Magisches Mosambik

Mittlerweile bin ich in Pemba, 2‘370 Kilometer von Maputo entfernt, angekommen. 1‘200 Kilometer bin ich in zwei Wochen geradelt, den Rest habe ich mit dem Bus absolviert, um meinen Zeitplan einzuhalten. Die Distanzen hier in Mosambik sind enorm. Doch zurück nach Maputo. Der Chauffeur von Helvetas bringt zunächst Pierluigi, den Direktor von Helvetas Mosambik an den Flughafen, und mich anschliessend aus der Stadt. Es gibt nur eine geteerte Strasse zum Norden, die N1, die aber innerhalb des Landes verläuft, 20 bis 40 Kilometer von der Küste entfernt. Die Stichstrassen zur Küste sind grösstenteils Sandpisten, unpassierbar mit dem Velo. Bis in das 500 Kilometer entfernte Inhambane eröffnet sich der Blick auf den Indischen Ozean gerade nur einmal, nämlich in Quissico.

Mosambik empfiehlt sich als Reiseland, aber nicht notwendig mit dem Stahlross. Zugegeben versprach ich mir – abgesehen vom Projektbesuch von Helvetas – nicht allzu viel von diesem Land. Doch nach einem Monat und vielen spannenden Begegnungen bin ich mittlerweile sehr angetan von diesem Land, das bis vor 20 Jahren noch in einem Bürgerkrieg steckte und erst 1975 von Portugal unabhängig geworden ist.

Immerhin verläuft die flache N1 durch das breite Küstentiefland. Will heissen es ist flach. Aber nicht windstill. Die Brise ist grundsätzlich ganz angenehm, wenn es heiss ist. Das Klima ist tropisch mit sehr schwülen Nächten. Morgengrauen ist bereits um 4.30 Uhr, sodass ich sehr früh starten muss, um möglichst vor Mittag einen Platz im Schatten zu finden. Die Sehenswürdigkeiten Mosambiks sind weit gestreut. In den ersten Tagen auf der N1 ist es noch nicht so heiss, dafür habe ich mit Gegenwind zu kämpfen. Buschbrände sind auch hier an der Tagesordnung. Im Süden herrschen riesige Palmenwälder vor. Im Norden dann Savanne und Busch mit Trockenwäldern. Es finden sich hier sehr eindrückliche Exemplare von Baobabs. Cashew-Nuss-Bäume und Mangos sind allgegenwärtig.

Unterwegs schlafe ich in Dörfern, in Polizeistationen und in den touristischen Orten in Backpackers bzw. bei Couchsurfern. Vor allem wenn man bei Leuten draussen im Zelt schläft – zum Glück weht nachts stets eine leiche Brise – kann man eine für wohl ganz Schwarzafrika beliebte Tätigkeit erfahren. Frauen lieben es hier, bei Morgengrauen, manchmal schon vorher, laut die Aufenthaltsplätze zu wischen und viel Staub aufzuwirbeln. Pfischhhh, pfisschhh. Einiges angenehmer als motorsägenlaute Laubbläser,begleitet von Strassenwischmaschinen, die täglich um 7 Uhr morgens durch die Altstadt von Liestal donnern.

Einen ersten Ruhetag lege ich in Inhambane ein, keine 20 Kilometer von der touristischen Playa de Tofo entfernt.  Die beschauliche Stadt mit einem Mix aus Kolonialarchitektur, arabischen, indischen und afrikanischen Einflüssen liegt auf einer Halbinsel, in sicherer Distanz zur geschäftigen N1. Mit einem Boot setze ich nach Maxixe über, wo ich wieder auf der N1 bin und meine Fahrt nach Vilankulo aufnehmen kann.

