Peru

Altiplano Ahoi

Mittlerweile bin ich etwas ins Hintertreffen geraten mit meinem Reisebericht. Seit dem letzten zieren sechs neue Ein- und Ausreisestempel meinen Pass und ich habe fünfmal die Grenze gewechselt. 

Also zurück nach Peru und nach Cusco, der alten Inkahauptstadt, dem Zentrum des Inkareiches. Dort beschränke ich mich auf die Sehenswürdigkeiten in der Stadt und unternehme einen geführten Ausflug, um die Ruinen von Chinchero, die Salzminen von Maras, Moray, Ollantaytambo und Pisaq im Schnelldurchlauf zu besichtigen.  Den Spiessrutenlauf auf Macchu Picchu zusammen mit 2´499 anderen Touristen tue ich mir nicht an.
Hingegen kann ich ein von Eco-Solidar unterstütztes Projekt in der Nähe von Pisaq besuchen. Pukllasunchis, die 1981 von einer engagierten Schweizerin gegründete Partnerorganisation, die eine interkulturelle Modellschule in Cusco unterhält, führt mit grossem Erfolg seit vierzehn Jahren ein Radioprogramm, um das kulturelle Selbstbewusstsein der indigenen Bevölkerung, von Kindern und Frauen zu stärken.
Alex, langjähriger Mitarbeiter, führt mich durch die Räumlichkeiten von Pukllasunchis und zeigt mir das Aufnahmestudio. Das Radio ist nicht Zweck sondern Mittel, um das indigene Wissen und Kulturgut, das im offiziellen Schulprogramm und in den Medien keinen Platz hat, sichtbar zu machen. Die diskriminierte indigene Bevölkerung erhält dadurch eine Stimme. Schüler und Lehrer befassen sich mit dem lokalen Wissen der ländlichen Gemeinschaft, mit den Traditionen, Bräuchen und ihrer Weltanschauung. 
Die von den Schülern erarbeiteten Themen werden auf Tonband aufgenommen. Pukllasunchis und deren Mitarbeitende unterstützen dabei die Lehrer und bilden diese aus. Ethnologen und Pädagogen bereiten anschliessend die Themen auf, damit sie ausgestrahlt werden können. 
Die Radioprogramme werden zweisprachig gesendet: in Spanisch und Quechua, der lokalen Sprache. Zur Prime Time abends werden die von Pukllasunchis profesionell aufgearbeiteten 15-minütigen Programme in der Gegend von Cusco und Puno ausgestrahlt. Diese erfreuen sich mittlerweile grosser Beliebtheit bei der ganzen Bevölkerung. 
Die fertigen Sendungen dienen zudem auch als Unterrichtsmaterial und können so mehrfach verwendet werden. 
Luis, Marco und der Chauffeur Percy holen mich frühmorgens ab und wir fahren zum hochgelegen Dorf Amaru. Dort hat eine Schulklasse gerade eine Volksfabel vorbereitet und trägt diese mit der technischen Unterstützung von Marco vor.
Nach den Aufnahmen gibt Luis ein Feedback und animiert die Lehrerin dazu, die Kinder freier vortragen zu lassen und sich nicht streng an das Manuskript zu halten. Spontaneität und Improvisation sollen Raum haben und hilft vor allem den Kindern, die weniger gut Texte auswendig lernen können, sich mutiger einzubringen.
Wir machen eine Runde durch die Schule und sehen, wie Kinder mit Bohnen, Samen und Maiskörnern Zeichnungen gestalten. Alltägliche Szenen aus dem harten Dorfleben. 
Luis strahlt wie ein Maienkäfer. “Soy muy feliz”, meint er. Die Ausbildung der Lehrkräfte trägt Früchte, erzählt er begeistert. Diese Lehrerin hat die von Pukllasunchis duchgeführte Weiterbildung offenbar verinnerlicht und im Schulunterrricht umgesetzt. Das freut Luis, der seiner Tätigkeit mit Herzblut nachgeht, immens.
Vor der Schule haben sich zufälligerweise die Eltern der Schulkinder eingefunden, um sich mit dem Direktor zu besprechen. Dieser nutzt die Gelegenheit und lässt Luis eine kurze Rede halten, um die Eltern auf die Arbeit von Pukllusanchis und dem Radioprogramm aufmerksam zu machen.    
Nach diesem aufschlussreichen Tag fahren wir zurück nach Cusco. Zeit für mich, weiterzuziehen. Mit dem Nachtbus fahre ich direkt nach Copacabana am Titicacasee. Das ist zumindest die Absicht. Um halb vier Uhr morgens steht der ganze Verkehr vor Juliaca still. Eine Strassenblockade: Steine, Glasscherben, Unrat und brennende Pneus blockieren praktisch den ganzen Tag den Verkehr. Die Bürger protestieren damit gegen den Bürgermeister, der ein längst überfälliges Programm, um den umliegenden Gemeinden Zugang zu Wasser zu verschaffen, immer noch nicht umgesetzt hat. Alle Reisenden sämtlicher Busse müssen aussteigen und 10 Kilometer durch Juliaca laufen und auf einen Collectivo hoffen, der sie nach Puno bringt. Nun, da ich einen fahrbaren Untersatz mit dabei habe, radle ich die 45 Kilometer nach Puno. Am Nachmittag dann kann ich per Bus nach Copacabana weiterreisen, wo ich erst bei Dunkelheit eintreffe. 
 
