Maestrale, Mirto e Mare

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Nun, nach zwei Wochen Erholung in Sizilien heisst es für mich, wieder in den Sattel zu steigen. Von Palermo aus gelange ich mit der Fähre der Tirrenia nach Cagliari. Nebenan harren Tunesier mit vollbeladenen Autos, meterhochem Gepäck, Fahrrädern und Scootern auf den Autodächern in der Hitze aus. Es ist Hochsaison, die Fähre ist voll, die Schlafsessel sind ausgebucht. Mit Glück ergattere ich in der Bar noch einen Stuhl und einen Tisch. Lege mich dann um Mitternacht am Boden auf meiner Schlafmatte hin.

In Cagliari werde ich von Enrico, einem Warmshower, herzlich aufgenommen. Warmshowers ist ein Netzwerk für Tourenradler, das in Europa und in den Staaten weit verbreitet ist. Erstaunlicherweise gibt es aber in ganz Sardinien nur drei Warmshowers. Enrico ist noch kein Jahr mit dabei und der erste der Insel.

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In einem Tag geht es über eine tolle Schotterpiste und den Wald des Monte Arcuso nach Portoscuso, einem Fischerdorf. Dort besuche Bruno, den ich in Addis Ababa seinerzeit kennengelernt habe und ich folge gerne seiner Einladung, ihn zu besuchen. Er wohnt in Rom, verbringt aber vier Monate im Jahr in seinem Heimatdorf.

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Er zeigt mir die Umgebung, die Reste der Tonnara, wo die Fischer von der Matanza, dem Thunfisch-Schlachten, zurück kamen. Wir besuchen auch eine naheliegende Nuraghe. Ein Steinturm und eine Siedlung aus der Bronzezeit, rund 3´500 Jahre alt. Die Nuraghenkultur  in Sardinien ist allgegenwärtig. Es gibt rund 7´000 dieser Turmsiedlungen auf der Insel. Der Wind Maestrale pfeifft uns ins Gesicht, naheliegende Korkbäume sind richtiggehend flachgelegt worden und wachsen horizontal.

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“Maestrale, Nuraghe e Mare – piu´ Sardegna di cosi´ non puoi avere!”, meint Bruno. Nun, den Mirto hat er vergessen, ein alkoholisches Kräutergetränk. Das holen wir aber nach dem Abendessen nach.

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Ich fahre dann einem Küstenabschnitt entlang bis zur Costa Verde. Es gibt hier einige reizvolle Küstenfelsen. Aber halt auch Touristen und Camper, wobei sich der ganze Rummel sehr in Grenzen haelt, nicht zuletzt weil die Faehrpreise erheblich gestiegen sind in dieser Saison. Zeit, um die Küste zu verlassen und zunächst einmal einer happigen 13 % Steigung von drei Kilometern in der Mittagshitze zu trotzen. Es geht dann wieder runter, dann wieder rauf zum Passo di Bidderdu auf 492 M, und dann wieder runter.

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Meine Route führt mich nun durch das Landesinnere, durch hügelige und bergige Landschaften, ­­­vorbei an vielen kleinen Dörfern und Korkeichen. Die Insel ist mit 1.5 Millionen Einwohnern nicht sehr dicht besiedelt und wildes Zelten problemlos möglich. Im Dorf Nureci möchte ich eigentlich nur Wasser tanken. Die Wände der Häuser sind mit grossen Malereien geschmückt. Ich plaudere mit Einheimischen und werde auf den über dem Dorf liegenden Brunnen geführt, wo ich dann gleich übernachte. Frisches Bergwasser findet sich oft am Wegesrand.

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Die Sardinier scheinen auf den ersten Augenblick nicht allzu kontaktfreudig, doch sobald man sie begrüsst und anfängt, mit ihnen zu plaudern, zeigen sie sich von einer sehr gastfreundlichen und herzlichen Seite. So schenkt mir der Gemeindeangestellte Paulo, nachdem wir lange während der Mittagshitze geplaudert haben, ein halbes Kilo Käse und eine Salami.

