck kann der Schwiegersohn ein paar Brocken Englisch und wir reden viel. Der Wunsch, ein Mittagsnickerchen zu halten, wird mir von meinen Augen, die ich kaum mehr offenhalten kann, abgelesen. Als ich aufwache, ist es bereits fuenf Uhr und ich muss mich beeilen, Khorog noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Zum Abschied erhalte ich eine Tesbieh (Kette) aus Holz, einen Sack voller getrockneter Maulbeeren sowie ein Paar der in dieser Gegend typisch schweren Wollsocken geschenkt. Eine kaum zu ueberbietende Gastfreundschaft, welche die von den Iranern gefolgten Tuerken von der Spitze verdraengt. Und dabei sind die Leute hier arm, haben in den sehr kalten Wintermonaten keinen Strom und muessen mit einem Monatseinkommen von wenigen Dollarn auskommen.
Auf den Spuren Marco Polos
In Khorog lege ich zunaechst einen Ruhetag ein. Geplant war urspruenglich, von hier der M 41, dem Pamir Highway ostwaerts zu folgen. Jedermann schwaermt allerdings vom Wakhan Valley bzw. dem Wakhan Corridor, der zunaechst suedlich bis nach Ishkashim verlaueft, danach Richtung Nordosten. Suedoestlich vom Tal thront die Bergkette des Hindukusch. Die davorliegenden tieferen Berge oeffnen immer wieder den Blick auf die weissen Bergriesen. Auch historisch hat das Wakhan-Tal, von dem bereits Marco Polo in seinen Aufzeichnungen berichtet hat, Einiges zu bieten. Etliche kleinere und groessere Schreine, verziert mit den gigantischen Hoernern der abgelegen lebenden Marco Polo-Schafe, finden sich am Wegrand. Hot Pots und warme Baeder sind eine willkommene Abwechslung fuer die geplagten Radlerbeine. In diesem Tal, das Teil der alten Seidenstrasse war, gibt es zudem Ueberreste alter Kulturen wie etwa Petroglyphen (Steinzeichnungen) oder Festungen.
Nach der letzten Ortschaft im Tal steigt die Strasse, nunmehr grober Schotter, steil an. Hirtenjunge helfen mir, mein Rad den Hang hinauf zu schieben. In den naechsten zweieinhalb Tagen werde ich gerade mal drei Fahrzeugen begegnen: zwei Touristen- und einem Militaerjeep. Es geht in muehsamer Fahrt bzw. Schieberei rauf bis zum Kargush-Pass auf 4’344 M.ue.M. Kurz vor der Passhoehe werde ich von Hagelregen ueberrascht und ich suche in einer Hirtenhuette Zuflucht. Die Leute fuehren hier im Vergleich zu den Einwohnern in den Taelern, wo wenigstens Gemuese und Baume wachsen, ein sehr karges Leben. Nach dem Pass steige ich noch zweihundert Meter ab, um mich bestmoeglich zu akklimatisieren. Nach einer Sand- und Wellblechpiste erreiche ich dann – welch ein Luxus – den Asphalt des Pamir Highway, der in den 30er Jahren von den Soviets gebaut worden ist.
Ich befinde mich nun auf dem Pamir-Plateau auf rund 4’000 Metern ueber Meer. Ethnisch faengt hier bereits Kirgistan an, sichtbar an den von Maennern getragenen weissen Filzhueten mit schwarzem Kragen, den Pakals. Rinder und Yaks weiden neben den etlichen Sommerjurten, in denen ich oftmals zu Tee und Yakbutter eingeladen werde. Die Provinz Murghab umfasst den oestlichen Teil des Pamirs. In der gleichnamigen Stadt kommt man sich vor wie im wilden “Osten”. Das Angebot im Pazar ist natuerlich eingeschraenkt und die Preise aufgrund des muehsamen Transportes einiges hoeher als anderswo. Strom gibt es fuer eine Haelfte der Stadt abwechslungsweise nur jeden zweiten Tag. Erfreulicherweise bietet eine lokale Organisation Homestays an, in denen man Unterkunft und waehrschaftes Essen erhaelt. Und wenn man Glueck hat, fliesst im Quartier des Homestays gerade Strom! Die Spannung ist abends allerdings derart schwach, dass trotzdem mit Petrollampen beleuchtet werden muss. Ecotourism nennt sich das Ganze.