Dort hole ich mir eine Magenverstimmung ein und muss drei Tage zwangspausieren. Endlich geht es weiter. Mit öV fahre ich in den Nordwesten Boliviens bis zum Dorf Curahuara de Carangas. In La Paz steige ich um, habe Riesenglück, das sich gleich ein Baño publico um die Ecke befindet und ich gleich ein Colectivo für die Weiterfahrt finde. 
Endlich wieder auf dem Drahtesel ! Um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen, steht mir gleich eine 100-Kilometer Etappe nach Sajama beim gleichnamigen Nationalpark und Vulkan bevor. Der grösste Teil auf Asphalt, die letzten 15 Kilometer auf einer sandigen Piste.
 
Von Sajama fahre ich bis zum Grenzort Tembo Quemado, wo ich noch bestmöglich Proviant für die nächsten vier, fünf Tage einkaufe. Von hier reise ich nach Chile ein. Das Ganze hat einen Haken: in Chile werde ich durch Nationalparks fahren und es gibt keine Läden in den wenigen winzigen Ortschaften. Und die Chilenen sind streng, was die Einfuhr von Lebensmitteln anbelangt. Alles, was nicht industriell verpackt ist, muss entsorgt werden. Sprich: keine Früchte, keine Gemüse, kein Brot etc. 
 
Ich fahre zunächst dem Lago Chungará entlang mit Blick auf den Vulkan Parinacota. Ich dachte, dass die Strasse nach Parinacota geteert sei, doch sie wird neu gebaut und ist eine einzige Baustelle, holprig und staubig. Immerhin ist der Blick auf den Vulkan und die Lagune mit Flamingos und grasenden Alpacas einzigartig. 
Vom Nationalpark Lauca geht es dann südlich zur Reserva Nacional Vicuñas. Ich bin nun ganz alleine auf einer sandigen und holprigen Piste, erklimme einen Pass und fahre runter zu heissen Quellen. Zu meinem Erstaunen entdecke ich hier viele Strausse.  In der Abgeschiedenheit stelle ich mein Zelt auf. Wildes Zelten wie ich es liebe.
 
Am nächsten Tag gelange ich zu einer Kreuzung. Ab jetzt teile ich die Piste mit vielen Lastwagen, die zum Salar de Surire bolzen, um dort Borax aufladen. Borax oder Natriumborat ist ein selten vorkommendes Mineral und entsteht bei der Austrocknung von Salzseen. Es wird u.a für Glasuren, Keramiken und für die Emailproduktion verwendet. 
Gemäss Auskunft von anderen Radlern soll es auf der ganzen Strecke von fünf Tagen keine Verpflegungsmöglichkeit geben. Umso erfreuter bin ich, als ich im Weiler Ancuta einige parkierte Lastwagen erblicke und darauf schliesse, dass sich dort ein Truck-Stop befinden muss. Tatsächlich, ein kleines Restaurant mit einem kleinen Shop, in dem ich sogar Avocados, Tomaten und Brot kaufen kann. In solch abgelegenen Gebieten gilt das Hauptaugenmerk eines Tourenradlers dem Strassenzustand, der Verpflegung und dem Zugang zu Trinkwasser. 
Nach einer sehr kalten Nacht im Zelt, während der mir das ganze Wasser vereist, entdecke ich nochmals einen kleinen Truck-Stop, wo ich Brot kaufen kann. Bald erreiche ich eine Anhöhe und sehe den Salar de Surire. Nach einem kurzen Schwatz in der Polizeistation Chiclaya fahre ich östlich des Sees. Gegen zwei Uhr mache ich Halt, esse Brot, Paté und Zwiebeln, der starken UV-Strahlung und dem Wind ausgesetzt. Ich muss mich danach motivieren, um mein Tagesziel zu erreichen. Es geht nur langsam voran, die Wellblechpiste bremst mich ein. Noch 15 Kilometer, sprich mindestens eineinhalb Stunden. Doch ich habe nicht mit einer drei Kilometer langen Sandpassage gerechnet, nochmals zusätzlic 45 Minuten. Endlich erreiche ich dann die heissen Quellen von Polloquere, wo sich bereits sechs andere französische Radler eingefunden haben. 
Das wohlverdiente Bad lasse ich mir nicht nehmen und springe gleich rein. Herrlich!
Am nächsten Tag starten wir alle zusammen und nehmen eine 2 km lange Abkürzung über bolivianisches Territorium, trotz Abmahnung seitens der chilenischen Polizisten. 
