Ägypten

Lesotho und Revolution zum Zweiten

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Nervenkitzel zum Abschluss meines Afrika-Aufenthaltes. Die Ruhe vor dem Sturm. Nachdem ich mir in Südafrika und Lesotho eine Auszeit genommen habe, fliege ich am 2. Juli nach Kairo zurück. Ich komme um 5 Uhr 40 an. Es ist bewölkt. Der Wüstenstaub und der Smog decken die 20-Millionenstadt Kairo in einen grauen Schleier ein. Sobald ich vom Flieger aussteige, kleben mir die Kleider am Leibe. Ich bin mir diese schwüle Hitze nicht mehr gewohnt. Im winterlichen Südafrika ist es derzeit angenehm frisch. Ich bin etwas besorgt und gespannt. In den letzten Tagen gab es anlässlich des einjährigen Jubiläums des neuen Präsidenten Morsi Demonstrationen und Kundgebungen auf dem Tahrir-Platz. Unzufriedenheit, Unmut macht sich breit. Wirtschaftlich geht es bergab mit dem Pharaonen-Staat. Auch die undemokratische Richtung, die Morsi und die Muslimbrüder eingeschlagen haben, behagt vielen nicht. Das Land ist tief gespalten.

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Ein Taxi bringt mich westlich des Nils in den Stadtteil Mohandiseen, wo ich mein Velo bei drei jungen Studenten aus England, Amerika und Italien untergestellt habe. Sie studieren in Edinburgh “Internationale Beziehungen” und absolvieren einen Arabisch-Intensivkurs. An diesem Tag werden sich die Ereignisse überstürzen. Nachdem ich etwas Schlaf vom Nachtflug nachgeholt habe, begebe ich mich zum Sprachinstitut, wo Steve, Sam und Marco studieren. Alle anwesenden Studenten verfolgen gespannt und aufgeregt die aktuellen Geschehnisse im Fernsehen. Die Leute fordern den Rücktritt von Morsi, während dieser, gedeckt von den Muslimbrüdern, nicht im Geringsten daran denkt. Wieso auch ? Er ist demokratisch gewählt worden. Das Militär stellt sich auf die Seite der Demonstranten – und Morsi ein 48-stündiges Ultimatum, um eine friedliche Lösung herbeizuführen. In wenigen Stunden wird es ablaufen. Was wird passieren ? Nach Ablauf der Frist entmachtet das Militär putschartig Morsi.

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Freudenjubel bricht bei den Menschen aus. In der ganzen Stadt werden Feuerwerke gezündet, Autofahrer hupen, schwenken Fahnen, Gewehrschüsse werden abgefeuert. Mit dem mitgebrachten südafrikanischen Rotwein und Billtong stossen wir auf die zweite Revolution an. Steve geht spätabends noch auf den Tahrir-Platz, um die vibrierende Volksfest-Stimmung vor Ort zu erleben, während die meisten Sprachstudenten noch in dieser Nacht unter Waffenschutz nach Jordanien evakuiert werden. Meine drei Gastgeber wollen noch in Kairo bleiben.

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Es wird eine sehr kurze Nacht werden. Ich fahre am nächsten Tag ins Zentrum. Ich habe ganz andere Sorgen. Ich will ein Paket aufgeben, um ein paar Kilogramm für den Flug nach Tunesien abzuspecken. Die dicke, sperrige Wolldecke aus Lesotho kann ich zudem in den naechsten Wochen nicht gebrauchen. Und ich muss noch den Flug buchen. Die Taxifahrer sind erfreut über den Ausgang der Demonstrationen. Das Leben in der Metropole scheint normal weiter zu gehen. Ich begebe mich zum Tahrir-Platz, wo bloss eine Handvoll Demonstranten übriggeblieben ist. Es herrscht eher Katerstimmung, viel Abfall liegt herum, beissender Gestank von Urin liegt in den Strassen. Ich wäge ab. Es ist Donnerstag, ich könnte bereits am Freitag fliegen. Aber ohne einen Blick auf die Pyramiden und die Sphinx zu erheischen, moechte ich nicht verreisen. Also buche ich für den Samstag und besuche am Freitag mit meinen Gastgebern die Pyramiden. Auf den letzten Drücker sozusagen. Wir sind praktisch die einzigen ausländischen Touristen.

