Finalmente in Italia !

Nach Savognin nahm ich bestens ausgeruht und gestaerkt den Julier-Pass in Angriff und erklomm inmitten der verschneiten Buendner Landschaft Hoehenmeter um Hoehenmeter. Kurz vor der Passhoehe, als die Wolkendecke aufzureissen begann, begegneten mir Andy Schnyder und seine Freundin Regi. Andy hatte am Vortag ein Konzert in Sils Maria. Nach nunmehr einigen Tagen Alleinsein freute ich mich, nochmals bekannte Gesichter anzutreffen. Andy ueberbrachte mir auch gleich die freudige Nachricht, dass eines meiner Bilder aus Galicien als Cover fuer die naechste CD seiner Band “Voice It” (mit der begnadeten Saengerin Lisette Spinnler aus Wittinsburg) auserwaehlt worden ist. Wenn das nicht tolle Neuigkeiten sind !

Husarenritt zum Julier- und Berninapass

Uebrigens wurde mir jetzt kurz vor dem Pass fleissig zugewinkt oder mit dem Daumen Anerkennung gezollt. In rasanter Abfahrt steuerte ich nach dem Pass St. Moritz an, das ich aber links liegenliess. In Pontresina entschied ich mich nach einer kurzen Rast und nach einem Gespraech mit einem Einheimischen fuer die Weiterfahrt zum Bernina-Pass, der im Gegensatz zum Julier-Pass groesstenteils schneebedeckt, deutlich verkehrsarmer jedoch nicht so anstrengend ist. Es daemmerte bereits, als ich erschoepft den Pass erreichte. Zu meinem Glueck war das Ospizio Bernina, das mit einem “preisguenstige Zimmer”-Schild auf sich aufmerksam machte, offen. Ueber 1’700 Hoehenmeter waren fuer heute genug. Zwar wollte man mir im nicht allzu stark frequentierten, dafuer umso angenehmeren Ospizio zunaechst das teuerste Zimmer anbieten. Nachdem ich aber mit dem Chef reden konnte, erhielt ich ein Zimmer zum Preis einer Uebernachtung im 6-er Massenschlag.

Uebernachtung im Ospizio Bernina

Am naechsten Morgen brach ich nach einem reichhaltigen Fruestuck und nach einem Schwatz mit einem sympathischen Bergfuehrer aus Bayern (der vor 30 Jahren mit dem Velo bis zum Berg Ararat gefahren ist) bei strahlendem Wetter durch die bezaubernde und weisse Bernina-Landschaft. Eine Abfahrt von etwa 30 Kilometern bis nach Tirano auf der italienischen Grenze stand mir bevor. Beim Grenzuebertritt wurde ich durchgewinkt. Eccomi in Italia! Und wieder einmal bewahrheitete sich, wofuer ich Italien mag: man erhaelt ueberall “un buon caffè”. Zum Glueck begnuegte ich mich in Tirano nur mit einem leichten Panino alla Bresaola, denn es ging danach wieder steil rauf zum Skiort Aprica (800 Meter Hoehendifferenz). In Breno suchte ich ein gepflegtes Bed+Breakfast als Nachtquartier aus und stellte in einem leeren Restaurant meinen Verdauungsapparat auf die Probe: Bruschette, gemischter Salat, Gnocchi di patate al gorgonzola, Hirschpfeffer, Polenta, Profiteroles, Wasser, Wein und caffè. Che bella mangiata !

Regentag

Den naechsten Tag fuhr ich praktisch nur in Regen, der zudem immer staerker wurde. Voellig durchnaesst kam ich in Brescia an, wo auf der Piazza Centrale “Ultras” (das sind Leute, die sich sonntags in Fussballstadien austoben) gerade gegen Polizeigewalt in den Stadien demonstrierten (Ausloeser war ein Vorfall im September, an dem ein Fussballfan von Polizisten komareif verpruegelt worden war). Zu meinem Leidwesen fand die Demo vor dem Ufficio di turismo statt, das aber am Samstag Nachmittag ohnehin geschlossen hat (welch eine Schande, da ist ja Aarau noch besser bestueckt!). In einer Tageszeitung vernehme ich vom beschaemenden Auftritt des Reformministers Calderoli, der in einer Fernsehsendung ein T-Shirt mit der umstrittenen Mohammed-Karikatur getragen hat. Man kann nur staunen, von welchem Saupack Italien regiert wird! Ich hoffe sehr, dass sich beim bevorstehenden Urnengang der Faux-Pas fuer die Regierungsparteien raechen wird. Die angespannte Stimmung der extremistischen Muslime ist durch das saubloede und kindische Benehmen des Ministers leider weiter angeheizt worden. Ich hoffe, dass sich mein italienischer Pass waehrend der weiteren Reise nicht nachteilig auswirken wird.

Marathon-Etappe

Von Brescia aus wollte ich unbedingt Castelfranco Veneto (kurz vor Venedig), wo meine Tante lebt, in einem Tag erreichen. Ich startete vor acht Uhr und war nach 80 km kurz nach Mittag bereits in Verona, das ich leider etwas vernachlaessigte. Der anhaltende Regen lud aber nicht unbedingt zu einer ausgedehnten Sightseeing Tour ein. Dopo un bel piatto di pasta (das Essen ist wenigstens eine Entschaedigung fuer den elenden Mordsverkehr in Italien) war keine Zeit zum Ausruhen und ich rechnete mir bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h aus, kurz nach Einbruch der Dunkelheit in Castelfranco einzutreffen. Leider machte mir der Gegenwind einen Strich durch die Rechnung und so kam ich nach 9 1/2 Stunden Fahrzeit und 174 Kilometern erst um 21:30 an. Ohne die zahlreichen schmackhaften Orangen und Mandarinen, die von Sizilianern am Strassenrand feilgeboten wurden, waere ich wohl nicht ueber die Runden gekommen. Diese Etappe wird nicht leicht zu ueberbieten sein. Ich goenne meinen mueden Beinen nun zwei Tage Ruhe und geniesse das Nichtstun und das gute Essen, bevor mich meine Reise nach Venedig bringen wird. Meine Tante hat vergeblich versucht, mich von meinem Vorhaben abzubringen.

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