Dies erspart uns einen Umweg über einen 4´700 Meter hohen Pass. Was uns nicht erspart bleibt, ist der Gegenwind und die Wellblechpiste. In einer verlassenen Ortschaft beschliesse ich, mich von der Gruppe zu verabschieden. Es ist erst drei Uhr und ich möchte noch weiter. Doch allzu weit komme ich nicht. Der Wind zieht noch stärker auf, die Piste wird noch sandiger. Allzu weit werde ich heute nicht kommen. 
Ein Minibus hält an und der Fahrer Orlando, von einem pensionierten deutschen Paar gebucht, hat alle sechs Radler samt Velos mitgenommen. Sie grinsen mich alle an. Ich kann nicht widerstehen und steige auch ein und erspare mir eine Tagesetappe bis zur bolivianischen Grenze. Dafür kann ich ein gemütliches Beisein in der Gruppe geniessen und meine restliche Schokolade teilen.
Von Grenzort Colchane fahren Laura, Pierre und ich Richtung Uyuni, während die anderen zur Küste nach Iquique radeln. Ben und Cécile haben nämlich auf dem Gepäcktäger ihre Gleitschirme mit dabei und Iquique scheint der Thermik wegen ein weltbekannter Ort für diesen Sport zu sein. 
Wir haben Glück, die anderen Pech. Mit Rückenwind fahren wir auf einer Piste dem Salar de Coipasa entgegen, dem zweitgrössten Salzsee in Bolivien. Am Rand der Wüste ist das Salz verkrustet, fühlt sich an, als würde man eine Meringue essen. Es knirscht fortwährend. Inmitten des Sees liegt die kleine Ortschaft Coipasa, wo wir übernachten. 
Der Salar de Uyuni hingegen ist mit 10´000 Quadratkilometer die grösste Salzpfanne der Erde. Es ist ein unwirkliches, surreales Gefühl, 70 bis 80 Kilometer am Stück auf dieser topfebenen, weissen Fläche zu fahren. Kein Lebewesen. Nur Weite. 
Das Licht ist gleissend hell. Es gibt zahlreiche Pisten, die gut zu befahren sind. Zum Glück habe ich das GPS mit dabei, denn die wenigen Inseln tauchen erst bei einer Distanz von 20 bis 30 Kilometern im Horizont auf. 
Wir fahren zunächst an der Isla Pescador vorbei und später zur Isla Incahuasi, ein sehr beliebter Ausflugsort für Touristen. Wohl eine der Hauptattraktionen in Bolivien.
Zu Recht. Denn auf dieser Insel scheinen sich alle Kakteen der Umgebung der letzten Jahrhunderte versammelt zu haben. Meterhohe und bis zu 1´200 Jahre alte Exemplare der Echinopsis atacamensis finden sich hier dichtgedrängt auf dieser kleinen Insel. 
Ein Naturwunder, ein unvergleichliches Spektakel. Für einen Tourenradler ist es ein Traum, auf der östlichen, windgeschützten Seite das Zelt auf dem betonharten Salar aufzustellen. Ich habe mir eigens Nägel gekauft, um die Zeltheringe nicht zu verbiegen. Vor Sonnenuntergang verschwinden ohnehin alle Touristen und man ist für sich alleine hier. 
Den Sonnenaufgang um 5.43 Uhr lasse ich mir nicht entgehen, stehe bereits vor fünf Uhr auf. Ein lang gehegter Traum geht für mich in Erfüllung.
Um neun brechen wir dann auf, fahren nochmals 70 Kilometer in absoluter Monotonie bis zum Hotel de Sal, wo sich alle geführten Touren nach dem frühmorgendlichen Besuch der Isla Incahuasi einfinden, um ihre Lunchpakete zu verspeisen.
Noch wenige Kilometer bis wir wieder Asphalt unter den Pneus haben. Die letzten 23 Kilometer bis nach Uyuni fliegen wir regelrecht mit Geschwindigkeiten von 25 bis 35 Kilometern pro Stunde. 
Uyuni mag nicht sonderlich attraktiv sein, die Häuser scheinen wie hier üblich, unvollendet zu sein. Nur die Fassaden werden verputzt, während man bei den Seiten die roten Backsteine sieht. Doch hier gibt es Unterkünfte, einen Markt mit einem anständigen Angebot an Früchten und Restaurants. Als erstes deponiere ich die mit einer von Schweiss mit einer Salz kruste überzogenen Kleider in einer lavanderia. Hier treffe ich auch endlich Freunde aus der Schweiz: Sabine und Tinu, die seit längerem in Südamerika unterwegs sind und mir vorausgefahren sind (www.siempre-pedalar.ch). Wir gönnen uns eine Pizza und bei einigen Flaschen Bier brüten wir darüber, ob wir die anstrengende Lagunenroute im Südwesten Boliviens wagen sollen, für die man 8-10 Tage mit dem Rad veranschlagen sollte. 
 