Die Muslimbrüder lassen die Absetzung ihres Präsidenten nicht ohne weiteres auf sich sitzen und blasen nach dem Freitagsgebet zum Angriff, während Kampfjets den ganzen Tag lang die Macht des Militärs demonstrieren. Es folgen Gegendemonstrationen, Sitzproteste, in denen drei Mursi-Anhänger getötet werden. Die Intialzündung für weitere Tote. Abends dann erhalten meine Gastgeber die Nachricht, dass sie in den nächsten Stunden zwingend evakuiert werden. Ein Taxifahrer bringt mich um 5 Uhr morgens zum Flughafen. Die Strassen sind leergefegt, wir kommen gut voran. Doch auf halber Strecke fahren wir im Vorort Nasr City in eine Protestaktion rein, Stacheldraht und Panzerwagen versperren die Hauptverbindung zum Flughafen. Mir ist leicht mulmig. Zum Glück habe ich aber das Taxi fünf Stunden vor dem Flug (der ohnehin noch zwei Stunden Verspätung haben wird) bestellt. Wir nehmen einen Umweg. Endlich treffe ich dann im Flughafen ein und kann einchecken. Und ausatmen.

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Doch nun zurück nach Südafrika, nach Lesotho. Ich stelle mein Velo bei Sam, Steven und Marco in Kairo ein und fliege runter nach Johannesburg, wo der Winter Einzug hält. Nachts ist es kalt und eisig, tagsüber sonnig und frisch. Die Luft ist rein, der Himmel stahlblau. Zusammen mit Shawna, eine Peace Corpse Volunteer, die ich seinerzeit in Lesotho kennengelernt habe, verbringen wir zunächst einige Tage in Südafrika, in Clarens und im Golden Gate National Park.

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Dieses Bergland, drei Viertel so gross wie die Schweiz, hat mir auf meiner Durchreise bereits sehr gut gefallen, die Leute waren sehr freundlich. Die Stimmung ist enstpannt, die Leute gehen gemächlich ihren Alltagsgeschäften nach, die meisten Männer tragen einen Kobo, eine dicke Wolldecke. Verhandeln ist hier verpönt. Man wird nicht übers Ohr gehauen. Die meiste Zeit verbringe ich in Mohales Hoek, wo Shawna ihrer Tätigkeit als Peace Corps Volunteer beim Ministry of Agriculture nachgeht. Sie lebt hier in einem landestypischen Rondavel mit einem Strohdach. Einige Meter entfernt ein aus Wellblech improvisierter Stall für die vier Schafe von Ntaté Lefu, der mich wie üblich mit einem breiten Grinsen begrüsst.

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Langweilig kann es einem in einem bergigen Land nicht werden. Im Hinterhof von Mohales Hoek gibt es viele Hügel und so unternehmen wir viele Wanderungen, erkunden Höhlen, Schluchten und besteigen einige Berge. Es macht Spass, frühmorgens loszubrechen, einen Gipfel anzupeilen und dorthin zu trekken. Unterwegs treffen wir immer wieder Schafhirten an. Unser treuer Begleiter ist jeweils Seriti, auf Sesotho Schatten, ein frecher junger Hund, der stetig an Vertrauen gewinnt, es sichtlich geniesst, Berge hinaufzukraxeln und besonders Freude daran hat, Schafherden und Kinder zu verscheuchen. Bei einer Wanderung verweigert er jegliche Nahrungs- und Wasseraufnahme. Wir befürchten schon, dass er vergiftet wurde. Doch zum Glück wird er abends wieder seine gewohnte Ess-Aggression finden, um die wir für einmal froh sind.
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Als erstes nehmen wir den Hausberg von Mohales Hoek in Angriff: Thaba Linoha, der Schlangenberg. Die Tage sind kurz und so starten wir in der Dunkelheit im Schein unserer Stirnlampen. Beim ersten Aussichtspunkt eröffnet sich das Tal, Morgennebel hängt schwer in der Luft und gibt in der Dämmerung ein tolles Farbspektakel ab. Von weitem studieren wir die kahle Bergflanke, um eine geeignete Route ausfindig zu machen. Das lose Geröll und ein paar Felsstufen zwingen uns zu besonderer Vorsicht. Selbst Seriti wird es dann irgendwann einmal zu bunt, er winselt und will über ein paar Felsen getragen werden. Doch nach ein paar Stunden haben wir es geschafft, sind oben und können endlich die Aussicht auf die Berge und das benachbarte Flusstal bestaunen.
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Mit dem Mietauto unternehmen wir dann später einen Ausflug ins Landesinnere und zur höchsten Strasse des südlichen Afrika. Unterwegs bestaunen wir einige Dinosaurier Fussabdrücke und Felszeichnungen von Buschmännern. Dann geht es ständig bergauf, bis zum höchsten Punkt auf über 3’255 M zum Tlaeeng Pass, der höchsten befahrbaren Strasse im südlichen Afrika. Unser kleines Mietauto kann natürlich nicht mithalten mit den übermotorisierten SUV’s aus Südafrika, die für ein verlängertes Wochenende nach Lesotho zum Skifahren und Snowboarden brettern. Im Afriski-Resort gibt es das Ganze Drumherum, das man an einem Skiort findet: Ski – und Snowboardverleih, Après-Ski, Restaurant, Bars, Chalets, Backpacker und trendiger Laden. Ach ja, und eine niedliche, kaum halben Kilometer lange Piste, die mit Kunstschnee am Leben erhalten wird. Aber fuer  uns gibt es keinen Platz zum Schlafen. Ausser im Mietwagen, in dem wir eingepackt in den Schlafsäcken eine eisig-kalte Nacht verbringen.