Welch eine Ueberraschung: kurz vor dem Neizatash-Pass (4’137 M.ue.M) haelt ein Jeep vor mir an und Seb steigt aus. Er ist mit deutschen Touristinnen und Freunden aus Dushanbe unterwegs. Ich kann etwas Ballast abwerfen und ihm einen Sack voller belichteter Diafilme mitgeben (die hoffentlich den Weg in die Schweiz unbeschadet nehmen werden :-)). Nach dem hoechsten Pass auf dem Pamir Highway, dem Akbaital auf 4’665 M.ue.M. geht es runter zum Kara Kul, dem hoechsten See in Zentralasien. Hier habe ich endlich gutes Wetter und ich kann den smaragdblauen See bewundern, bevor ein starker Gegenwind aufzieht und ich mein Zelt im Windschatten einer Anhoehe aufstellen muss. Leider haelt der starke Wind bei der Fahrt Richtung Kyzyl-Art Pass (4’282 M.ue.M), der die Grenze zu Kirgistan bildet, an. Nichtsdestotrotz: die Fahrt durch das Pamirgebirge war beeindruckend.
Durchs wilde Tadjikistan
Vor meiner Abreise in der Schweiz hatte ich zugegebenermassen ein leicht mulmiges Gefuehl beim Gedanken, alleine durch Tadjikistan, entlang der afghanischen Grenze und mitten in einem Drogenkorridor zu radeln. Noch vor weniger als zehn Jahren herrschte dort Buergerkrieg, viele Strassen sind von Landminen umsauent. Im Internet kursierten Geruechte ueber erschossene Tourenfahrer sowie die Anwesenheit von Taliban-Kaempfern, die meinen Gemuetszustand noch bestaerkten. Nachdem ich jedoch dem Grenzbeamten einen Bakschisch, ein kleines Trinkgeld bezahlt habe und die sechs weiss gestrichenen Baubaracken, welche den Grenzposten bilden, passieren darf, habe ich andere Gedanken im Kopf. Am augen- bw. “hinter”faelligsten ist der miserable Zustand der Strassen, welche diese Bezeichnung kaum mehr verdienen. Allerdings bewege ich mich in einem der aermsten Laender der Welt, dessen Haushaltsbudget kaum groesser ist als die Kosten eines teureren Hollywoodstreifens. Dafuer wartet Tadjikistan mit landschaftlichen Leckerbissen auf, die weltweit einzigartig sind. Das raue und karge Pamirgebirge, auch “Roof of the world” genannt, wird durch den bei Tourenfahrern beliebten Pamir-Highway erschlossen. Fast die Haelfte des Landes liegt auf einer Hoehe von mehr als 3’000 Metern ueber Meer.
Die Tadjiken sind ein iranisches Volk und ethnisch und sprachlich stark mit den Persern verwandt. Ich kann deshalb wieder meine bescheidenen Farsi-Sprachkenntnisse ausgraben. In der ersten Stadt nach der Grenze, Penjikent, mache ich im heruntergekommenen und ueberteuerten Soviet-Intourist-Hotel Halt. Ich bin erstaunt, dass es fliessendes Wasser nur waehrend zwei Stunden am Tag gibt, obschon das Land reiche Wasservorkommen hat. Zahlreiche Schilder von Hilfswerken und NGO’s machen auf die Hilfsprojekte, zumeist “water supply” aufmerksam. Die Strecke fuehrt ostwaerts einem Fluss entlang und steigt langsam an, waehrend sich das Tal verengt und die umliegenden Berge steiler und schroffer werden. Vom Asphalt ist so gut wie nichts uebrig geblieben. Ueber staubige Holperpisten geht es stets rauf und runter. Ich bekomme das extreme Kontinentalklima – sehr heisse Sommer und sehr kalte Winter – von der Sonnenseite zu spueren. Waehrend die grau-braune Landschaft fuer die Strapazen entschaedigt, scheinen die Tadjiken in diesem Teil des Landes eher zurueckhaltend zu sein.
