Spiessrutenlauf in Ankara

Nach den zwei geruhsamen Tagen in Göreme wird es Zeit für mich, die unliebsamen bürokratischen Hürden in Angriff zu nehmen. Ich kann in Ankara beim Cousin von Rahime wohnen. Turan und Seda Göz sind sehr sympathisch und nehmen mich auf, obschon ihr zweites Kind vor wenigen Tagen auf die Welt gekommen ist. Und dass ich im Hotel übernachte kommt für sie nicht in Frage. Die Mutter von Seda ist aus Konya hergereist, um dem jungen Paar unter die Arme zu greifen. Sie kocht hervorragende Böreks und Gözlemes, waehrend Seda die Kunst des Kaffeesatzlesens beherrscht. Ihre Englisch-Kenntnisse hingegen sind nicht hervorragend und so verstaendigen wir uns mit Hilfe einer Online-Übersetzung.

Die Botschaften in der 4 Millionen Hauptstadt zu finden ist nicht ganz einfach. Nach ein paar Anlaeufen habe ich den Dreh raus. Bloederweise wohnt Turan am anderen Ende von Ankara und so muss ich jeden morgen rund 12 Kilometer Busfahren, um von Incirli nach Cankaya, Gaziosmanpasa oder Kavaklidere zu gelangen. Sobald ich im entsprechenden Quartier bin, nehme ich ein Taxi, um nicht zu viel Zeit zu verlieren. So habe ich bis zu vier Botschaften an einem Tag geschafft. ‘Maurizio rennt’ wird sich meine Zwillingsschwester Lola denken. Ich mache den Anfang mit der usbekischen Botschaft, wo ich gleich den Antrag ausfülle. Sieben Tage Bearbeitungszeit und 60 Dollar, heisst es. Oder drei Tage Bearbeitungszeit und 90 Dollar. Ohne das usbekische Visum gibt es kein Transitvisum für Turkmenistan, erfahre ich spaeter bei der turkmenischen Botschaft. Zudem wird ein Empfehlungsschreiben der italienischen Botschaft benötigt. Bei dieser beantrage ich kurz danach eine ‘lettera di raccomandazione’. Für das tadjikische Visum hingegen ist eine ‘letter of invitation’ von einer tadjikischen Reiseorganisation nötig, das ich mir via Internet für 80 Dollar besorge. Jetzt weiss ich zumindest, wie man meinen Namen auf kyrillisch schreibt.

Ausflug nach Safranbolu

Am Samstag fliehe ich vom staubigen und laermigen Ankara, das nebst dem Anitkabir (Atatürk-Mausoleum) und dem Museum für Anatolische Zivilisationen nicht sonderlich viel zu bieten hat und nehme den Bus in das 250 Km entfernte nördlich gelegene Safranbolu. Die Altstadt besteht aus traditionellen osmanischen Haeusern, die noch sehr gut bewahrt sind. Die als UNESCO-Weltkulturerbe geschützte mittelalterliche Stadt laedt zum Entspannen ein. Im 300 Jahre alten Hamam, eines der schönsten in der ganzen Türkei, lasse ich mich schrubben, einseifen und so richtig durchkneten. Anschliessend werde ich in Badetücher eingehüllt und erhalte den obligaten Çay serviert. In Safranbolu kann man gut essen und ich lasse mir Lammfleisch in allen Variationen auftischen, jeweils begleitet von einem kühlen Ayran (nationales Joghurtgetraenk), serviert in einem Zinnbecher mit viel Schaum.

Turkmenische Bürokratie

Am Montag geht es dann mit den Botschaftsgaengen weiter. Von der kirgisischen zur tadjikischen zur italienischen und, und, und. Damit das ganze noch reizvoller wird, darf man die Gebühren (nur Dollars werden akzeptlert) bei einer ganz bestimmten Bankfiliale einzahlen, die zuerst gefunden werden möchte. Am unproblematischsten stellen sich die kirgisische und die tadjikischen Reiseerlaubnisse dar, soweit die noetigen Beilagen vorhanden sind. Der kirgisische Botschafter heisst mich in seinem Büro feierlich willkommen: ‘Mr. Mister Maurizio, I give you 30 days, no problem!’. Sein tadjikischer Kollege ist ebenfalls sehr freundlich und fragt mich ‘urgent?’. Ja. In seiner Anwesenheit klebt er mit den farbigen Sticker in den Pass und fuellt ihn aus. Als einziger nimmt er die Dollars bar entgegen.

Am Mittwoch will ich das usbekische Visum holen, doch die nette Dame erklaert mir, sie haetten Computerprobleme. Ich solle doch morgen kommen. Am naechsten Tag renne ich umsonst an, da die Botschaft geschlossen ist. Nachdem es dann schliesslich am Freitag klappt und ich auf einer ganz bestimmten Bankfiliale 110 Dollar einbezahlt habe (ich habe schon gar nicht versucht, darauf hinzuweisen, dass es trotzdem eine Woche gedauert hat und ich eigentlich weniger bezahlen muesste) und das usbekische Visum freudig in Empfang nehme, gehe ich sofort zur turkmenischen. Dort muss ich mich hinter einigen Spediteuren einreihen, die fuer ihre Chauffeure Transitvisas beantragen moechten. Als ich endlich an der Reihe bin, kurz vor zwölf, schnauzt mich der Angestellte barsch an ‘No, No, No’, als haette ich soeben im Warteraum gepinkelt. Ich solle alle Unterlagen im Doppel einreichen, nicht einfach. Und wieso ich die 51 Dollar bereits einbezahlt habe. Dieser Affe sagt mir noch ‘ten!’, zeigt auf den Kalender (gemeint ist Montag, der 10. April), kehrt mir den Rücken zu, macht den Schalter zu und geht in den Mittag. Gesenkten Kopfes verlasse ich die Botschaft.