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Wir fahren anschnliessend zum Katse-Dam. Ab hier ist die Strasse nicht mehr geteert und in einem schlechten Zustand. Für die 60 Kilometer nach Thaba Tseka benötigen wir fast vier Stunden. Dass wir mit dem Auto unterwegs sind, spricht sich bei den anderen Peace Corps Volunteer dank BlueBerry schnell rum und so nehmen wir unterwegs noch zwei Kolleginnen mit, die zur Hauptstadt Maseru fahren wollen.

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Diesmal habe ich ausgiebig Zeit für ein Ponytrekking, zwei Tage bin ich zusammen mit meinem 20-jährigen Guide Ntaté Ntabo auf Schusters Rappen unterwegs. Der beste Ort, um ein solches Trekking zu organisieren, ist die Malealea Lodge im Suedwesten des Landes. Es ist eindrücklich, wie die Ponies durch steile Abschnitte und loses Geröll vorankommen. Wir trekken ins Tal des Ribaneng, schlafen dann in einem kleinen Dorf.
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Eine unschoene Szene erleben wir, als wir in einem Minibus unterwegs sind. Ploetzlich haelt der Verkehr an, ein Bus hat sich aus welchem Grund auch immer quer zur Strasse gestellt. Ein entgegenkommendes Taxi weicht auf das holprige Feld aus, brettert mit unverminderter Geschwindigkeit darueber. Ploetzlich geht die hintere Tuere auf, eine uebergewichtige Mutter mit einem Kleinkind auf dem Ruecken gebunden faellt aus dem Fahrzeug und knallt auf den Boden, rollt einige Male. Die Frau blutet im Gesicht, schreit verzweifelt. Der Zustand des Kindes scheint kritisch zu sein.

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Zurück in Johannesburg habe ich einen halben Tag Zeit, die ich nutze, um ein paar Stunden im aufschlussreichen Apartheid-Museum zu verweilen. Dann geht es wieder zurück nach Kairo. Von dort fliege ich dann weiter nach Tunis. Nach Ägypten ist Tunesien eine richtiggehende Umstellung. Tunis ist sauber, europäisch, geordnet. Ein grosser Boulevard lädt zum Flanieren ein. Die Tunesier leben einen moderaten, aufgeschlossenen Islam. Frauen in Burkas sind hier nicht zu sehen. Kopftücher sind eher die Ausnahme. Abends schliessen alle Laeden. Ich fühle mich wohl hier. Die Tunesier sind kontaktfreudig. Viele Jugendliche sind neugierig auf meine Meinung über Tunesien, wo der arabische Frühling vor über zwei Jahren sich wie ein Brandfeuer ausgebreitet hat.

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Drei Tage lang absolviere ich mein Pflichtprogramm. Das touristische Städtchen Sidi Bou Said, das moderne Museum Bardo, wo viele einzigartige Mosaike aus Karthago höchst professionnel und zeitgemässs ausgestellt sind. Trotz Hitze kann ich mich doch  noch dazu überwinden, einige Steinhaufen in Karthago anzuschauen. Wohlwissend, dass  der Roemer Cato mit seinem “ceterum censeo carthaginem esse delendam” im Senat durchdrang und die Stadt im Dritten Punischen Krieg dem Erdboden gleichgemacht wurde.