Bevor ich die Hauptstadt Dushanbe erreiche, gilt es den Anzob-Pass auf 3’373 M.ue.M. zu erklimmen. Bei der Sommerhitze kaempfe ich mich ab, immer wieder vom Staub der hinaufkriechenden Lastwagen umnebelt. Rechtzeitig vor Sonnenuntergang, nachdem ich fuer ein paar Tadjiken posiert habe, erreiche ich den hoechsten Punkt der Strasse und kann die Sicht auf die vergletscherten Berge geniessen. Ein bescheidener Hirtenjunge laedt mich zum Cay ein und ich kann in seiner einfachen Huette uebernachten. Am naechsten Tag will ich die Abfahrt auskosten, doch bereits nach wenigen Metern werde ich von zwei giftigen und pflichtbewussten Hunden gejagt. Die Strasse ist derart holprig, dass ich nicht einfach losziehen kann und ich die klaeffenden Biesterchen erst nach einem Kilometer abhaengen kann. Dem gut asphaltierten Varzob-Tal, in dem der Praesident Rahmanov sein Anwesen hat, geht es nun in rasanter Abfahrt in das ueppig-heisse Dushanbe auf rund 700 M.ue.M. hinunter, wo ich 10’000 Kilometer auf meinem Tacho zaehlen kann.
In Dushanbe treffe ich auf der Suche nach einer Unterkunft auf Garth, einem Amerikaner, der auf seinem Gary Fisher Mountain-Bike unterwegs ist. Wir kommen ins Gespraech und er bietet mir spontan an, bei seiner frueheren Arbeitgeberin, der Relief International, einer Hilfsorganisation, zu uebernachten. Er benachrichtigt seine italienischen Freunde von CESVI, einer italienischen NGO (=non governmental organization; Nicht-Regierungs-Organisation). Anna, Matteo, Diletta und Isabella, die sich untereinander liebevoll Mamma, Papa, Junior und Senior nennen, nehmen mich in ihrem grossen Haus herzlich auf. Das “welcome loosers”-Plakat im Hof ist an die franzoesischen Kollegen gerichtet. Endlich kann ich wieder italienischen Kaffee, Salami, colonnata-Speck, gute Pasta und Rai geniessen. Doch nicht allzu lange, denn dieses Mal plagt mich ein heftiger Duennpfiff, sodass ich meine Weiterreise verschieben muss. Als Trost erhalte ich von der chinesischen Botschaft ohne Federlesens ein Dreimonatsvisum, das mir hoffentlich eine von Visaverlaengerungs-Geschichten unbekuemmerte Reise durch Tibet bescheren wird.
Die italienischen Freunde stellen mir schliesslich Seb(astian) Eugster vom DEZA (Direktion fuer Entwicklung und Zusammenarbeit) und seine Frau Monique vor, die uns und zwei weiteren Tourenfahrern zu einem gemuetlichen Znacht einladen. Und welch eine Freude: es gibt schweineechte Kloepfer zum Essen, von denen ich vor Tagen nur trauemen konnte.
Aufgrund der grossen Mitarbeiterschaft der unzaehligen NGO’s in Dushanbe findet man hier, man mag es fast nicht glauben, Supermaerkte, in denen man Marmelada de ciruelas aus Burgos, deutschen Bio-Fencheltee, Barilla-Pesto alla Ricotta e nocciole und die original Kinder-Ueberraschungen kaufen kann. Natuerlich zu westlichen Preisen, unerreichbar fuer die grosse Mehrheit der Tadjiken. Im Salsa Restaurant, in welchem die Gaeste fast ausschliesslich englisch, deutsch, franzoesich oder italienisch sprechen, kann man schliesslich ecuadorianische, mexikanische oder italienische Spezialitaeten probieren. Die Beschreibung im lonely planet (To find it look for the line of 4WDs owned by aid workers lunching on expense accounts and decrying the poverty) gefaellt meinen italienischen Gastgebern zwar nicht, hat aber etwas fuer sich.
