Mal Prometheus, mal Epimetheus

Beim Grenzuebertritt von Bulgarien nach Griechenland komme ich mir gleich schlau wie Epimetheus vor. Nicht einmal die Grussformel kann ich aufsagen. Dass ich bei den Griechen landen koennte, war bei meiner Reiseroute fast voellig ausgeschlossen und so bin ich ohne Reiseinformationen ueber deren Land unterwegs. Etwas barsch haelt mir der Zoellner sein “Kalimera” entgegen. Das ‘Dober dan’ koenne ich mir fuer Bulgarien aufsparen.















Bei der ersten Gaststaette auf der Landstrasse bestelle ich einen Kaffee. Pavlos sitzt gerade in der Wirtschaft seiner Eltern und ruft lauthals ‘Mamma’, als ich eintrete. Braungebraunt, schwarzes Haar, dichte Augsbrauen und eine praechtige Alexandernase, von Beruf Sergeant in der griechischen Armee, haengt Pavlos gerade am Natel. Ich hoere gespannt dieser klangvollen und kraeftigen Sprache zu, die ein bisschen an das Spanische erinnert. Da die Mamma immer noch nicht kommt, fragt er mich: ‘Can I help you?’ Und wie ! Er erweist sich als guter Lehrer und in einer Schnellbleiche bringt er mir die wichtigsten Woerter bei.

Kassandra, die mir Regenwetter vorhergesagt hat, will ich natuerlich keinen Glauben schenken und so laesst Helios den Sonnenwagen im Stall. In Griechenland erwarten mich wieder europaische Preise, stolz wie Niobe. Bei stroemendem Regen vermeide ich es daher tunlichst, ein Hotel aufzusuchen. Bei der Zeltplatzsuche will ich ja keine Hybris begehen. Und um mir eine Phillippika von einem zornigen Bauern zu ersparen, begnuege ich mich mit einem verwilderten und struppigen Olivenhain. Der Boden ist vom anhaltenden Nieselregen bereits braun und richtig schoen aufgeweicht, sodass meine Schuhe fast vollstaendig darin einsinken. Nun beginnt die Sysiphos-Arbeit: schnell im Regen Zelt aufstellen, Innenzelt ausbauen, Zeltunterlage trocken wischen, Gemuese ruesten (es gibt Gemuesesuppe mit Ruebli, Lauch und Reisteigwaren), Benzinkocher parat machen, kochen, essen, Geschirr waschen, Isomatte aufblasen, Zaehne putzen, auf die Toilette gehen (zum Glueck hatte ich eine PET-Flasche dabei!) und, und… Die Lavendelduftkerze, die Licht und Waerme spendet und die Feuchtigkeit im Zaun haelt, erweist sich an diesem Abend als grosser Segen.

Am naechsten Morgen – immer noch bei Regen – habe ich die Ehre, das pflotschnasse Zelt im Matsch wieder abzubauen. Bei der naechsten Tankstelle behaendige ich einen Wasserschlauch und spritze die klebrige Masse von Ross und Reiter ab. Ich schaetze mich immerhin gluecklich, nicht das Los des Herakles teilen zu muessen, der die Stallungen des Augias saeubern durfte. Einigermassen sauber kann ich meine Odyssee fortsetzen.

Prometheus nachahmend, mache ich mir langsam Gedanken ueber den weiteren Verlauf meiner Reise. Bald wird der Sonnengott Helios um seinen verstorbenen Sohn Phaeton trauern und dieses Schauspiel will ich mir nicht entgehen lassen. Voraussichtlich werde ich von Istanbul mit dem Bus nach Ankara fahren, dort schon mal die Visas fuer die zentralasiatischen Laender beantragen, kurz nach Kappadokien zum Naturspektakel fahren und dann wieder zurueck nach Istanbul, um wieder auf den Sattel zu steigen. Ich hoffe aber, keine Eulen nach Athen zu tragen. Ob ich mich den Argonauten anschliessen werde und im Kaukasus nach dem Goldenen Vlies suchen werde, wird sich weisen. Jedenfalls darf ich meine Ankunft in Tibet nicht auf calendas graecas verschieben.











In Westthrakien halten mich die zahlreichen streunenden Koeter, die es mit Argusaugen auf Velofahrer abgesehen haben und wie der Hoellenhund Cerberus bellen, auf Trab. Leider finden sich auch zahlreiche ueberfahrene Tiere am Strassenrand. Ich werde Augenzeuge, wie ein Hund auf der Gegenfahrbahn von einem Minivan angefahren wird. Er winselt unaufhoerlich und dreht sich um den Schwanz. Gluecklicherweise faehrt kurz danach ein Bauer vor und nimmt das arme Geschoepf mit.

Das Wetter bessert sich endlich und das pflotschnasse Zelt kann luftgetrocknet werden. In Sapies, einer kleinen Ortschaft vor Alexandroupolis, faellt mir von weitem die Moschee auf. Ich unterhalte mich mit ein paar Jugendlichen, schuettle zwei aelteren Herren vor der Moschee die Hand und lasse mich im Kaffee nebenan einladen.













Am naechsten Tag spricht mich Sedat, der zwoelf Jahre in der Naehe von Frankfurt gearbeitet hat, auf Deutsch an und ist froh, seine Fremdsprachenkenntnisse auffrischen zu koennen. Sein Vater kommt heraus und gesellt sich zu uns. Sedat ruft seiner Frau zu, uns einen griechischen Kaffee zuzubereiten. Ein paar Glaeser Wasser duerfen natuerlich nicht fehlen. ‘Staatliches Wasser’ kommentiert er und meint wohl Hahnenwasser. ‘Ab gestern haben wir gutes Wetter, vorher nur Regen’. Plaudernd sitzen wir vor seinem Haus auf dem Dorfplatz und geniessen die Sonne. ‘Komm’ sagt er ploetzlich und zeigt mir die Moschee. Geduldig beantwortet er alle meine Fragen. Abends hoere ich im Zelt von weitem den Ruf des Muezzin. Tuerkei, ich komme !













Ach ja, an diesem Abend habe ich Geburtstag und schlafe gegen zehn Uhr muede und zufrieden in meinem Schlafsack ein. Einen halben Kilo schweren Fisch habe ich mir bereits am Vorabend gegoennt.

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