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In Tunesien freue ich mich auch, wieder einmal ein traditionelles Hammam zu besuchen, wo ich von einem Masseur durchgeknetet und geschrubbt werde. Ich verirre mich in der UNESCO-geschützten Medina, wo die Händler im ägyptischen Vergleich richtiggehend zahm sind. Es ist jetzt im Juli eindeutig zu heiss, um noch das Landesinnere von Tunesien und die Wüste zu erkunden. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Inshallah ! Von Tunis nehme ich die Fähre, die mich in sechs Stunden nach Sizilien, meinem Heimatland bringt !

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Umbruch in Ägypten

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Nach der Gastfreundlichkeit der Sudanesen und der Abgeschiedenheit in der nubischen Wüste erfordert Ägypten eine Umstellung. Die Lebensader Ägyptens, das Nildelta, ist dicht besiedelt. Einen ersten Eindruck vom Land erhalten mein Radlerkollege Sekiji und ich, als wir mit der Fähre anlegen und über 600 Passagiere der Fähre gleichzeitig den Zoll passieren wollen. Gedränge, Gestubse. Träger mit riesigen Gepäckstücken auf dem Kopf tragend meinen, Vortritt zu haben. Beamte schreien Leute an, drangsalieren mit Schlagstöcken. Die Passagiere von hinten schubsen, von allen Seiten versuchen sich Leute einzuschleichen. Keine Spur von Disziplin. Chaos pur. Der Höhepunkt ist, als in einem engen Gang ein kleines Röntgengerät darauf wartet, sämtliches Gepäck zu durchleuchten. Sekiji und ich haben kaum Platz mit unseren beladenen Rädern, müssen alle Packtaschen auf das Fliessband legen. Trotz der klaustrophobischen Verhältnisse drängeln sich die Träger, die pro Gepäckstück entlöhnt zu werden scheinen, unerbittlich vor. Vor allem die in schwarzen Tschadors gehüllten übergewichtigen Mütter meinen, Vortritt zu geniessen. Es wird mir zu bunt. Mit gespielter Theatralik und einer Prise Humor fange ich an zu fauchen, zu fluchen, herum zu kommandieren, mich mit Ellbogen nach vorne zu kämpfen und mir jeglichen ungewollten Körperkontakt zu verbieten. Die Beamten scheint mein Gebaren zu amüsieren. Es nützt. Schon bald sind wir endlich draussen und können die wenigen Kilometer nach Assuan in Angriff nehmen.
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Der unorganisierte, undisziplinierte und chaotische erste Eindruck verfestigt sich übrigens im Strassenverkehr. Nicht, dass ich mich auf Überlandfahrten bedroht fühle. Aber in den Städten habe ich noch nie so viele, ich kann es nicht anders beschreiben, dumme Verkehrsteilnehmer gesehen. Ägypten hat sich den Ruf des gefährlichsten Verkehrs in Afrika reichlich verdient. Etwa die Hälfte der Fahrzeuge fährt nachts bewusst ohne Licht ! Die Strassenbeleuchtung sei ja ausreichend, um den Weg zu sehen. Wenn ein lebensmüder Fussgänger die Strasse überqueren möchte, wird auf das Gaspedal gedrückt und kurz aufgeblendet.
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Auch zu Fuss ist die Mobilität nicht immer einfach. In Assuan gleicht es einem Spiessrutenlauf, durch den Souk zu laufen. Ich gerate hier in die Haare mit einem Händler, der Sekiji beim Vorbeilaufen mit einem rüden und sehr lauten “Ni hao!” anschreit. Seit der “Revolution” vor zwei Jahren und dem Sturz Mubaraks bleiben die Touristen aus. Die Tourismusindustrie leidet seither sehr stark, steckt in einer tiefen Krise. Die Händler sind richtiggehend verzweifelt, stürzen sich dementsprechend auf die wenigen Reisenden.
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Nun, was mir vorher nicht bewusst war: der Tourismus in Ägypten konzentriert sich stark auf die pharaonischen Sehenswürdigkeiten und die Badeorte Hurghada und Sharm El Sheich. Seit den Unruhen durch islamische Fundamentalisten in den Neunziger Jahren ist das individuelle Reisen im Land eingeschränkt. Gefahren wird oftmals im Konvoi oder begleitet durch Polizeieskorten.
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Nichtsdestotrotz. Der organisierte Besuch des 250 Kilometer südlich von Assuan liegende Tempel von Abu Simbel lohnt sich allemal. Zahlreiche Cars, Busse und Minibusse starten gemeinsam um vier Uhr morgens, eskortiert durch die Polizei. Eindrücklich ist die Tatsache, dass der gesamte Berghügel, indem sich der Tempel findet, Stein um Stein abgetragen wurde, um 200 Meter verschoben und 65 Meter höher verlegt wurde.