Transoxanien – im Herzen der Seidenstrasse
Abgesehen vom aeusserst misstrauischen iranischen Grenzbeamten, der mich minutenlang ausmustert und seinen Blick vom Passfoto zu mir hin- und herschwenkt, gestaltet sich die Ausreise aus dem Iran problemlos. Da ich im Transitbereich uebernachten durfte, bin ich einer der ersten und wenigen Passagiere, die ‘abgefertigt’ werden. Es sind ueberwiegend Lastwagen, welche die Grenze Sarakhs passieren. Zum Glueck habe ich mir wenigstens noch den Bart abrasieren lassen, denn der Beamte ist sich nicht sicher, ob ich tatsaechlich der rechtmaessige Inhaber des Passes bin. Ich muss mir das Grinsen verkneifen. Immerhin bemerkt der Beamte, dass ich etwas laengere Haare habe und auch eine neue Brille trage. Schliesslich stempelt er aber das Ausreisedatum in meinen Pass und entlaesst mich mit einem ‘choda hafez’.
Ich kann nun ueber die Grenzbruecke zum turkmenischen Zoll fahren, wo ich um Jahrzehnte zurueckgeworfern werde. Ein heruntergekommener Raum in einem alten Haus dient als Grenzbereich. Zunaechst trete ich in ein toilettengrosses verrauchtes Buero ein, wo ein Beamter in Gesellschaft zweier Freunde gerade ein paar Samsas (gefuellte Teigtaschen) verspeist. Mein Name und die Passnummer werden zunaechst in ein Milchbuechlein eingetragen. Anschliessend werden mir nebenan 10 Dollar Eintrittsgebuehr abgeknoepft. Nachdem ich ein paar Fackel ausgefuellt habe, halten es die rund 8 Grenzbeamten sowie einige Soldaten mit doofen Safarihueten, die sich gegenseitig auf die Fuesse treten, nicht mehr aus und inspizieren mein Gepaeck. Ich darf saemtliche Packtaschen auf einem grossen Holztisch ausleeren. Ich spiele das Spiel mit und nutze die Gelegenheit, um meine Packordnung unter die Lupe zu nehmen. Sobald eine Packtasche kontrolliert worden ist, nehme ich mir reichlich Zeit, um meine Ausruestung sorgfaeltig zu versorgen. Irgendwann finden sie meinen MP3-Player. Ein hoeherer Beamter vollfuehrt fast Freudenspruenge, als er turkmenische Musik aus dem High-Tech-Geraet vernimmt. Zu meinem Erstaunen gibt die Reiseapotheke zu keinen Diskussionen Anlass. Nach einer Stunde ist die Neugier und Langeweile der Grenzbeamten gestillt und bei der sengenden Mittagshitze kann ich meine Fahrt durch Turkmenistan endlich starten.
5-Tage-Rennen durch Turkmenistan
Zwei Dinge fallen mir in Turkmenistan, stellvertretend fuer ganz Zentralasien, auf: die Goldzaehne der Einwohner und die “gazly suv”-Staende, in denen man sich mit Sprudelwasser und Sirup erfrischen kann. Turkmenistan, das vom Praesidenten Saparmurat Nyiazov – genannt Turkmenbashi (Vater der Turkmenen) – mit eiserner Faust regiert wird, ist touristisch einer der unzulaenglichsten Staaten. Touristenvisas gibt es nur fuer 10 Tage, einschliesslich einer Ueberwachungsperson und vorgegebener Reiseroute. Mehr Bewegungsfreiheit hat man mit einem fuenftaegigen Transitvisa. Allerdings mutiert diese zu einem 5-Tage-Rennen durch die Karakum-Wueste. 500 Kilometer in etwas mehr als 4 Tagen sind fuer einen vollbeladenen Radfahrer knapp bemessen. Von anderen Tourenfahrern wusste ich, dass ein hartnaeckiger Nordost-Wind einem das Leben schwer machen kann und manche auf einen Truck aufsteigen mussten. Was wird mich erwarten?