Ausangate Traverse

In Cusco, der Hauptstadt der Inkas, deponiere ich rund vier Kilo Gepäck im Guesthouse. Für den Ausflug in die Gegend des Ausangate möchte ich möglichst leicht unterwegs sein. Auf diese Ausfahrt freue ich mich schon lange. Drei Stunden Busfahrt und drei Tage Bikepacking vom Feinstein. Das Leckerbissen sieht übrigens so aus: auf den ersten 30 Kilometern sind 1´500 Höhenmeter zu erklimmen, grösstenteils auf Wanderpfaden.
In Tinke verpflege ich mich, kaufe noch etwas Brot und Früchte ein und breche frohen Mutes auf. Es geht streng bergauf. Schon nach wenigen Kilometern ziehen wie üblich die nachmittaglichen Gewitterwolken auf, pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk. Bei einem der letzten Häuser fälle ich die Entscheidung: Zelt aufstellen. 
In dieser abgeschiedenen Gegend sollen Velofahrer und Wanderer regelmässig bestohlen werden, so etwa ein Tourenfahrer. Eigenartig, weil die Erfahrung zeigt, dass in dichten Siedlungsräumen die Kriminalität am grössten ist. Handelt es sich bloss um Kinderstreiche oder sind es die Berggeister, die Rache an die westlichen Touristen nehmen, die zu Tausenden tagtäglich Macchu Picchu in Beschlag nehmen?
 Ich gehe auf Nummer sicher und will deshalb, solange noch Häuser in Sichtweite sind, mein Zelt bei Einheimischen aufstellen. Alejandro, 32 Jahre alt, Vater von fünf Kindern, Alpaca-Züchter und Bergführer, meint, dass er auch Zimmer vermiete. Für einen Obolus von 10 Soles (3 Franken) wird mir ein Bett hergerichtet und ich kann beruhigt den Hagelsturm vorbeiziehen lassen. Ich bin bereits auf fast 4’300 Meter über Meer.
Während Alejandro später in die Stadt fährt, begleite ich seine Frau und die Tochter Viky, wie sie ihre Alpacas und Schafe eintreiben und spiele mit den Kindern Fussball.
Der jüngste Sohn führt mir stolz vor, wie er ein ausgedientes Laufrad mit einem Stück Draht lenkt. Ein Spiel, das ich oft in Afrika beobachtet habe. Ich kann die Faszination der Kinder für rollende Laufraeder sehr gut verstehen. 
Ich bin mir nicht sicher, ob die Familie bereits zur Ethnie der Q´eros gehört. Die Frauen tragen hier jedenfalls ihre traditionelle, bunte Kopfbedeckung und das Kleinkind auf dem Rücken, eingewickelt in farbige Tücher. Die entlegenen Dörfer der Q´eros liegen auf über 4´400 Meter in der schneebedeckten Vilcanota-Gebirgskette. Ich werde später einem solchen Weiler begegnen.
Die Menschen leben in ganz schlichten Lehmhütten in einfachsten Verhältnissen. Die Q´eros führen ihre Herkunft auf die ersten Inka zurück und waren die einzigen, die sich vor der Invasion der Spanier retten und ihre Traditionen bewahren konnten. Sie gelten als lebendige Zeugen einer vergangenen Inka-Kultur. Verehrt werden die Mutter Erde – Pachamama – und Berggeister, die Apu. Darunter der mächtige Apu Ausangate. Majestätisch ragt er im Hintergrund auf, während die Alpakas grasen und sich auf eine frostige Nacht vorbereiten. 
Der freundliche Alejandro lässt mir zum Morgenessen eine Omelette, Käse, Kartoffeln und einen Mate de coca zubereiten, will aber nichts dafür. Bei Sonnenschein fahre ich direkt dem Ausangate zu. Mit 6´384 Metern ist er der höchste Gipfel der Cordillera Vilcanota. Erstmals wurde er 1953 von einer Gruppe Bergsteigern, einschliesslich Heinrich Harrer, bezwungen.
Nach einigen Kilometern gelange ich nach Upis, wo sich Thermalbäder befinden und heisse Quellen blubbern und Schwefelgeruch ausbreiten – und eben auch ein Velofahrer bestohlen wurde – Link. Jetzt fängt die Trekkingroute an und für mich “hike a bike”. Ich bin wortwörtlich erleichtert, einige Kilos Material in Cusco deponiert zu haben. Fahren ist nicht mehr möglich, immerhin muss ich das Stahlross nicht tragen, sondern kann es noch stossen und schieben. Zu meiner Linken türmt sich das vergletscherte Felsmassiv auf. Der Anblick entschädigt für die Strapazen. 
Auf dem ersten Pass, dem Abro Arapu auf 4´800 Metern, geniesse ich die Aussicht. Ein Bergführer mit seinen drei Pferden kommt mir entgegen. Er komme grad vom Rainbow Mountain, ein bei Touristen beliebtes Ausflugsziel, das von Cusco aus in einem Tag absolviert wird.
Es ist Mittag und Wolken ziehen wie bestellt auf. Ich fahre einem Alpaka-Trampelpfad runter, bin unschlüssig, ob ich das Zelt aufstellen soll. Ich wage es, trekke runter bis zur Laguna Pucacocha, wo ich zu allem Übel einen Fluss furten muss. Mittlerweile bin ich geübt darin – Island sei Dank. Das Rad dient als Stütze für meine Arme und wird vorsichtig nach vorne bewegt, während ich meine Füsse von Stein zu Stein balanciere. 
Mit Erleichterung mache ich am Himmel blaue Flecken aus. Die dunklen Wolken verziehen sich und ich kann den zweiten Pass, den Abro Apuchata (4´900 Meter) in Angriff nehmen. 
Wieder geht es ständig rauf, mit viel Kraft zerre ich das Rad über das unwegsame Gelände. In dieser Höhe ist Hektik fehl am Platz. Ich führe die Bewegungen in Zeitlupe aus, damit mir die Puste nicht ausgeht.
Es geht vorbei an Alpaka-Herden, die ruhig vor türkisfarbenen Lagunen grasen und ihre neugierig-vorsichtigen Blicke auf mich richten. Endlich erreiche ich ausgelaugt und müde nach fünf Uhr die Passhöhe.
Da es um sechs bereits dunkel wird, suche ich rasch einen Zeltplatz oberhalb der Höhe in einer Senke. Seit sieben Uhr morgens war ich unterwegs, habe nur kurze Essens-Pausen eingelegt, und bin dabei nur 23 Kilometer vorwärts gekommen. Ich stimme damit überhaupt kein Klagelied an. Im Gegenteil: inmitten dieser grandiosen Berglandschaft empfinde ich diese Mischung aus Anstrengung, meditativ-kontemplativem Vorwärtskommen und Einsamkeit als beruhigend und erfüllend. 
Die Nacht überstehe ich gut, trotz des gelegentlichen Krachens der Gletschermassen, das mich ab und zu erschaudern lässt. Wiederum ist der Himmel am Morgen klar. Die ersten Sonnenstrahlen beleuchten den Gletscher und ich geniesse meinen morgendlichen Kaffee und bin voller Freude auf die Aussicht – auf das Bergmassiv und die bevorstehende Abfahrt. 
Steil geht es runter zur Laguna Ausangatecocha. Sicherheitshalber wechsle ich vorher die Bremsbeläge aus. Alpakas fliehen vor mir. Vor der Kulisse aus Fels, Eis und Schnee geben sie schon fast ein kitschiges Bild ab. 
Der Weg führt mich nun zunächst durch ein Sumpfgebiet, danach entlang von Furchen, das von Lama- und Alpakaherden stammen. Die Berge im Hintergrund nehmen rötliche Farben an. 
Ich komme an einer Q´ero Siedlung (?) vorbei und begebe mich hinunter ins Tal, wo ich nach einigen Kilometern zur “Hauptstrasse” gelange. 
 