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Den Ägyptern wird nachgesagt, dass sie stolz seien. Stolz, Ägypter zu sein. Dass sie auf die Hochkultur ihrer pharaonischen Vorfahren stolz sind, bezweifle ich. Die Schaufenster der Telekommunikations-Firmen sind blitzblank und sauber, während die Vitrinen, welche die Gräber im Tal der Könige schützen, die Handabdrücke einiger Tausend Besucher präsentieren. Obwohl Fotografieren und Blitzen in den meisten Gräbern untersagt ist, wird jeder Wächter gegen ein kleines Bakschisch gerne über das Verbot hinwegsehen. Und beim Bau des gigantischen Nasser Staudammes war geplant, den ganzen Tempel von Ramses II in Abu Simbel und viele weitere nubische Kulturstätten einfach zu überfluten, ohne sich um deren Rettung zu kümmern. Nur dank der UNESCO und der Hilfe von zahlreichen Wissenschaftlern und Staaten konnten die wichtigsten gerettet werden. Einige erst, nachdem sie schon überflutet wurden.
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Sekiji und ich fahren von Assuan dem Nil entlang nach Luxor. Unterwegs halten uns ein paar Tempel auf. So der dem Krokodil-Gott Sobek gewidmete Tempel in Kom Mombo, wo auch mumifizierte Krokodile bestaunt werden können. Besonders beeindruckend ist der gigantische Tempel von Horus in Edfu.
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Die Fahrt ist nicht unangenehm. Anders als in touristischen Orten, wo man ständig von Verkäufern, Rikscha-Fahrern und Guides zuweilen aufs Ärgste drangsaliert wird, werden wir unterwegs sogar zum Tee eingeladen. In guter Erinnerung bleiben wird mir die Begegnung mit einem Schuldirektor und der Lehrerschaft, die mich äusserst freundlich empfangen. Doch ich muss den vor mir liegenden Sekij wieder einholen und kann leider nicht allzu lange bleiben.
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In Erinnerung bleibt mir auch die Begegnung mit einem Jugendlichen. Ich bin daran, eine dieser Wasserspender zu fotografieren, aus denen man gekühltes Wasser trinken kann. Grossartig und toll, dass man sie überall an öffentlichen Stellen findet, denke ich mir. Dieser Junge fragt mich, wozu ich dies abfotografiere. Ich wolle doch dem Westen nur ein schlechtes Bild vermitteln, die Armut zeigen. Der Typ legt nun richtig los. Hört mir schon gar nicht zu. Er ist sichtlich angespannt und hasserfüllt. Er hasse Amerika und Israel und er hasse mich. So, so, Bürschen. Nun bin ich an der Reihe, mittlerweile haben wir eine stattliche Zuhörerschaft. Ich bin sehr ruhig aber laut. Ich frage ihn, ob er denn wirklich glaube, dass er ein guter Muslim sei, wenn er einem völlig Unbekannten, dessen Herkunft er noch nicht einmal wissen möchte, ins Gesicht sagt, er hasse ihn. Er solle sich einfach schämen. Menschen wie er seien eine Schande für sein Land und nicht der Wasserspender vor der Moschee.
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Das Gebiet entlang des Niles zwischen Kairo und Luxor ist unterentwickelt, überbevölkert. Die Armut und Unzufriedenheit hat in den Neunziger Jahren zu Aufständen von islamischen Extremisten geführt. Trauriger Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war 1997, als 68 ­Menschen in Luxor im Tempel von Hatschepsut getötet wurden. Jedem Schweizer wird sich noch an das Ereignis gut erinnern können, denn 36 davon waren Schweizer.
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Luxor ist an Denkmälern sehr reich. Die Stadt ist ein Anziehungspunkt für Touristen, sehr gepflegt und angenehm, wenn man von den lästigen Rikscha-Fahrern einmal abseht, die einem nach dem zehnten “Nein, Danke” und nach einer halben Stunde immer noch hartnäckig verfolgen. Einzigartig ist das Tal der Könige, in dem 64 Gräber gefunden wurden. Der bekannteste unter ihnen dasjenige des Tutenkhamun. Armer Pharao ! Mit 19 Jahren verstorben, wurde er mit unglaublich vielen Schätzen begraben. Die liegen nun alle im Museum in Kairo. Einzig die zerbrechliche und transportunfähige Mummie ist splitternackt ohne jeglichen Schmuck ganz alleine im Grabe geblieben.