Der leichte Gegenwind stoert mich auf meinen ersten 90 Kilometern – einer Abkuerzung – noch nicht gross. Vielmehr ist es die ueppige Hitze und der Mangel an frischem Wasser, die an meinen Kraeften zehren. Die Strasse ist in einem derart schlechten Zustand, dass ich den ganzen Tag nur einer Handvoll Autos begegne. Gegen den spaeten Nachmittag wird die Landschaft merklich gruener – das Resultat eines grossangelegten Bewaesserungssystems. Ich kann bei freundlichen jungen Turkmenen in ihrem Hof uebernachten. Auf einem mit Teppichen ausgelegten Holzgestellen essen wir zusammen und werden von den Muecken fast aufgefressen. Aus dem alten Kamaz-Lastwagen laeuft turkmenische Popmusik. Dank meines Phrase-Books kann ich mich einigermassen verstaendigen. Anschliessend fliehen wir vor den Muecken und legen uns auf dem Dach des Hofgutes schlafen. In der Nacht erschrecke ich: es donnert und sturmartige Boeen reissen uns die Decken fast weg. Am naechsten Morgen bin ich erstaunt, als einige Tropfen vom wolkenbedeckten Himmel fallen.
Die naechsten drei Tage werden zumeist wolkenverhangen sein, sodass der Wind abdreht und mir zur Seite steht. Mit leichtem Rueckenwind fahre ich an drei Tagen je 130 Kilometer. Die Landschaft ist zwar eintoenig, durch das Wetterglueck bedingt geniesse ich aber die Fahrt. Die hauefigen Kontrollen durch junge Polizisten sind harmlos. Ein besonders stolzer Gockel steigt sogar auf mein Rad, tritt gleich mal kraeftig in die Pedale, kann das Gleichgewicht des schweren Gefahrts nicht mehr halten und fliegt prompt auf die Strasse.
Alle 50-70 Kilometer findet sich in der Wueste eine kleine Ortschaft mit genau einer Chayhane (Teehaus), in welcher ein Verpflegungspause zwingend ist. Und waehrend man dann seine Laghman (Nudelneintopf) verspeist, wird man meist gebeten, sich wie alle anderen Velofahrer ebenfalls in einem Guest-Book einzutragen. Viele Namen sind mir bekannt und manche sind mir bereits entgegengefahren. Einige beklagen sich ueber den Wind und wenige sind am letzten Tag vor Ablauf des Visums noch knapp 100 Kilometer von der Grenze entfernt ! Hier in Turkmenistan kann ich endlich auch richtige Kamelherden beobachten. Am vierten Tag treffe ich am spaeten Nachmittag bereits in Turkmenabat unweit der usbekischen Grenze ein. Meine Hoffnung, mir rasch ein guenstiges Zimmer zu finden und die Stadt zu geniessen, muss ich irgendwann mal begraben. Die Stadt verwirrt mich: sie hat kein richtiges Zentrum, die Strassen sind kilometerlang und sehr breit. Ich fahre den gleichen Boulevard einige Male hin und her. Mit Hilfe eines Taxifahrers finde ich dann endlich das guenstigste Hotel gemaess Reisefuehrer. Dieses hat aber vor kurzem dichtgemacht. Die Suche faengt von vorne an. Kurzum: erst um 22 Uhr habe ich ein Dach ueber den Kopf. Die Restaurants haben bereits geschlossen und so befehle ich einem Taxifahrer, mich irgendwohin zu fahren, wo es etwas Essbares gibt. In einem Hinterhof erhalte ich dann endlich Shashlik (Fleischspiesschen).
Am naechsten Morgen schlafe ich aus und kann dann in Ruhe nochmals durch die Stadt schlendern, welche von monumentalen Statuen und zahlreichen Bildern Turkmenbashis geschmueckt ist. Der Personenkult Turkmenbashis nimmt bizarre Formen an: so soll vor kurzem in der Hauptstadt Ashgabat eine der groessten Moscheen vollendet worden sein. An der Fassade prangen nebst Auszuegen aus dem Koran auch solche aus dem Buch Turkmenbashis “Ruhname” ueber die Geschichte der Turkmenen. Das Buch “Ruhname” ist fuer saemtliche Studenten zur Pflichtlektuere erhoben worden. Turkmenistan verdankt seine Stabilitaet den grossen Erdoel- und Erdgasvorkommen. Ein Liter Benzin kostet kaum 5 Rappen.