Auf dieser flachen Schotterpiste geht es nun mehrheitlich leicht bergab, entlang von Felsschluchten, Terrassenfeldern und verschlafenen Siedlungen.
Vor Pitumarca holt mich dann der Regen ein. Ich entscheide, noch bis zum Cusco-Puno Highway zu radeln, wo ich dann in einem Minivan rasch eine Mitfahrgelegenheit nach Cusco finde.
 
Zwei Stunden später, in strömendem Regen, bin ich wieder an der Plaza de Arma, umgeben von hochpreisigen Restaurants, McDonald’s, Starbucks, Wechselstuben, Reisebüros und Frauen, die den müden Inka-Trail-Wanderern Massagen anbieten. Fazit: ein kleines, aber äusserst eindrückliches Nutshell-Abenteuer! Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist. Deshalb werde ich nun bald Peru verlassen. Vorher werde ich aber noch ein von Eco-Solidar unterstütztes Projekt besuchen. Ich bin gespannt darauf! 
 

Peru’s Great Divide

 
Endlich wieder auf dem Rad. Vorher gönne ich mir aber in Lima die beste Ceviche in town im Punto Azul. Die Wartezeit, bis man endlich an einen Tisch gesetzt wird, kann ich mit einem Pisco sour überbrücken. Raus aus Lima, rauf in die Berge auf der stark befahrenen Carretera Central. Von der Busstation Yerbateros raten mir alle dringlich ab, ein sehr unsicherer Ort. Ich nehme daher einen Minivan nach Chosica und von dort mit dem Bus nach San Mateo, einem kleinen Ort, in dem  Mineralwasser auf 3200 Metern abgefüllt wird. Nach einer Woche auf Meereshöhe spüre ich, wie der Sauerstoff knapp wird. Knoblauch und Koka-Blätter helfen mir, mich an die Höhe anzugewöhnen.
Ich will mich zunächst akklimatisieren, fahre deshalb am nächsten Tag nur 700 Höhenmeter und zelte bei der Plaza und der Schule des kleinen Dorfes Chocna. Ich hoffe, dass ich so einigermassen höhenfit bin für die nächsten Tage. Einzig mit dem freundlichen Gemeindearbeiter Maita komme ich ins Gespräch dieses 40-Seelen Dorfes. 
Ich fahre ein Stück auf der bei Tourenfahrern bekannten Peru’s Great Divide: Garant für einsame Schotterpisten, grandiose Berglandschaften und Höhenmeter bis zum Abwinken. Morgens ist es meist schön und klar. Am Vormittag ziehen dann Wolken auf, bis dann gegen ein oder zwei Uhr sich die ersten Regentropfen bemerkbar machen. Manchmal auch erst später. 
Ich komme relativ gut vorwärts und möchte gerne den Punta Ushuayca erklimmen. Am Morgen bleibt mir das Herz stehen. Ein Einheimischer auf einem Esel unterwegs treibt zwei Kühe und einen Stier vor sich her und befiehlt mir – zu meinem eigenen Schutz – “Bajate! El toro quiere cornear!”. Runter in die Böschung, der Stier ist nicht gut drauf. Sie überholen mich und als ich gemütlich vor mir herfahre, sehe ich plötzlich den Stier auf mich zurennen. Ich kann mich noch hinter einen Zaun retten. Puuh, Glück gehabt. 
Auf einer Höhe von 4´630 Metern, es ist erst ein Uhr, kommt dann in der Ferne ein Gewitter auf, ein Berggipfel in der Nähe wird innert kurzer Zeit eingeschneit.Soll ich noch weiter und es wagen, über die Passhöhe zu fahren? Blitze und das laute Donnern nimmt mir die Antwort rasch ab. Schnell stelle ich das Zelt auf. Und tatsächlich: etwa eine halbe Stunde später setzt Graupelregen und danach Schnee ein. Drei Stunden verbringe ich im Zelt, bis es endlich aufhört zu schneien. Ich muss immer wieder die Zeltwände von innen abklopfen, wenn das Zeltdach wegen des Schnees durchhängt. 
Ich krieche aus dem Zelt und das Schauspiel, das sich mir bietet, ist unbeschreiblich und gewaltig. Die Wolken haben sich teilweise verzogen, ich kann die umliegenden Berge, alle frisch verschneit, in der Abendsonne bewundern. Die Lichtstimmungen ändern schnell und ich kann mich nicht sattsehen. Imax hoch zwei.
Ich befinde mich ganz alleine inmitten dieser grandiosen Landschaft, fühle mich zufrieden, erfüllt und gleichzeitig ehrfürchtig. Ein besonderer Moment, unvergesslich. Die untergehende Sonne verfärbt den Himmel in Gelb-, Violett- und Blautöne.
Als die Sonne ganz untergegangen ist, mache ich mich rasch daran, einen Tee und eine Nudelsuppe zuzubereiten. Schnee zum Wasserschmelzen gibt es ja genug. Am nächsten Morgen ist der Himmel klar, dafür ist es umso eisiger mit etwa minus 7 Grad.
Der schwierigste Moment ist, wenn ich aus dem warmen Schlafsack herauskriechen muss. Doch der Himmel ist klar, sobald die ersten Sonnenstrahlen scheinen, fühle ich, wie es wärmer wird.
 Ich geniesse es, durch die verschneite Landschaft zu radeln, noch die letzten 300 Höhenmeter bis zum Pass Ushuayca auf 4´930 Metern zu erklimmen.
Auf der anderen Seite scheint es nicht so stark geschneit zu haben. Die Berglandschaft ist auch hier überwältigend, es folgt eine Lagune und danach eine langgezogene Abfahrt. 
Von der kleinen Ortschaft Tanta folge ich dem Rio Cañete und dem Flusstal. Der Fluss ist eine Aneinanderreihung von kleinen türkisfarbenen Lagunen und Wasserfällen, sicherlich eines der Höhepunkte dieser Strecke.
Zwischen Tanta und Vilca wird derzeit eine Strasse gebaut, bis vor einigen Jahren war dies ein reiner Singletrack. Nur noch ein Kilometer, bis Vilca direkt angebunden ist. In wenigen Wochen wird der Singletrack ganz verschwunden sein, dafür sparen sich die Einwohner einen Umweg von 3 Stunden.
In Vilca angekommen, gönne ich mir eine “trucha”, eine Forelle. Im Hintergrund eine alte Steinbrücke aus Kolonialzeiten und ein Wasserfall. Es finden sich hier in der Gegend überall Fischzuchten.
Ich folge weiter dem Cañete Tal, komme vorbei an wunderbaren Lagunen, etwa die Lagune Huallhua. 
Huancaya ist ein kleines touristisches Dorf, von wo aus Wanderungen zu den Lagunen, Wasserfällen und Felszeichnungen unternommen werden. Es sind aber nur einheimische Touristen, denen ich hier begegne.
Es scheint im Dorf irgendeine Festlichkeit abgehalten zu werden, ein Jubiläum. Auf dem Sportplatz hat sich die übliche Blaskappelle eingefunden. Grillstände, Schaulustige und einige Persönlichkeiten in Anzug und Kravatte, die eine Weinflasche herumreichen, vervollständigen das Bild. 
Irgendwannn erreiche ich eine Asphaltsstrasse und steige nun wieder rauf von rund 3´000 auf 4´000. Eine enge, sehr kurenreiche, gleichmässig steigende Strasse, herrlich zum Befahren. Hohe, steile Felswände, die es dem GPS verunmöglichen, ein brauchbares Signal zu empfangen. Highlight ist dann ein enger Cañon.
Als es anfängt zu regnen, erreiche ich die winzige Ortschaft Tinco de Yauricocha. Während vier Frauen vor dem Dorfladen Socken stricken, macht ein Einheimischer auf die riesige Fussgänger-Hängebrücke aufmerksam.
Die 1948 erbaute Brücke diente dazu, das Erz der Minen über das Tal zu transportieren. Dieses wird heute auf dem Landweg transportiert und die Brücke ist nun für Fussgänger geöffnet.
Am nächsten Morgen lasse ich mir das Schauspiel nicht entgehen und steige rauf, um über die fast einen Kilometer lange Brücke zu laufen. Es ist übrigens die höchstgelegene Fussgängerbrücke. 
Ich breche hier meine Treterei ab, denn ich will mich nun Richtung Altiplano bewegen. In eineinhalben Tagen anstrengender Busfahrt fahre ich bis nach Cusco, der ehemaligen Inka-Hauptstadt.