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In einem anderen Dorf, Sarule, werde ich dann von pensionierten Herren in ein hitziges Gespräch verwickelt. Sie fangen damit an, dass an jenem Tag ein Trauertag sei. Berlusconi sei nun vom Kassationsgericht verurteilt werden und er müsse begnadigt werden. Mit meiner Meinung halte ich natürlich nicht hinter dem Berg. Berlusconi ist eine Schande für Italien, für ganz Europa und es ist unbegreiflich, dass viele Italiener diesem Kriminellen (ganz offiziell darf man ihn nun Betrüger nennen) noch die Stange halten. Jeder Anwesende lädt mich derweil zu einem Getränk ein. Da erst 10 Uhr morgens ist, verzichte ich auf Bier und Wein. Der barista Gesuino gibt mir aber noch eine Flasche Inchusa Bier mit.

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Während der ganzen Zeit ist es in Sardinien heiss, meist um die 35 Grad. Ich zelte oft in Wälderlichtungen. Für wenige Kilometer fahre ich mit dem Franzosen Thierry aus Annecy, für zwei Wochen in Sardinien und Korsika unterwegs und schon richtig schön verbrannt. Wir suchen einen Platz zum Zelten. Das Kirchlein San Pietro bietet sich da mit Sitzbänken, Festplatz und Brunnen gut an. Zufälligerweise fährt gerade in jemen Moment ein anderer Radler, Peter, Professor an der Universität Amsterdam, an uns vorbei. Er gesellt sich zu uns. Ich zeige dann beim Einschlagen des Zeltherings besonderes Geschick, da ich einen Wasserschlauch treffe und den ganzen Platz überflute. Nicht das erste Mal, bereits in Namibia ist mir das auf einem Zeltplatz passiert.

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Jedes Dorf hat seine Eigenheit. Oschiri ist die Stadt der “Panadas”, eine Art Calzoni bzw. Empanada, wie man sie aus Spanien kennt. Pattada hingegen ist bekannt für die handgefertigten Taschenmesser im Stile der französischen Laguiole. Der Griff wird aus Widder-Horn hergestellt. Nur der Preis von über 100 Euro hält mich davon ab, ein solches Teil zu ergattern.

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Ich treffe dann zwei Motorradfahrer aus Mailand an. Die Brüder Gabriele und Riccardo sind unterwegs zu den Eltern, die seit 38 Jahren ihren Urlaub in Sardinien verbringen. Spontan laden sie mich ein und so verbringe ich einen Nachmittag am Strand, kann Pasta alla bottarga essen und einen geselligen Abend verbringen. Gabriele ist übrigens Künstler und sein beliebtes Motiv sind afrikanische Tiere in Städten. Hier der Link http://www.gabrieleburatti.com

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In Santa Teresa di Gallura nehme ich dann die Fähre nach Bonifacio, das für einen kleinen Kulturschock sorgt. Man fährt in einen felsigen Fjord hinein, in dem sich die riesigen luxuriösen Yachten im kleinen Hafen tumeln. Der Anblick ist eigentlich angenehm. Das einstmals verschlafene Städtchen ­wird von Touristen richtiggehend erdrückt, ist Opfer des eigenen Charmes. Sobald man das Rad in der Nähe eines Kaffees anlehnt, wird man angewiesen, es zu entfernen. Und für die Nacht muss ich mit einem überfüllten Campingplatz Vorlieb nehmen.

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Die Insel ist im Belagerungszustand. Touristen ueberall. Erst nach rund 80 Kilometer kann ich endlich etwas dem Trubel entfliehen. Nun zeigen sich dafuer Hausschweine ueberall auf der Strecke. Die Gastfreundlichkeit wie in Sardinien vermisse ich hier allerdings. Auch an das Gruessen ohne Laecheln muss ich mich erst langsam wieder angewoehnen.

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Immerhin gibt es ein paar schoene Steigungen und Abfahrten. Auch die Tour de France ist hier vorbeigekommen, was an den farbigen Fahnen und den Beschriftungen auf der Strasse zu sehen ist. Nach wenigen Tagen dann bin ich dann schon in Bastia, wo ich die Faehre nach Savona nehme.

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Uebrigens laeuft die Spendenaktion fuer Helvetas immer noch weiter und wer sein Reisebudget nicht allzu arg strapaziert hat, ist gerne willkommen, einen Beitrag zu leisten. Vielen Dank.

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