Zwischen zwei Welten

Nach dem Ruhetag in Sary-Tash kann ich einigermassen gestaerkt meine Reise nach Osh fortsetzen. Obschon die Reise von rund 3’000 runter auf 1’000 Metern ueber Meer auf den ersten Blick entspannend toent, daempfen der Taldyk-Pass (3’610 M.ue.M) sowie der starke Gegenwind die Stimmung. In Osh herrschen sommerliche Temperaturen um 30 Grad und ich geniesse nach langer Zeit wieder die Vielfalt an Fruechten und Gemuesen. In Osh, das im usbekisch besiedelten Fergana Tal liegt, sieht man viel mehr schwarze usbekische Huete als die kirgisischen Kalpaks. Zusammen mit zwei Franzosen klappere ich die besten Restaurants ab und esse mich drei Tage lang voll. Wohlernaehrt und mit meinen Packtaschen voller Kalpaks, die es hier im Bazar guenstig zu ergattern gibt, suche ich einen Jeep, um den Weg nach Sary Tash nicht nochmals radeln zu muessen. Rachim, unterwegs mit seiner betagten russischen Volga, macht mir einen guten Preis. Wir verabreden uns am naechsten Tag um acht Uhr. Die Fahrt werde fuenf Stunden dauern und es habe nur fuer vier Passagiere Platz.

Bis wir tags darauf starten koennen, vergeht eine Ewigkeit. Rachim muss zuerst noch seine Laghman essen. Nach nur 500 Metern steht der Wagen still. Kein Benzin. Rachim muss zu Fuss einige Flaschen Benzin auftreiben. Dann biegt er in eine Nebengasse ein. Ich kann gerade noch verhindern, dass er zwei schwere Kisten mit Tomaten auf meinem Velo ablaedt. Seine Frau und die beiden Kinder steigen ein und ploetzlich finde ich mich eingepfercht auf dem Hintersitz mit vier anderen Passagieren. Ausgangs Osh haelt uns ein Polizist an. Rachim steigt schnell aus und bezahlt “ordnungsgemaess” den Bakschisch von 10 Som. Endlich kann es – gegen 11 Uhr – losgehen. Doch bereits beim ersten Bach haelt er an, um seine “machina” abzukuehlen und mit Wasser zu begiessen. Genau 14 Mal wird er in den naechsten 180 Kilometern anhalten, um frisches Kuehlwasser zu schoepfen. Um sechs Uhr abends treffen wir endlich in Sary Tash an. Ich komme mir vor, als waere ich hierhin geradelt. Ich mache Rachim klar, dass er die versprochene Leistung nicht vollumfaenglich erbracht hat und fordere einen Preisabschlag. Nur nach hitzigem minutenlangen diskutieren gewaehrt er mir zehn Prozent.

Am kirgisch-chinesischen Zoll uebernachte ich im einzigen Hotel. Etliche Lastwagen warten bereits vor dem chinesischen Zoll, der ueber das Wochende geschlossen hat. Es trieft nur vor Dreck. Ueberall liegt Altmetall herum, in der Naehe des Flusses verunziert Kot die Gegend. Am Morgen vergeude ich die Zeit mit der Suche nach einer CD mit dem kirgisisch-russischen Gassenhauer “jorni glasar” (schwarze Augen). Ich treffe auf ein Bikerpaar aus Amsterdam. Zusammen mit Jan und Jane harren wir vor dem kirgisischen Zoll aus, bis wir endlich durchgewunken werden. Zwischen den beiden Zollabfertigungen treffen wir noch auf den 54-jaehrigen Amerikaner Bill, mit dem wir eine halbe Stunde lang hilfreiche Tipps austauschen und Geld wechseln. Der Zeitumstellung tragen wir nicht Rechnung und so ist bereits Mittag und – Ordnung muss sein – der chinesische Zoll bis 14:30 Uhr geschlossen. In der Zwischenzeit treffen Polle und Els aus Belgien ein.

Zu fuenft warten wir nun sehnsuechtigst, bis wir am chinesischen Zoll abgefertigt werden. In zwei Tagen fahren wir durch eine abwechslungsreiche Landschaft runter nach Kashgar, einer wichtigen Etappe auf der alten Seidenstrasse. Die baktrischen Kamele kuenden die Taklamakan-Wueste an. Die Uyghuren sind in Kashgar zwar in der Mehrheit, werden aber mehr und mehr von den Han-Chinesen verdraengt. Das Stadtbild ist in den letzten Jahrzehnten sehr chinesisch geworden. Sportgeschaefte und grosse Supermaerkte mit einem unglaublichen Angebot ueben ebenso eine Faszination aus wie der weltberuehmte orientalische “Sunday Market” und der “animal stock market”, wo man zuschauen kann, wie Schafe geschlachtet werden oder Esel blutig mit Hufeisen beschlagen werden.

Wir logieren im Cini-Bagh Hotel, wo wir andere bekannte Tourenfahrer treffen. Es ist erstaunlich, wie sich die Wege kreuzen. Ich treffe Sander und Jessica, die ich in Samarkand kennengelernt habe wie auch Stephan Soray, den ich zuletzt vor ueber zwei Monaten in Yazd (Iran) gesehen habe und der das Wagnis eingeht, sich auf dem Sunday Market sein Ohrlaeppchen blutig rasieren zu lassen. Beat Blaser aus der Schweiz kenne ich erst von den Eintraegen aus den turkmenischen Guestbooks her. Beat und Polle und Els haben sich im Iran getroffen. Stephan (derjenige, der sich sein Velo nach Bishkek hat schicken lassen…) kennt jedermann, der in den letzten zwei Monaten in Kirgistan war. Und, und, und … Wir machen uns einen Spass daraus, dass eine Wort mit T nicht auszusprechen und verwenden stattdessen Toronto. Wir freuen uns – ausser Jan und Jane, die wegen Janes schmerzendes Knie leider ihre Reise unterbrechen muessen – auf die Fahrt durch die atemberaubenden Landschaften Torontos. Alle schreiben fleissig an ihren Webseiten und Blogs, verschicken Pakete, kopieren Karten und Reisebuecher, putzen und flicken ihre Velos. Und so vergeht die Zeit in dieser faszinierenden Stadt zwischen zwei Welten im Nu.

Bildergalerie “Iran und Zentralasien”

Ich werde nun laengere Zeit nicht mehr online sein. In der Zwischenzeit koennt ihr einige Bilder aus Iran und Zentralasien anschauen. Hier geht’s zur Bildergalerie.

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