Auf Projektbesuch in Peru

 
Der Bus von Cuenca kommt puenktlich um drei Uhr in Huaquillas, der Grenzstadt auf der ecuadorianischen Seite, an. Wenige Hundert Meter und ich waere in Peru. Jedoch ist der Grenzposten vor einigen Jahren ausgelagert und ausgebaut worden. Und so muss ich rund 8 Kilometer zurückfahren zum offiziellen Grenzuebergang, über eine Stunde warten, bis ich endlich nach Aguas Verdes einreisen kann und mich mit Jose von Prominnats treffen kann. Prominnats ist ein Programm von Ifejant, einer Partnerorganisation von EcoSolidar und steht für  Programa de microfinanzas de los ninos, ninas y adolescentes trabajadores. 
 
Der Grenzort kommt mir vor ein bunter Ameisenhaufen: sehr umtriebig, geschaeftig, dreckig. Kein Ort um sich wohlzufuehlen. Viele sind hier auf der Durchreise, die Hotels ueberteuert und laut. Es ist ja keine Feriendestination. Immerhin gibt es auf der peruanischen Seite ein Casino – Glueckspiele sind in Ecuador verboten. Auf den Strassen wimmelt es nur so von Menschen, die zwischen Ecuador und Peru pendeln. Geldwechsler soweit das Auge reicht. Auf dreiraedrigen Fahrraedern (triciclos) oder Motocargera werden meterhoch Waren gestapelt und hin und her transportiert. Gerade viele Waren sind wegen der Steuern in Ecuador einiges teuerer als in Peru – Autofelgen kosten das Dreifache.
Fliegende Strassenhändler überall. Verkauft werden Kuchen, Fruchtsäfte, Maiskolben, Socken, Naturheilprodukte. Einer bietet sogar frische Ziegenmilch an und läuft mit seinen zwei Ziegen umher. Abends werden Kleidersstände abgebaut und die Garküchen machen sich dann breit, währenddem der Dreck des Tages von Gemeindeangestellten aufgesammelt werden. Vor einigen Jahren verlief hier die Panamericana und man mag sich gar nicht vorstellen, um wieviel lauter, stickiger und enger das Leben hier gewesen sein muss, als Kolonnen von Trucks, Bussen und Fahrzeugen tagsüber und nachts vorbeizogen, ganz zu schweigen von den langwierigen Zoll- und Grenzformalitäten. Der Grenzübertritt Huaquillas – Aguas Verdes ist der grösste im Norden Perus.
Ich kann den von Prominnats unterstützten vierzehnjaehrigen Ruben begleiten. Nachmittags, ausser Sonntag, geht er zur Schule. Am Morgen arbeitet er. Mit einer einfachen Schubkarre verdingt er sich und transportiert allerlei Waren zischen den beiden Laendern: Bananen, Weinkartons und Whisky. Obwohl Kinderarbeit offiziel verboten ist, macht es keinen Sinn, über die Realitaet hinwegzusehen. Prominnats und Ecosolidar wollen daher die Kinder in ihren Rechten stärken, sie unterstützen und begleiten, damit sie nicht ganz unter die Räder kommen. Wenn sie schon arbeiten, sollen sie zumindest mit einem Teil des Ersparten in ihre Zukunft investieren können. Gespräche mit den Eltern, der Schule und der Gemeinde sind daher notwendig und wichtig.  
An guten Tagen könne er bis zu 15 Dollar einnehmen, an weniger guten nicht mal die Hälfte. Am Wochenende, wenn am meisten los, laufen die Geschäfte gut, meint er. Mit Hilfe von Prominnats hat er sich eine “carreta” fuer rund 200 peruanische Soles (rund 60 Dollar) anschaffen können. Vorher habe er sich jeweils fuer drei Soles pro Tag eine borgen müssen. Noch drei Jahre muss er zur Schule, bis er die Sekundarstufe beendet hat. Danach möchte er, wie viele andere, Polizist werden. Dazu muss er einen Vorbereitungskurs belegen, fünf Monate lang, 100 Dollar pro Monat, die Eintrittsprüfungen schlagen mit 150 Dollar  zu Buche. Er gibt sein verdientes Geld der Mutter ab, die einen Teil anspart, damit er sich später seinen Traum erfuellen kann. Der Vater kann als Nachtwächter einer Crevettenzucht die Familie nicht alleine ernähren. Die Mutter betreibt im Aussenbezirk von Aguas Verdes einen kleinen Lebensmittelladen. 
Am nächsten Tag besuche ich Elder, einem 14-jährigen Burschen aus einem Armenviertel.  Die sechsköpfige Familie lebt sehr einfach. Elder ist der jüngste von vier Kindern, er wirkt für sein Alter reif, gefasst und fühlt sich von meinem Besuch geehrt. Der Vater transportiert Waren mit einer “tricicla”, die Mutter ist Hausfrau. Die Wände der Behausung sind aus Backsteinen, Bambusrohren und Karton, das Dach aus Wellblech. Die Einrichtung verdient den Namen armselig: eine alte Sofagruppe, ein paar Stühle, Tisch, ein Gestell mit Röhrenbildschirm, kitschiger Dekoration und ein paar Habseligkeiten. In der Küche laufen Hühner, Küken und eine Ente umher. Hier schält er die Knoblauchzehen, nachdem er morgens um 6.30 seine Ware an Stammkunden abgeliefert hat.  Um Mittag nimmt er sich für einen Sol eine Moto und geht danach zur Schule. Ab und zu spielt er draussen schon gerne Fussball und er hat eine Freundin, mit der er sich dann und wann trifft. Auch er möchte gerne später Polizist werden und wird auf dieses Ziel hin sparen. 
 