Wochenende in Ankara zum Zweiten

Toll, so darf ich noch ein Wochenende hier in dieser schmucklosen Stadt verbringen, die vor 80 Jahren noch gerade doppelt soviele Einwohner wie Liestal hatte, wo Papiereimer praktisch nichtexistent sind, eine sagenhafte Dichte von einer Poststelle pro 15 Quadratkilometern besteht, man demzufolge gut und gern zwei Kilometer bis zur naechsten Poststelle laueft, diese dann aber keine entsprechenden Briefmarken für Postkarten hat und der Postangestellte noch blöde fragt, welches Land ‘CH – Switzerland’ ist (vielleicht ist aber auch das Trauma noch nicht überwunden :-)). Diesmal fluechte ich nach Peybezari, das ebenfalls noch vollstaendig alte osmanische Haeuser besitzt. Im Unterschied zu Safranbolu finden sich hier nur tuerkische Wochenendtouristen aus Ankara. Im Internet-Cafe werde ich wieder Opfer der tuerkischen Gastfreundschaft: ich muss nichts bezahlen, auf meine Frage nach dem Busbahnhof werde ich gleich mit dem Auto hingefahren, das Ticket wird fuer mich besorgt und ich erhalte einen Çay serviert.

Am Montag Morgen stehe ich wieder vor der turkmenischen Botschaft. Einige Spediteure vom Freitag mit stapelweise Paesse unter dem Arm warten bereits, worueber ich gar nicht erfreut bin. Das faengt gut an, denke ich mir! Klebte mir am Freitag noch das Pech an den Fuessen, steht mir das Glueck dieses mal zur Seite. Eine huebsche Kasachin steigt aus einem Taxi und ungeachtet der wartenden Menschenmenge vor dem Eisengitter verschafft sie sich Eintritt. Ich packe die Gelegenheit beim Schopf und trete ebenfalls ein. Wunderbar: sie stimmt den Botschaftsangestellten milde und spricht erst noch russisch. Er ist heute freundlich und ruft immer wieder ‘Mister Ceraldi’ aus. Die ‘Invitation’ von der er die ganze Zeit redet, stellt sich als Einladung des turkmenischen Aussenministeriums dar. Ich solle doch das einbezahlte Geld wieder bei der Bank holen und wenn die Einladung vorliegt nochmals einbezahlen. Nein, das geht nicht: ‘pay in advance, no problem’. Er nimmt endlich meinen Antrag entgegen: ‘Come in ten days!’ Insgesamt habe ich in Ankara 14 Mal eine Botschaft aufgesucht und total 391 Dollar an Gebuehren ausgegeben.

Gleichentags nehme ich den Bus zurück nach Istanbul. Beim gigantischen Busbahnhof in Ankara werde ich gleich mal von einem Jungen gefragt: ‘Istanbul?’ Zunaechst glaube ich, dass er ein Angestellter der rund 80 Busgesellschaften ist. Er ist mir eine Spur zu forsch und frech: ‘Come, come, bus will start!’. Eigentlich unnötig, da in Ankara jede Viertelstunde irgendein Bus nach Istanbul faehrt. Zudem will ich noch etwas zum Essen einkaufen. Er besorgt mir das Ticket und fordert ‘Yirmi Bes’ (25) Lira. Auf dem Ticket steht aber nur 20. Er versucht mir zu erklaeren, dass das Ticket 30 gekostet habe, so kurzfristig nur noch 20 und 5 ‘Komisyon’ seien. Mir platzt der Kragen und ich oute mich als Italiener ‘Ma chi cazzo ti ha chiesto di procurarmi questo biglietto di minchia?’. Obschon der Bus bereits losfahren moechte, mache ich ein Buero auf und tobe wie wild. ‘Yirmi bes: hayir !!’ (nein). Ich frage den Chauffeur ‘Yirmi?’ ‘Yirmi!’ antwortet dieser. Und weg ist der Junge.

In Istanbul kann ich dann endlich mein Velo, das sich in der Apotheke von Isik sichtlich wohl gefuehlt hat, wieder in Empfang nehmen. Ich verabschiede mich von Isik, dem Freund Sezer, der fotoscheuen Katze Vicks und der fotogenen Angestellten Esra. Endlich geht es wieder los ! Momentan verfolge ich die Sicherheitslage in den kurdischen Staedten, wo Auseinandersetzungen zwischen Kurden und den Sicherheitskraeften statt-gefunden haben. In Istanbul gab es zudem einen Anschlag und Unruhen auf dem Taksim-Platz. Die meisten Tuerken scheinen aber eine Kurden-Paranoia entwickelt haben und die Tuerkei scheint noch weit weg davon zu sein, die Kurdenfrage geloest zu haben. Der ganze Suedosten ist fuer viele ein Terroristengebiet, das unbedingt zu meiden ist. Rod, mit dem ich mich in Kappadokien getroffen habe, ist dort soeben durchgefahren und hat sich absolut sicher gefuehlt. Meine geplante Route führt ferner durch das Erdbebengebiet im Iran und die zwei am staerksten betroffenen Staedte – Borudjerd und Dorud. Es wird wohl unumgaenglich sein, die westlicher gelegene Strasse, welche direkt von Teheran nach Esfahan führt, zu befahren.

One Response

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert