Kappadokien zu(m) zweit(en)


In Aksaray, 200 km südoestlich von Ankara, wartet Maurizio vergebens beim Otogar (Busbahnhof). Ruth ist nach Kayseri geflogen und hat dort einen Bus nach Aksaray genommen. Samt ihrem sperrigen Gepaeck wird sie auf einer einsam gelegenen Tankstelle einige Kilometer vom Otogar entfernt abgeladen. Nach einigen hektischen Telefonaten wird ein Bustaxi organisiert, das uns spaet nach Mitternacht vors Hotel faehrt. Der anhaltende Regen am naechsten Tag ermuntert uns nicht zum Start. Nachdem wir das Velo von Ruth ausgepackt und zusammengebastelt, etwas zum Essen eingekauft haben und bereits zweimal zum Tee eingeladen worden sind, geht die Reise um drei Uhr nun in trauter Zweisamkeit weiter. Der Regen hat zwar nachgelassen, dafuer erwartet uns gleich nach der Stadt ein hartnaeckiger Gegenwind. Der Anstieg wird so noch anstrengender. Wir sind froh, nach 15 Kilometern nach rechts abbiegen zu koennen, um nun den Wind nur noch von der Seite zu spüren. Wir sind unsicher, ob die naechste Ortschaft eine Unterkunft bietet und so entschliessen wir uns – Ruth zaehneknirschend – in einer für Kappadokien typischen Tuffstein-Hoehlenwohnung zu übernachten. Frühmorgens begrüsst uns ein geselliges Hirten-Bruderpaar mit seiner Schafherde, dem Esel und den fünf Koepeks (Hunden). Bei etwas Sonnenschein koennen wir – Ruth mehr schlecht als recht ausgeruht – die Reise fortsetzen.

Bald treffen wir in Selime ein, das wegen seiner beeindruckenden Tuffsteinkegeln bekannt ist. Im Dorf werden wir sofort von den Schülern in ihren blauen Schuluniformen umzingelt, die uns ihre ‘Hello’ und ‘What’s your name?’ zurufen. Schon bei der ersten Gasse werden wir von einer Grossfamilie zum Tee eingeladen. Weiter oben treffen wir auf Abidin Abur, der uns stolz die traditionelle Backstube seiner Frau zeigt und uns gleich einige noch warme Fladenbrote und Goezlemes mit auf den Weg gibt. Waehrend wir um die Steinkegel herumwandern, passt er auf unsere Velos auf. Zum Abschluss laedt er uns in sein kleines Haus ein, wo wir am Boden sitzend die leckeren mit Spinat gefüllten Goezlemes und Ayran serviert bekommen. Zum Glueck beherrscht Maurizio ein paar Brocken Tuerkisch, so dass doch das Wichtigste (Alter, Beruf, Zivilstand, Reiseroute etc.) ausgetauscht werden kann. Beim Ortsausgang von Selime haengt sich uns – wohl zum Schutz vor den gefürchteten Hirtenhunden, die es auf die strammen Velofahrer/innenwaden abgesehen haben – ein schwarzer Koepek an, der uns unglaubliche 20 Kilometer durch das malerische Ihlara-Tal bis zu unserem Tagesziel Güzelyurt begleitet.

Hier erhalten wir einen kleinen Vorgeschmack auf die riesige Untergrundstadt, die uns spaeter erwarten wird. In der kleineren von Güzelyurt ist echte Kletterkunst gefragt. Die verschachtelten und engen Gaenge koennen leicht klaustrophobische Anfaelle hervorrufen. Kaum am Tageslicht ruft schon der Baerenhunger, der mit Tomaten, Gurken, Schafskaese und Ekmek (Brot) gestillt werden will. Der Weg nach Derinkuyu fuehrt durch eine islaendisch anmutende Vulkanlandschaft, die mit einem riesigen tuerkisblauen Kratersee ueberrascht. In Derinkuyu aergert sich Maurizio ueber ein verstaubtes Gesetz des Kültürministeriums, das den Gebrauch von Fotostativen in der Untergrundstadt verbietet. Nichtsdestotrotz (schliesslich gibt es auch Ministative) erkunden wir die uralte Stadt, die sich ueber 20 Stockwerke unter dem Boden erstreckt und 30’000 Menschen Platz bot. Sie diente den Bewohnern als Schutz vor den an der Seidenstrasse haeufigen Überfaellen. Wichtige Verbindungsstollen konnten bei Gefahr mit metergrossen Steinen verriegelt werden. Heute kann nur ein kleiner Teil über acht Stockwerke besichtigt werden.

Die Fahrt fuehrt uns weiter nach Üchisar und Goereme, dem Herzen Kappadokiens. Die Burg von Üchisar bietet einen atemberaubenden Blick über die weitlaeufige maerchenhafte Tuffsteinlandschaft. Wir koennen uns kaum sattsehen. Im trendy Goereme nisten wir uns wieder im Traveller’s ein, wo wir ein hübsches Hoehlenzimmer zugewiesen erhalten – einiges angenehmer als unsere erste ‘Hoellenübernachtung’. Gekocht wird auf dem Dach des Hotels bei untergehender Sonne mit praechtiger Sicht auf die Stadt. Das Menu ist Coralli con piselli e ricotta, Salat und Cola Turka.

Bevor wir Richtung Kayseri aufbrechen, kurven wir noch durch die eindrückliche Landschaft und bestaunen die bizarren Steinformationen. Genug von den Touristenbussen und den zahlreichen Souvenirstaenden verlassen wir Ürgüp, nicht ohne einen letzten Tee bei einem schweizbegeisterten Teppichhaendler getrunken zu haben. Bei der Routenwahl verhauen wir uns maechtig und, anstatt den direkten und flachen Weg zu nehmen, steuern wir geradezu auf einen Berg zu, der uns zu unzaehligen Pausen und Schiebepartien zwingt. Nach zwei Stunden erreichen wir endlich Aksalur,wo wir verschwitzt eine Einladung zum Tee annehmen – bald ist das halbe Dorf um uns versammelt. Ausgangs des Dorfes warnt uns ein Bauer auf einem Esel vor drei boesen Koepeks. Mit Aesten und Trillerpfeife bewaffnet, koennen wir die mit eisigen Stachelhalsbaendern bestueckten und grimmig bellenden Vieher erfolgreich vertreiben. In sicherer Distanz suchen wir uns ein Campingplaetzli unter freiem Himmel aus.

Am naechsten Mittag erreichen wir nach einer schoenen Talfahrt Incesu (30 km vor Kayseri). Wir werden sofort von einer jungen Frau, der Kulturbeauftragten in Incesu (‘Incesi Beledyiesi Kültür Evi’) in Beschlag genommen. Sie zeigt uns die sehr gut erhaltene Karavanserai ‘Karamustafapasa’ aus dem 17. Jahrhundert, in der die Kamelkarawanen auf der Seidenstrasse Schutz und Unterkunft fanden. Als wir endlich aufbrechen wollen, bemerkt Maurizio seinen sechsten Platten. Kayseri, 330 Kilometer südoestlich von Ankara entfernt, erreichen wir am spaeten Nachmittag.

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