Elder hat vor Jahren angefangen, einen Handel mit Knoblauch aufzuziehen. Er kauft einen 50 Kilogramm Sack von Knoblauch, der Preis variiert je nach Saison von $ 80 bis 140. Er schält danach in mühsamer Handarbeit die Knoblauchzehen und verkauft sie im Detailhandel und in der Gastronomie weiter mit einer fast doppelten Marge. Montag ist der mit Abstand umsatzstärkste Tag, weil nach dem konsumfreudigen Wochenende der Bedarf an Knoblauch am grössten ist. 
Mit dem Bus fahre ich von Tumbes nach Lima in 23 Stunden in einem modernen Bus mit Liegebetten. “Lima la horrible” weist ein heisses Wüstenklima auf, dass allerdings durch den kalten Humboldtstrom abgekühlt wird. Dieser sorgt im Winter (d.h. im Mai bis Oktober) auch durch die Wasserkondensation dafür, dass oft ein Küstennebel herrscht, der die ganze Stadt umhüllen kann. Nachdem ich mich im Geschäftsquartier San Isidro in einer Jugendherberge einquartiert habe, treffe ich mich anderntags bereits mit Julio Ancajima von Prominnats-Ifejant, der Partnerorganisation von EcoSolidar, im Distrikt Villa Maria del Triunfo und im Quartier Nuova Esperanza. Grösser könnte der Gegensatz der Quartiere nicht sein.
Hier befindet sich ein grosses Armenviertel von Lima. Die teils bunten einfachen Häuser sind dicht an den Hängen der kargen, staubigen Hügel gebaut. Die ruppige, staubige Strasse wird von Mototaxis und Kleinbussen angefahren. In einem der “Asentamientos humanos”, eines der Wohnviertel mit Namen wie Heroe del Senepa, Chacon, Maya und 8 de ottubre, liegt die von Prominnats geführte Casita de Cultura. Ein Hort, eine Schule, ein Versammlungsraum, ein Zufluchtsort, ein Lichtblick für die Kinder.
Neun Kinder aus den umliegenden Vierteln haben sich ebenfalls eingefunden. Nach einer Vorstellungsrunde klären sie mich über die verschiedenen Tätigkeiten auf, wie etwa Tanzen, Volleyball, Filme, Spiele, Handwerk, Zeichnen, Fussball oder Hütedienst auf. Die Kinder haben sich selber zu organisieren, und wählen für jede Tätigkeit eine Verantwortlichen. Die Kinder geben bereitwillig Auskunft. So erzählt uns der zehnjärige Raimundo, wie sie in der Pasteleria, einer Backstube, Kuchen und Muffins backen, die Zutaten einkaufen, ausrechnen, wie viel Gewinn sie erwirtschaften und diesen dann – nach demokratischer Abstimmung – sinnvoll eingesetzt wird. 
Die Kinder lernen neben den handwerklichen Fertigkeiten noch weitere Qualitäten. Sie üben sich darin, Verantwortung zu übernehmen, alle miteinzubeziehen, Entscheide zu diskutieren und zu fällen, diese umzusetzen, einzuhalten und sich gegenseitig zu kontrollieren. Und offenbar macht es Ihnen Spass und sie blühen teilweise richtig auf. Die Casa de Cultura wurde vor rund zehn Jahren von freiwilligen Kanadiern gegründet und fortlaufend verbessert. Im Zuge der Zeit wurde sie als Schule anerkannt und ist dieses Jahr baulich abgeschlossen worden und heute in einem guten Zustand.
Wir ziehen eine Runde durch die Wohnviertel, besuchen das Haus (bestehend aus einem grossen Zimmer) der Familie von Raimond. Obschon Raimond auch zu Hause mitarbeiten muss, nimmt er seine Pflichten aus dem Programm Prominnats sehr ernst. Dies freut den Vater, der die Familie mit Maurerarbeiten über die Runden bringt, sehr. 
Alle zwei Wochen müssen sie Wasser kaufen und ihren Tank von 1´100 Liter befüllen, das von einem Tanklastwagen transportiert wird. 45 Sol kostet eine Füllung (rund 15 CHF). Für eine sechsköpfige Familie ergibt dies ein Wasserverbrauch von 13 Litern pro Person und Tag. Einiges weniger als die 300 Liter in der Schweiz. 
Wir unternehmen einen Ausflug “ins Grüne”, verlassen das Armenviertel und kommen in ein staubiges Gebiet, wo man mühsam versucht, Kaktusfeigen und Kürbisse anzupflanzen. Im Hintergrund sehen wir die riesige Zementfabrik. Edgar, 11 Jahre alt, bekundet eher Mühe damit, Anweisungen zu befolgen. Dafür ist er ein Organisationstalent, möchte, dass sich alle in irgendeiner Form beteiligen. Für unseren Ausflug hat er eine Decke mitgenommen, um die mitgenommen Früchte, Brote, Fruchttsäfte und Süssigkeiten auszubreiten und er macht sich daran, alles gerecht zu verteilen und reicht mir als Gast jeweils als Erster das Essen.
Rosita und Sheyla, 12 und 11 Jahre alt, erzählen mir von den Problemen: kein Zugang zu Wasser, die Abfallentsorgung, eine schlechte Gesundheitsversorgung und die “pandilleros”, Diebe und Räuber. Nach dem gemeinsamen Lunch spielen die Kinder mit einem Ball, rennen umher und es rührt mich zu sehen, wie unbekümmert und froh sie sind. Sie sind hier aufgewachsen und kennen keine andere Umgebung, erhalten durch ihre Tätigkeit in der Casa de Cultura Wertschätzung und einen würdevollen Umgang. Zudem haben sie eine sinnvolle Beschäftigung und kommen nicht in Versuchung, in die Kriminalität abzurutschen.  Wir haben die Zeit längst überschritten und laufen wieder zurück, schweren Herzens verabschieden wir uns. Sie fragen mich, wann ich wiederkomme. Ich bin sehr gerührt und beeindruckt von der Begegnung mit diesen Kindern.
Andertangs begleitet mich Julio Angajima von Ifejant in das nördlich gelegene Quartier Puente Piedras. Dort besuchen wir die Schüler der Schule Jose Antonio Encinas, die am Nachmittag in der Backstube Muffins herstellen. Das Quartier ist etwas gepflegter als dasjenige von Villa Maria del Triunfo, doch die Menschen wohnen hier auch in sehr einfachen Behausungen, an steilen Hügeln am Rande der Stadt. 
Für mich waren es sehr spannende, aufwühlende und ergreifende Momente, die ich hier in Peru mit diesen Kindern erleben durfte. Ich bin beeindruckt von deren Willen, Motivation und Begeisterung. Ich werde daher gerne EcoSolidar mit einem Betrag unterstützen. Und es würde mich sehr freuen, wenn noch weitere sich ebenfalls solidarisch zeigen und zumindest für ein paar wenige Kinder ein Lichtblick ermöglicht wird, um vielleicht eines Tages aus dieser Armut ausbrechen zu koennen.
 
  • Mit 40 Franken ermöglichst Du einem arbeitenden Kind, während eines Jahres den regelmässigen Besuch eines Kurses, in dem es über seine Rechte aufgeklärt wird und einen geschützten Rahmen für seine Anliegen findet.
  • Mit 70 Franken unterstützt Du die Weiterbildung einer freiwilligen Person, die lokal arbeitende Kinder betreut und unterstützt.
  • Mit 100 Franken ermöglichst Du einen Workshop, in dem sich arbeitende Kinder aus einem Armenviertel austauschen und organisieren können. 

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