Vilankulo ist beliebter Stopp für Overlander und für Reisende, die sich auf den Süden von Mosambik beschränken. In Griffnähe liegt das Archipel von Bazaruto, ein Juwel Mosambiks: türkisfarbenes Meer, weisse Sandstrände, Palmen, Korallen, Tauch- und Schnorchelparadiese mit einer überbordenden Fauna. Ich komme in einem Backpacker unter, wo auch Andrew aus Melbourne kurz zuvor eingetroffen ist. Am nächsten Tag erkundigen wir uns. Wir wollen einen Schnorcheltrip buchen. Entweder auf Bazaruto oder Magaruque. Als wir am Strand entlanglaufen, winken uns Leute auf einem Boot zu. Fünf Minuten später sind wir Opfer eines Kidnappings, inmitten einer Geburtstagsgesellschaft, Bierflasche in der Hand.  Zumeist Leute aus der Tourismusbranche, Hotelbesitzer, die meisten aus Portugal, Zimbabwe, Südafrika. Wenig später legt das Boot in Dead Island an. Eine Sandbank, die nur bei Ebbe sicht- und begehbar ist. Den ganzen Tag verbringen wir dann auf der Insel Benguera, veranstalten einen Braai (Barbeque), kaufen unterwegs von Fischern lobster ein. Drei grosse Kühlboxen mit Getränken sorgen für Erfrischung. Einige versuchen sich im Kitesurfing. Geburtstagskind Tessa lädt Andrew und mich später nochmals zu herrlichen Lulas (Calamares) ein.

Von Vilankulos nehme ich den Bus nach Inchope und Nampula, wo ich abends ankomme. Bei Busfahrten kommt man in den Genuss einer anderen afrikanischen Eigenheit: 11 Stunden wird in ohrenbetäubender Lautstärke Musik abgespielt, die bei meinen Protesten für kurze Zeit zum Level “ sehr laut“ gesenkt wird. Nampula mag ich nicht sehr. Hotelzimmer sind überteuert. Ich treffe hier am nächsten Tag Faizal, einen jungen Reporter und Gründer einer Online-Zeitschrift „O Nacalense“, der mir durch Marco, einem schweizer Journalisten, vermittelt worden ist.  Im Gelände der Radiostation Encontros kann ich mein Zelt aufschlagen, nachdem Faizal mich interviewt hat. Faizal lädt mich zu sich nach Hause ein. An einem Tisch unter dem grossen Mangobaum warten wir, bis seine Frau den Frango, das Hühnchen, zubereitet hat. Faizal ist Régulo, sozusagen Dorfchef des Quartiers, und beauftragt einen Nachbar, Getränke zu holen. Ich nutze die Gelegenheit, gebe dem Typen 100 Meticais, um mir eine grosse, kühle Flasche Wasser zu bringen. Zwei Stunden später, als wir schon lange mit dem Essen fertig sind, kommt dann endlich der Schlaumeier schlurfend daher. Das Wasser ist warm, dafür hat er nur 40 Meticais Wechselgeld. Er muss sich wohl für sehr klug halten oder mich für sehr dumm. Jedenfalls meint er, die 1,5 Liter Flasche habe 60 gekostet (sie kostet normalerweise 30 bis 40), weil ja eine Halbliterflasche 20 Meticais kostet. Es entsteht eine lauthalse Diskussion und Auseinandersetzung zwischen ihm und Faizal.

Der Norden ist augenfällig ärmer, weniger entwickelter als der Süden. Dies zeigt sich an der Verfügbarkeit einer gekühlten Flasche Cola. Im Süden war die noch leicht zu erhalten. Jetzt wird es immer schwieriger. Nur grössere Siedlungen und Städte verfügen über Strom. Das Essen unterwegs auf der N1 ist eher enttäuschend. Keine Strassenstände, wie sie in Westafrika zu finden sind. Verhungern muss ich aber nicht. Immerhin gibt es Brötchen und frittierte Küchlein aus Bohnenpaste. Daneben natürlich Mangos, spottbillige Cashew-Nüsse, Kokosnüsse, Papayas und Bananen. Und in Küstennähe dann wieder Fisch.

Übrigens rate ich jedem Mosambikreisenden an, eine Postkarte zu verschicken. Nachdem ich beim Postamt eine Postkarte erstanden habe, diese platzfüllend beschrieben habe und zum Kauf der „entsprechenden“ Briefmarke für Südafrika übergehen möchte, staune ich nicht schlecht, als mir sechs grosse Briefmarken überreicht werden. Wollte man sie tatsächlich aufkleben, wäre nur noch kanpp die Adresse lesbar.

In der Ilha de Moçambique komme ich bei der Couchsurferin Cristina aus Barcelon unter. Sie ist lange in Afrika umhergereist und hat viele Monate in Äthiopien gelebt. Nun hat sie eine kleine NGO „Africa sin fronteras“ zusammen mit ihrer Mutter Maya gegründet, die sich ebenfalls auf der Ilha de Moçambique niedergelassen hat und daran ist, ein Haus zu einem Restaurant zu renovieren.

Die Ilha ist das einzige UNESCO geschützte Weltkulturerbe in Mosambik und eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Landes. Die Insel ist nur 3 km lang. Der Stadtteil Makuti Town, benannt nach den Strohdächern, liegt praktisch unter Meer. Denn die Steine wurden hier abgebaut, um im nördlichen Teil Stone Town die Kolonialgebäude zu errichten. Die Ilha war bereits vor Ankunft von Vasco da Gama im Jahre 1498 ein bedeutender Handelsort mit Kontakten zu Madagaskar, Persien und Arabien. Die Insel war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Hauptstadt von Portugiesisch-Ostafrika, bis sie durch Lorenço Marques (heute Maputo) abgelöst wurde. Auch hier ist ein interessanter Mix aus Kulturen zu finden. Moscheen, Hindu-Tempel und Kirchen sind einen Steinwurf voneinander entfernt.

Maya kocht gerne, will demnächst ein Restaurant auf der Ilha gründen. Sie lädt Freunde zu einem spanischen Abend mit einer tollen Paella ein. Auch Miguel aus Galizien ist dabei. Miguel bezeichnet sich als moderner Nomade. Mit 18 Jahren ist er losgezogen, um die weite Welt zu erkunden. Seit 22 Jahren ist er nun schon mit dem Rucksack unterwegs, wobei er jeweils für längere Zeit vor Ort arbeitet. Entsprechend viele Anekdoten kann er zum Besten geben.

Unterwegs werde ich Zeuge von Initationstänzen und Bummelzügen von jungen Männern. Mit meiner Mischung aus Italienisch-Spanisch mit einigen Wörtern Portugiesisch kann ich mich eingermassen verständigen. Das Wort „precisar“ gefällt mir dabei mit Abstand am Besten. „Preciso agua“: ich brauche Wasser.  Viele Leute in den ländlichen Gebieten sind des Portugiesisch nicht mächtig, sprechen nur die lokalen Sprachen, wie etwa Makua.

Die Landschaft wird nach der Ilha etwas abwechslungsreicher, sanfte Steigungen und Zuckerhüte setzen Akzente in der trockenen Savannen-Landschaft. Die Gegend wird nicht von Touristen aufgesucht. Wie sonst nirgends in Afrika, werde ich beim Genuss eines gekühlten Getränkes von einer riesigen Schar von Menschen umzingelt. Beim Marktbesuch laufen dann etwa hundert  (!) Schaulustige hinter mir her. Richtig unheimlich. Die Leute sind aber freundlich, bloss sehr neugierig.

Im Ort Metoro zelte ich bei der Polizeistation. Der Zufall will es, dass der Niederländer Johann mit seinem Mitsubishi-Bus dieselbe Idee hat und ebenfalls am nächsten Tag die Stichstrasse nach Pemba fahren will. Johann ist seit über einem Jahr unterwegs. In Pemba werde ich von Karin, Regionalkoordinatorin und Barbara (Konsulentin) von Helvetas toll empfangen und in einem Beachhouse am Wimbi-Strand einquartiert. Ich kann hier die gesammelten Spenden symbolisch überbringen. Herzlichen Dank an alle, die mich unterstützt haben. Ich nutze die Gelegenheit, um einige von Helvetas unterstütze Kulturprojekte zu besuchen.  Ich werde noch darueber berichten.

Pemba liegt an einer grossen Bucht und soll in Zukunft dank grosser Erdölvorkommen bedeutender werden. Es herrscht zur Zeit Goldgräberstimmung. Ölgesellschaften aus aller Welt reissen sich Bohrrechte unter den Nagel. In einigen Jahren wird sich Pemba ändern.

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