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Absolut eindrücklich in Luxor ist eine Heissluftballon-Fahrt. Die werden im Backpacker, wo wir unterkommen, günstig angeboten, für rund 40 US-Dollar. Keine Frage, da machen wir mit! Die Fahrt ist einfach sensationell. Vor allem, weil unser Pilot talentiert ist und über die Tempel schwebt. Was wir erst im Nachhinein erfahren ist, dass vor wenigen Wochen der schwerste Unfall in der Geschichte des Heisluftballons hier in Luxor passiert ist und 19 Menschen getötet wurden.
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Von Luxor gibt es drei Routen, um nach Kairo zu gelangen. Entlang des Nils, entlang dem Roten Meer und die Western Desert Route, die mit 1’300 Km allerdings doppelt solange ist wie die beiden ersten. Zudem bläst um diese Jahreszeit der Wind Khamsin unerbittlich von Norden. ich verzichte gerne darauf, die Erfahrungen im Sudan zu wiederholen. Sekiji und ich trennen uns in Luxor. Er begleitet mich einige Kilometer ausgangs Luxor. Eine kurze Umarmung ohne viele Worte, aber Wehmut liegt in der Luft. Wir wissen beide, dass wir eine sehr tolle Zeit zusammen verbracht haben, die Fahrt durch den Sudan einer der Höhepunkte unserer Reise war. Sekiji versucht sich auf der Western Desert Route, doch nach einigen Tagen erkrankt er und kehrt um. Er will zuerst nach Europa und nach Ablauf der drei Monate des Schengen-Visums von Kairo her die Route erneut in Angriff nehmen. Inshallah !
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Ich fahre entlang des Niles. Besonders auf diesem Abschnitt bis nach Kairo gab es in den Neunziger Jahren Aufstände, das Reisen ist eingeschränkt. Von Qena bis nach Minya werde ich von Polizeiwagen eskortiert, die sich alle 20 bis 30 Kilometer abwechseln. Das Ganze ist etwas sonderbar. Die Städte, in denen ich übernachte – Qena, Sohag, Asyut, Minya und Beni Suef, sind nicht sonderlich attraktiv. Die meisten Hotels nehmen keine Ausländer auf.
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Dank der Unterstützung der freundlichen Polizei finden wir aber nach teils langem Suchen dann doch noch eine bezahlbare Unterkunft. Nur selten finde ich Leute, die ein bisschen Englisch sprechen. Doch die meisten sind erfreut, einen Ausländer zu sehen. Und nicht dass ein falscher Eindruck entsteht. Meinen Aufenthalt hier in diesem Land moechte ich nicht missen. Übrigens kennt praktisch jeder hier in Ägypten die Stadt Basel. Dank zweier ägyptischen Fussballspieler, die beim FC Basel ihre Brötchen verdienen.
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Die letzten Kilometer von Beni Suef nach Kairo schenke ich mir, steige in einen Zug ein. Ich habe keine Lust, in die Megalopolis von Kairo, die wohl grösste Stadt Afrikas, mit dem Velo rein zufahren. Ägypten hinterlässt bei mir einen gespaltenen Eindruck. Von einer Demokratisierung ist nicht viel zu spüren. Das von den – immerhin demokratisch gewählten – Muslimbrüdern angeführte Land ist daran, den Staat und die Verwaltung noch stärker islamisch zu prägen. Die Scharia ist bereits verfassungsrechtlich verankert worden. Die Freiheitsrechte der Minderheiten und der koptischen Christen werden stärker eingeschränkt.
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In Kairo komme ich bei drei jungen Studenten aus Italien, UK und US unter, die ich in Luxor kennengelernt habe. Sie besuchen drei Monate lang einen Arabisch-Intensivkurs. Ich kann bei Ihnen mein Velo unterstellen. Meine Velo-Reise durch Afrika ist bald zu Ende. Das ist mir bewusst.
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Doch ich möchte Afrika noch nicht so schnell verlassen, will auch Zeit haben, die letzten 20 Monate zu verdauen, Revue zu passieren, Zeit haben, um zu schreiben, zu lesen, meine Fotos zu sichten, für längere Zeit an einem Ort zu bleiben. Ein günstiger Flug bringt mich runter nach Johannesburg, zurück zu einem meiner Lieblingsländer, nach Lesotho, wo der Winter Einzug haelt. Fuer einmal darf ich nun frieren!