Nach Turkmenabat ueberquere ich den Fluss Amu-Darya, in der Antike Oxus genannt. Das Gebiet zwischen den Fluessen Amu-Darya und Syr-Darya wird auch Transoxanien genannt. Die beiden Fluesse speisen den Aral-See. Die groessenwahnsinnigen Kanalprojekte aus Sowjetzeiten zur Bewaesserung der Baumwollfelder haben dem Aralsee fast das gesamte Zuflusswasser genommen. Der See ist innert weniger Jahrzehnte auf einen Bruchteil der urspruenglichen Groesse geschrumpft. Die Fischerei, welche einstmals rund 60’ooo Leute beschaeftigte, ist vollstaendig zum Erliegen gekommen. Das Traurige ist, dass eine der weltweit groessten oekologischen Katastrophen vorhergesehen und in Kauf genommen worden ist.
Im Herzen der Seidenstrasse
In Usbekistan kann ich es endlich ruhiger angehen. In der ersten Ortschaft frage ich nach einer Chayhane. Ein Herr gebietet mir, ihm auf seinem Rad zu folgen. Minuten spaeter gesellen wir uns zu einer rund 50 Kopf starken Bankettmaennergesellschaft. Die Tische sind mit Trauben, Aepfeln, Melonen und allerlei Suessigkeiten reich geschmueckt. Trotz Woerterbuch gelingt es mir nicht, den Anlass fuer das Festessen in Erfahrung zu bringen. Was soll’s, das Essen schmeckt vorzueglich. Der Vodka darf bei solchen Gelegenheiten natuerlich nicht fehlen und ich darf mit Uemit, Istan und wie sie alle heissen anstossen. Ein, zwei, am Schluss werden es etwa wohl 8 Schuesseln Vodka sein (alle ex). Mittlerweile habe ich derart heiss, dass ich schweissgebadet bin und meine Kleider am Koerper kleben. Die bekanntesten Italiener in Zentralasien sind hier Adriano Celentano, Toto Cutugno und – wer haette es erahnt? – Michele Placido (der einen Kommissar in einer Mafia-Serie spielt). Bald fange ich an, “Azzurro” zu singen. Zum Glueck befinden sich in der Naehe einige dieser Essgestelle, wo ich meinen Rausch ausschlafen kann. Willkommen in Usbekistan !
Hier in Usbekistan befinden sich zwei glanzvolle Staedte an der Seidenstrasse, welche reich an islamischer Baukunst sind: Buchara und Samarkand. Eng verknuepft mit diesen beiden Staedten sind die Namen Dschingis-Khan und Tamerlan. Der auesserst brutale Mongolenherrscher Dschingis-Khan vernichtete die beiden hochzivilisierten Staedte anfangs des 13. Jahrhunderts. Der Handel auf der Seidenstrasse versiegte. Tamerlan, der rund 150 Jahre spaeter sein Reich mit der gleichen Bestialitaet wie Dschingis-Khan ausweitete, ernannte hingegen Samarkand zu seiner Hauptstadt und liess praechtige Moscheen, Medressen, Mausoleen und Karavansereien errichten.
Das beschauliche Buchara gleicht einem Freilichtmuseum. Allerdings ist es hier ueber 40 Grad heiss, sodass bereits vor Mittag mit dem Sightseeing Ende ist. In Samarkand hingegen ist es merklich “kuehler”. Geplant war, von Samarkand aus einige Tage nach Tashkent zu fahren, um dort ein China-Visum zu beantragen. Hier in Dushanbe erhaelt man aber problemlos ein 3-Monats-Visum, sodass ich mich bis zum Beginn des Tadjikistan-Visums am 20. Juli in Samarkand ausruhen kann. Als es mir in Samarkand langsam langweilig wird, sorgt der Diebstahl meines Velos fuer Aufregung.
Bildergalerie
Nach ueber fuenf Monaten “on the road” wird es Zeit fuer eine kleine Dia-Rueckschau. Hier geht es zu den Fotos (anklicken).